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Fenstermusik

Das muss den Menschen man ja lassen,
die blind oft für des Nächsten Not:
Wie hilfreich sie sich unterfassen,
sitzt leidend man im selben Boot!

Seht nur die tapfren Milanesen,
die in der Stube arrestiert,
damit so ein Mikroben-Wesen
nicht weiter in die Welt spaziert.

Wie sie die Lage sich erleichtern
humorvoll und mit Fantasie,
nicht in der Art von Sündenbeichtern
mit Culpa! und zerriebnem Knie.

Man schnappt sich Geige und Posaune
und notfalls seine Stimme pur
und setzt sich in Gesangeslaune
auf dem Balkon in Positur.

Dann wird gefiedelt und geflötet,
geklopft, getrommelt und gezupft,
bis sich die liebe Sonne rötet
und Kühle schon die Stirn betupft.

Soll Straßen-, Hausmusik man’s nennen?
Was Neues, das dazwischenliegt.
Für Nachbarn, die sich gar nicht kennen,
zu denen so Kontakt man kriegt.

Ein Dirigent ist nicht zur Stelle.
Man musiziert nach Herzenslust
in einer jäh erwachten Welle
gegen das Virus und den Frust.

Da kreuzen sich gewiss die Klänge
auf ungewollt moderne Art,
dass es dem Freak die Pilgergänge
zu Cage und Ligeti erspart.

In meinem Haus ist man schon weiter.
Stets ist in Töne es getaucht,
für deren tausendstuf‘ge Leiter
man Hammer nur und Bohrer braucht.

Die großen und die kleinen Fische

Wie friedlich wogt des Meeres Weite
vor ihrem großen Horizont,
wenn sie einmal auf ganzer Breite
von Dampfern sich befreien konnt.

Heut ist dem Sonntag es zu danken,
dass Schiff für Schiff im Hafen liegt
und sich nicht zitternd an die Flanken
der grünen Wellenberge schmiegt.

Die sonst den Fischen auf der Fährte,
genießen ihren Ruhetag,
nachdem das letzte Netz sich leerte
zum wöchentlichen Fangertrag.

Ein Grund zur Freude für Sardine,
Anchovis auch und Kabeljau,
dass man mit heitrer Sonntagsmiene
sich heute auf die Straße trau?

Man weiß doch längst in diesen Kreisen,
vom Hering bis zum Edelfisch,
dass fehlnde Fänger nicht beweisen,
damit sei die Gefahr vom Tisch.

Man kann auch kläglich hängen bleiben,
wenn plötzlich man in Maschen tappt,
die herrenlos im Wasser treiben,
gerissen oder gar gekappt.

Und was ist mit den bunten Sachen,
die neuerdings sich stark vermehrn
und einen Appetit entfachen,
als ob sie Leckerbissen wärn?

Schon mancher dieser Schuppenbrüder
ist an dem zähen Zeug erstickt,
der Atem ging ihm immer müder,
bis er zu Neptun eingenickt.

Ein ewger Kampf ums Überleben
ist ja ihr Dasein ohnehin;
Pardon wird Kleinen nicht gegeben,
schwups, und im Maul der Großen drin!

Doch grade so geht’s auch da oben,
wohin man sie zum Schlachten zieht:
Die aus der Tiefe sie gehoben,
die kennen dieses alte Lied.

Die Fischer sind nur arme Schlucker,
die ihre Bäuche stopfen wolln
und deshalb täglich, tucker, tucker,
als Räuber durch die Wogen rolln.

Denn diese richtig großen Kähne,
die nicht nur fahren auf dem Meer,
sind die der Wirtschaftskapitäne
im Güter- und Finanzverkehr.

Die haben solche Dimensionen
und einen so gefräß’gen Schlund,
dass ihre Touren sich erst lohnen,
reißt alles raus man bis zum Grund.

Der Unternehmer, so die Lehre,
braucht Kapital und Wagemut,
damit er die Profite mehre.
Und denkt: Nach mir die Plastikflut!

Hausputz

Wie schnell macht so ein Tag die Fliege
und geht in sein Nirwana ein –
kaum raus aus der Matratzenwiege,
musst du auch fast schon wieder rein!

