Das Sprachrohr

Allein sein Gang schon ohnegleichen –
dynamisch, rasch und zielbewusst.
Solln andre schlapp und lustlos schleichen,
er schreitet mit geschwellter Brust.

Und lässt er sein Organ ertönen,
du eher an ‘nen Stentor denkst
als an ‘nen blässlich mittelschönen,
gerupften Paragrafenhengst.

Er lässt sich gerne Fragen stellen,
hält jederzeit ‘nen Spruch bereit,
auch wenn der in den meisten Fällen
kein Schwein von ‘nem Problem befreit.

Er ist nicht wie der Geometer,
der pünktlich an bestimmter Statt –
er kommt beständig etwas später,
damit er seinen Auftritt hat.

Kaum angelangt, reißt er den Schnabel
zu irgend’ner Sottise auf,
dass als Charmeur er und als Nabel
der kleinen Welt sich hier verkauf.

Im Weitergang der Peinlichkeiten
(„Ha, ha, und kennen den Sie schon?“)
lässt er zu Witzen sich verleiten
im süffisanten Macho-Ton.

Geht ihm der Vorrat mal zur Neige
an Scherzen dieser plumpen Art,
spielt weiter er die erste Geige
geschickt mit einem andern Part.

Wie mannigfach sind nicht die Themen,
die ihm den Stoff zum Glänzen leihn,
doch, jeder andre würd sich schämen,
nur in Bezug auf „mich“ und „mein“.

Besonders rühmt er sich der Taten,
die bravourös er schon vollbracht,
dass niemand muss erst lange raten,
dass er auch jetzt Furore macht.

Und sagt selbst offen vor den Leuten,
wenn ihn der Boss mal arg gezwackt,
um durch die Blume anzudeuten
den sehr intimen Chefkontakt.

Der könne sich auf ihn verlassen,
ganz gleich, womit er ihn betraut,
ihn, den Hansdampf in allen Gassen,
der niemals irgendwas versaut.

Er sieht sich gar als „Mehrzweckwaffe“
mit wandelbarem Projektil,
die höchst flexibel Ordnung schaffe,
je nach dem angepeilten Ziel.

Auch mag er hinterm Berg nicht halten
den Arm, „der in die Ämter reicht“:
Möcht wer beruflich sich entfalten,
er macht’s ihm, prahlt er, kinderleicht.

Man würd vor Ehrfurcht glatt erstarren,
wenn man für bare Münze hielt,
was nur in dieses eitlen Narren
Gehirn ‘ne große Rolle spielt.

Schaun wir mal hinter die Kulissen
und auf die Finger diesem Geck:
Der Schlendrian ist eingerissen,
den feudelt keine Putzfrau weg.

Auf seinem Schreibtisch türmen Akten
sich schon zu Haufen himmelan,
die beinah man zu Artefakten
aus Olims Zeiten zählen kann.

Und während er mit flinker Zunge
sich Kränze flicht von Lorbeerlaub,
geht den Kollegen auf die Lunge
sein dicker Dokumentenstaub.

So auf die lange Bank geschoben,
erledigt viel sich mit der Zeit –
Termine werden aufgehoben,
geraten in Vergessenheit.

Und kann er doch mal nicht vermeiden
‘ne Arbeit in bestimmter Frist,
lässt seinen Viz er drunter leiden
und drückt aufs Auge ihm den Mist.

Geht dann mal etwas in die Hose,
weil der’s nicht schaffen kann im Nu,
wirft er sich gleich in Unschuldspose
und schiebt’s Besagtem in die Schuh.

Nun meint ihr, so viel Schaumgeschlage,
dem kluge Köpfe sich versperrn,
es trete deutlich auch zutage
dem vorgesetzten Ämterherrn?

I wo, denn als Politstratege
ist der so ähnlich ja gestrickt
und hat dergleichen krumme Wege
noch immer gnädig abgenickt.

Erst wenn ein neuer Chef die Bühne
(von anderer Partei) betritt,
verkrümelt sich der Geisteshüne
wie’n Felsen unter Dynamit.

Und was wir hier schon dunkel ahnen,
rasch soll zum Faktum es gedeihn:
Es setzt den eignen Mythomanen
zu seinem Sprecher jener ein.