Beste Lage

Beste LageDer Rote, den ich heut genieße,
wie zärtlich er die Kehle küsst,
statt dass nur rasch und rau er fließe
als nie zu stillendes Gelüst!

Natürlich wollt ihr gerne wissen,
was das denn für ein Tropfen sei
und wo ein solcher Leckerbissen
auf Bacchus’ Erde denn gedeih?

Nun, da ich keine Werbung schalte
im Handwerk, das ich hier betreib,
verzeiht, wenn ich’s für mich behalte
und flüsternd nur „Sizilien“ schreib.

Des Ätna Feuer in den Adern
und dennoch auch bukolisch mild –
doch will ich hier nicht groß salbadern,
was euren Durst ja auch nicht stillt.

Mit einem Wort, mich zu beflügeln,
kommt mir die Rebe grade recht
von ihren sonnetrunknen Hügeln,
wo Tyros’ Söhne schon gezecht.

„Schon fühl ich höher meine Kräfte…“,
wie Goethe sprach voll Dynamit,
dass ich mich an die Verse hefte
des alten Schäfers Theokrit

Und selbst auf dieser winz’gen Weide,
der Küche kachligem Geviert,
demselben nicht die Fülle neide
der Strophen, die er komponiert.

Denn grad im Fortgang dieser Flasche,
die unaufhörlich sich vertropft,
schwillt immer mehr des Waidmanns Tasche,
in die er seine Beute stopft.

Ich nehm dies als ein gutes Zeichen,
dass er ‘ne sichre Hand gewährt,
und werd das Zeug nicht eher streichen,
als bis es sich von selbst geleert.

Noch bleibt ja Zeit zu diesem Ziele,
noch steht die edle Flüssigkeit
hoch überm gläsern-runden Kiele
ich schätze mal drei Fingerbreit.

Das reicht ja noch für zwei, drei Zeilen,
selbst wenn ich zügig sie verzehr
und, ohne groß mich zu beeilen,
mit Sicherheit noch fürn paar mehr.

Doch will ich euch nicht weiter quälen
mit meinem Schaffens-Alphabet
und geh jetzt lieber Schäfchen zählen –
auch ich ein Pastoral-Poet.

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