Dazwischen galoppiern die Stunden
wie Rassepferde auf der Bahn,
nur länger, vierundzwanzig Runden,
und das mit einem Affenzahn.

Oft fragt man sich, was hast du gestern
mit deiner Zeit so angestellt,
und hört als Antwort selbst sich lästern:
Zumindest war ich auf der Welt!

Heut hab bei schönstem Sonnenscheine
ich mich nicht aus dem Bau gerührt,
es hielt mich an der kurzen Leine
die Pflicht, der auch Respekt gebührt.

Man muss ja auch mal Wäsche waschen,
den Staub geräumiger verteiln,
und in den weitgespannten Maschen
des Internets nach Beute peiln.

Dies aber schließlich überstanden,
war auch der Tag schon fast komplett –
die Sonne senkte sich, zu landen,
und trudelte ins Wasserbett.

Da musste ich ins Logbuch schreiben,
dass der Spaziergang heut entfiel
und statt im Winde wo zu treiben
ich in der Bude lag auf Kiel.

Das war indes noch nicht das Ende.
Den Eintrag nahm ich wieder raus.
Das Schicksal zwang mich ins Gelände
und damit doch noch aus dem Haus.

Denn plötzlich stieg mir in die Nase
ein Müffeln, das bedenklich roch.
Die Küche, dacht ich, Abfallgase.
Der Müll muss zum Container noch!

Still ruht der See

Sie zählen sicher nach Millionen,
die ehrlich den Entschluss gefasst,
im neuen Jahre nachzuholen,
was sie zu tun bisher verpasst.

‘ne Kleinigkeit nur im Verhalten,
die andern doch ins Auge sticht,
jetzt endlich einmal abzuschalten,
dass man erscheint in bessrem Licht.

Da gibt’s natürlich tausend Dinge
in diesem Riesenwunschpaket,
dass ich erst gar kein Beispiel bringe,
weil jeder weiß, wovon ich red.

Doch wenn so viele sich vereinen
im festen Willn zur guten Tat,
müsst schnell uns wärmer nicht erscheinen
der Globus in gefühlten Grad?

Nein, wenn wir so das Weltgeschehen
betrachten in besagter Frist,
die alten Hähne weiterkrähen
auf ihrem alten Haufen Mist.

Als Schlichter großer Streitigkeiten
sind Keulen nach wie vor begehrt,
die, so das Fazit aller Zeiten,
doch die Konflikte nur vermehrt.

Und was wir für die Umwelt machen,
die schleichend aus dem Ruder läuft,
es ist so dürftig, dass vor Lachen
in seinen Tränen man ersäuft.

Wann immer der Vernunft wir trauen,
spielt unser Bauch uns einen Streich.
Luftschlösser kann gewiss sie bauen,
doch kein vernünft’ges Erdenreich!

Gipfeltreffen

Der Mensch mit seinen Eskapaden
als Herr in diesem Erdenhaus,
ist blind indessen für den Schaden
am Sockel des sensiblen Baus.

Als ob’s nicht kurz vor zwölf schon wäre
für den gebeutelten Planet,
bläst weiter in die Atmosphäre
er seinen Dreck von früh bis spät.

Der Globus fiebert, Gletscher schmelzen,
der Meeresspiegel steigt rasant,
und immer höhre Wogen wälzen
gefräßig sich ins Küstenland.

Den Feldern aber fehlt die Feuchte,
der Sprössling, eh er wächst, verdorrt,
und wo man dringend Regen bräuchte,
herrscht Sonnenschein in einem fort.

Wie müssten da die Glocken schrillen,
dass aus dem Schlummer man erwacht
und mit global geballtem Willen
dem Übel endlich Beine macht!

Und wirklich, unsre Volksvertreter
beteuern ihre Kompetenz
und gehn, mobile Unkrautjäter,
auf jede Umweltkonferenz.

Das tun seit Jahrn sie mit Routine
und mit dem gleichen Resultat:
„Hier unsre neuesten Termine –
bis x Begrenzung auf x Grad!“

‘ne Absicht, die Papier geblieben.
Mit Taten kommt man nicht voran.
Ist man gewillt, sie aufzuschieben,
bis eh man nichts mehr retten kann?

