Bürgerliches Vergnügen

Bürgerliches VergnügenDer Bürger, runter von der Piste,
befreit von seines Tages Fron,
begibt sich vor die Flimmerkiste,
dem Leichenschauhaus der Nation.

Und bierbequem in seinem Sessel
er zielbewusst ‘nen Krimi krallt,
dass er Gemütlichkeit entfessel
durch Bilder von Brachialgewalt.

Den Kick kann ihm kein Blümchen geben,
das lieblich an der Hecke blüht,
Herr Soundso braucht Menschenleben,
auf dass ihm walle das Gemüt.

‘s ist seiner Psyche anzukreiden:
Bei Salzgebäck und weit vom Schuss
sieht liebend gerne er erleiden,
was er nicht selber leiden muss.

Der schönste aller Nervenkitzel,
so denkt der brave Bürgersmann,
ist wenn mit Wonne und Gewitzel
man sich gefahrlos gruseln kann.

So hätt auch der Neandertaler
mit ähnlich technischem Produkt
als Stein-TV-Gebührenzahler
den „Faustkeil-Killer“ nur geguckt.

Ja, über tausende von Jahren
pflanzt so ‘ne Tradition sich fort,
vom blut’gen Alltag des Barbaren
bis zum modernen Tele-Mord.

Und unsre heutigen Schamanen,
beim Fernsehn sagt man „Intendant“,
sie leihen wie schon unsre Ahnen
dem Schlachten segnend ihre Hand.

Gibt’s was dagegen einzuwenden?
„Natürlich! – Alles halb so wild.
Denn alle Sachen, die wir senden,
sind der Gesellschaft Spiegelbild.“

Pilatusse! In Unschuld waschen
die Pfoten, die von Blut befleckt,
weil sie nach Sendequoten haschen
mit allem, was nach Keule schmeckt.

„Was soll denn bloß dies Kulturelle?
Kein Krimi heut?“ Der Bürger stöhnt.
Er zappt ‘nen Mord sich auf die Schnelle.
So hat die Kiste ihn verwöhnt!

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