Begegnung im Backshop

Begegnung im BackshopSie kam nur langsam von der Stelle,
nur Zentimeter Bein für Bein.
Ein Hindernis: die Ladenschwelle,
für Sportler selbst ein Stolperstein.

Und immer weiter stückchenweise,
bis an der Theke sie dann stand,
wo diese mühevolle Reise
für ‘n Augenblick ihr Ende fand.

Das heißt: Bestellung aufgegeben,
gewartet, bis die Sachen da,
und dann auf dem Tablett sie heben
zu einem Plätzchen möglichst nah.

Balanceakt wie auf einem Seile:
Schritt, ruhig Atem holen, Schritt –
fürn Kuchen braucht’s ja keine Eile,
kalt nimmt er sein Aroma mit.

Geschafft, und glücklich Platz genommen,
Besteck ergriffen, zugelangt.
Mag’s wohl, wünsch still ich, ihr bekommen,
die um dies bisschen so gebangt!

Erst als sie zu mir rüberguckte,
wir saßen uns ja vis-à-vis,
schien ihre Haltung, die geduckte,
mir plötzlich seltsam irgendwie.

Ein Antlitz, das die Jugendzüge
beinahe unverwelkt bewahrt,
als ob’s der Zeit ein Schnippchen schlüge,
die andres ihr doch nicht erspart.

Die Glieder schwer, gebeugter Nacken,
der Greisin schleppend-schiefer Gang.
Erwartungshaltung: Hängebacken
und Falten alle Naselang.

Doch Gorgo nicht und nicht Xanthippe,
kein Konterfei, das einen schreckt,
vielmehr ein Stück aus Adams Rippe,
das durchaus Appetit erweckt.

Oder muss anders ich’s betrachten,
das hier beschriebne Phänomen:
Die Dame noch als jung erachten
und doch auf morschen Knochen stehn?

Weil diese, die noch jung an Jahren,
ein Missgeschick erlitt, ein Leid,
dass ihr nicht mehr so dienstbar waren
die Körperstützen vor der Zeit?

Auch die Erklärung könnte passen.
Der Fall indes bleibt rätselhaft.
Schon bald hat sie den Shop verlassen.
Ganz langsam. Und doch voller Kraft.

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