Das würde weit man von sich weisen:
„Wir haben vieles schon erreicht“ –
die edle Kunst, sich selbst zu preisen,
fällt diesen Leuten ja sehr leicht.

Doch neulich auf dem letzten Treffen,
den müden Machern da zum Hohn,
sprach, ohne Heuchler nachzuäffen,
die Wahrheit wer ins Mikrofon.

‘ne Dame im Ministerrange,
die Deutschland offiziell vertrat,
die zierte sich nicht erst noch lange,
als um ein Statement man sie bat.

Die Ziele sind nicht zu bestreiten:
Wir alle kennen die Gefahr.
Vor allem wolln wir vorbereiten
den Gipfel schon im nächsten Jahr.

Weltspitze

Entsprechend dem Geräuschkataster
für alle Winkel dieser Welt
errang die Krone sich dies Laster
hier, wo man’s für verzeihlich hält.

Und dieses Hier ist das Ambiente
mit Sonne, Palmenstrand und Meer,
wo schon seit Jahren meine Rente
in milden Wintern ich verzehr.

Müsst ich nicht glücklich sein inmitten
von Menschen solcher Sportlichkeit,
die einen Lorbeer sich erstritten,
nach dem die ganze Erde schreit?

Doch komme ich aus einem Lande
und da auch noch aus einem Ort,
wo diese Disziplin am Rande
man pflegt nur statt als Massensport.

Das muss kein Hindernis bedeuten!
Ich hör noch mal genauer hin –
es liegt wohl wen’ger an den Leuten
als mir, der ich empfindlich bin.

Und prompt zerriss die Morgenstille
ein Hammerschlag von nebenan,
dass selbst der Wecker sich, der schrille,
dahinter noch verstecken kann!

Dann folgten viele weitre Schläge,
die ähnlich kraftvoll ausgeführt,
dass ich zur besten Nervensäge
das Instrument sofort gekürt.

Doch kaum war nach gefühlten Stunden
der letzte Nagel eingerammt,
schlug meinen Ohren neue Wunden
ein Lärm, der aus dem Flur gestammt.

Das war der Trupp der kleinen Kinder,
der müd sich noch die Augen rieb,
indes wie eine Herde Rinder
man hopp! ihn in die Schule trieb.

Die Kleinen aber kaum zu hören,
nachdem die Türen zugeknallt,
doch umso kräftiger das Röhren
der Mütter mit Befehlsgewalt.

Ein Kreischen und ein Kommandieren
wie nur auf dem Kasernenhof!
Das ging mir mächtig an die Nieren,
da zu der Zeit ich gern noch pof.

Zum Glück nach kurzer Zeit vorüber.
Ich zählte grad mein letztes Schaf,
als ich erkannte, dass viel trüber
die Aussicht auf gesunden Schlaf!

Noch schlimmer als die beiden Nummern
mit dem Gehämmer und Geschrei,
versaute es mir einzuschlummern,
die Lautvariante Nummer drei.

Denn jäh die Nachbarn drauf verfielen,
noch eh erreicht ich Phase REM,
das turbulente Spiel zu spielen
„Die Reise nach Jerusalem“.

Ich glaub, mich darin nicht zu täuschen,
wenn ich mir auch kein Bild gemacht,
denn nach den steten Schleifgeräuschen
kam wohl nur dieses in Betracht.

Stühlegerück für starke Nerven.
Es schien, man sprang abrupt vom Fleck,
sich auf den nächsten Stuhl zu werfen,
und stieß dabei den alten weg!

Wer in der Bude gleich darunter
akustisch freien Zugang hat,
der wird mit einem Schlage munter
und hat sehr schnell das Spielchen satt!

Ach, wär der Lärm mir so zuwider,
dass ich ihn hier zu fliehn geneigt,
dann ließ ich mich am besten nieder
im Norden, wo man lieber schweigt.

Womöglich grade bei den Finnen,
die, ohne dass es quietscht und kracht,
ganz still, sie sagen rauhallinen,
es auch zur Meisterschaft gebracht.

Doch wer wird sich schon überwinden
zu so ‘ner Winter-Pferdekur?
Frost wird und Finsternis man finden
und nichts von span’scher Frohnatur!