Gut betucht

Gut betuchtNatürlich will seriös er scheinen
und ist dabei ein Modegeck.
Von feinstem Tuch an seinen Beinen
die Hose, die so glänzt wie Speck.

Von herbstlich ahornfarbnem Leder
die Schuhe, die er dazu trägt.
So teure Botten hat nicht jeder –
ob er mit Mandelmilch sie pflegt?

Krawatte, klar. Von reiner Seide.
Doch nicht zu knallig, eh’r gedeckt.
Das Sakko auch ‘ne Augenweide.
Und sitzt, wir ahnten’s schon, perfekt.

Das sind die Unvollkommenheiten,
die heut ihm rauben nicht die Ruh,
doch in den alten, bessren Zeiten
gehörten Stock und Hut dazu!

Ach, ich vergaß, ihn vorzustellen:
Ein Herr*, der in Geschäften macht –
von toten Leopardenfellen
bis zu lebend’ger Menschenfracht.

(*Hier ist mit lebenden Personen
die Ähnlichkeit ja so frappant,
und sind doch ihrer auch Legionen,
dass sie mit Namen nicht genannt.)

Gern handelt er auch mit Papieren,
dern Steig’rung er an Wert verheißt,
und wenn sie diesen just verlieren,
er andre umso lauter preist.

Auch Landesfrüchte armer Staaten
sind ihm Objekt, zu spekuliern,
Garanten schöner Zuwachsraten –
auch derer, die im Dreck krepiern.

Doch zweifellos die Top-Rendite
erzielt er mit ‘nem Waffendeal –
so’n Panzer ist die halbe Miete
fürn Park- und Protzerdomizil.

(Gewissensbisse ausgeschlossen.
Er schläft so ruhig wie ein Kind:
Geht nicht die Lief’rung von Geschossen
an Länder, die (noch) friedlich sind?)

So scheffelt er sich die Millionen,
mit denen er Millionen kränkt –
und weiß, das Vaterland wird’s lohnen,
indem es ihm die Steuern senkt.

Kotau der Ober-Ignoranten
vorm Fetisch Unternehmergeist:
Des Volks bekreuzte Abgesandten
genauso dumm wie jener dreist.

Im schönen Aufputz einer Würde,
die ihm des Schneiders Elle maß,
nimmt leichter er so manche Hürde
und gibt geschäftlich richtig Gas.

Nach außen eine weiße Weste
aufs rabenschwarze Herz gepappt,
so zeigt von sich er nur das Beste –
und, Teufel auch!, der Schwindel klappt!

Der allerschlimmste Menschverächter,
den irgend man sich denken kann,
maskiert sich so zum Tugendwächter
und ordensreifen Biedermann.

(Nur halb ist schuldig er zu nennen,
wenn er so gierig rafft und raubt,
da ja, von dem wir Gleiches kennen,
der Staat die Schandtat ihm erlaubt.)

Kann zur Räson man jemand bringen,
des edle Seelenkräfte ruhn,
und Maß in Dingen auch erzwingen,
die nicht mit Stich und Stoff zu tun?

Natürlich nicht. In seiner Wiege
schon lag der zierlich kleine Colt,
dass mit Gewalt er einmal kriege
des Erdennachbarn Geld und Gold.

Und dies ihm aus dem Sinn zu schlagen,
die Welt nicht über sich gewann:
Mit offenkund’gem Wohlbehagen
sah als den Ihren sie ihn an!

Ach, blind geboren, blind gestorben.
Nur schade, wenn sein Leben flieht,
dass, den er „redlich“ sich erworben,
den Marmorstein er nicht mehr sieht.

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