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Zuständigkeiten

Manch klugen Kopf hört ich beteuern,
allein aus seinem Schaffen schon,
aus pausenlosem Versefeuern
bezieh der Dichter seinen Lohn.

Da bräucht es keine andern Ehren,
schon gar nicht was wie Gut und Geld,
um die Glückseligkeit zu mehren,
die strophenweise ihn befällt.

Ich möchte keineswegs bestreiten,
dass da ein Körnchen Wahrheit steckt
und auf dem Musenross zu reiten
meist alle Wünsche abgedeckt.

Doch selbst im schlichtesten Gemüte
ist Eitelkeit ein treuer Gast,
damit man ihm mit Lob vergüte,
was noch in Lorbeer nicht gefasst.

Auch der Erzeuger dieser Zeilen
hat jene schon an sich bemerkt,
begrüßt mit Kusshand, wenn bisweilen
ein Leser ihm den Rücken stärkt.

Versteht sich online heutzutage.
Und sogar ohne Abc.
Ein Klick nur, und mit einem Schlage
hebt sich der Daumen zum Okay.

Tatsächlich mir zu schreiben pflegen
paar Typen sogar lang und breit –
doch leider nicht der Lyrik wegen,
dafür nimmt keiner sich die Zeit.

Man will mich technisch optimieren
(„Du schöpfst nicht wirklich aus dem Volln“),
wovon die selbst nur profitieren,
die mich zu was belatschern wolln.

Die haben wohl noch nie betreten
die Meldeämter des Parnass.
Apoll betreut doch die Poeten,
nicht Bruder Hermes – merkt euch das!

Mitmachen!

Geliebte Leser, die seit Jahren
ihr meinen Versen auf der Spur,
was lässt die Treue euch bewahren
just diesem dürftigen Parcours?

Ich kritzel mir ja von der Leber
die Strophen unisono weg,
die Senker immer gleich und Heber
wie Wellen unter Bug und Heck.

Und auch der Viererpack der Zeilen
ist schließlich keine Novität:
‘ne Form, in der sich mitzuteilen
auch schon die Alten nicht verschmäht.

Zunächst: Ich hab aus gutem Grunde
gerade diese fest gebucht,
nachdem bewusst ich manche Stunde
auch jede andere versucht.

Am Ende dieser strengen Teste
ich mich nach einer Decke streck,
die absolut wohl nicht die beste,
doch ideal für meinen Zweck.

Gingen mir nämlich in die Breite
die Verse als mein Baugerüst,
ich hier und da noch an der Seite
sie adjektivisch stützen müsst.

Sind sie indes zu kurz bemessen
und bieten mir zu wenig Platz,
dann würd ich einen Besen fressen,
geläng mir mal ein ganzer Satz.

So aber ist nichts überladen
mit Zierrat, der die Lücken füllt,
und kann auch nicht durch Kürze schaden,
die zwingend sich in Schweigen hüllt.

Mit diesem Maßstab in der Tasche
komm jederzeit ich gut zurecht
und stricke stets mit gleicher Masche
ein bunt gestaltetes Geflecht.

Ihr Lieben habt es längst begriffen
und denkt nicht dran, es zu moniern –
man kann ja auf verschiednen Schiffen
die schönsten Güter transportiern!

Auch führte ich in diesem Stile
gern weiter noch den Frachtbetrieb,
weil ungeachtet mancher Schwiele
ich längst mich noch nicht müde schrieb.

Doch wär mein Dankgefühl noch tiefer
und ich noch inniger erbaut,
wärn‘s nicht nur Verse, die ich liefer
und ihr mit Herz und Hirn verdaut.

Ich könnt mir ohne Weitres denken,
ihr hättet ‘nen aktivren Part
und sprängt mir bei, das Ross zu lenken
auf seiner steilen Musenfahrt.

Hängt einfach ihm auf seiner Reise
ein Thema* vor das Angesicht –
das kaut es durch zu einer Speise,
von der Apoll schwärmt: Ein Gedicht!

*Vorschläge unter dem Stichwort „Pegasus“ auf
dieser Homepage

Der unbekannten Leserin

der-unbekannten-leserin-picassoIhr kennt mich schon, ihr zwei, drei Leser,
und meine Klaue, Stil genannt,
wisst, dass Murano mir durch Gläser,
Burgund durch Flaschen wohlbekannt.

Euch ist die Küche nicht verborgen,
die zum Parnass ich mir erwählt,
Apolls Geschäfte zu besorgen,
bei denen nur der Wohlklang zählt.

Und was ich an Gedanken hege,
gesteh ich euch ja frank und frei:
der Seele wundersame Wege
durch Wiesen und durch Wüstenei.

Mein Äußres hab ich euch beschrieben,
damit ihr mich leibhaftig seht,
nicht als Phantom, das, umgetrieben,
sich nur in Tintenspurn verrät.

Hab hautnah euch herangelassen
bis an den tiefsten Lebenskern,
wie einer, gleichsam anzufassen,
und nicht wie von ’nem andren Stern.

(Ganz sicher gibt es da auch Stellen,
an die ich euch kein Licht gesteckt.
Auch die würd ich euch gern erhellen –
hätt ich sie selbst nur erst entdeckt!)

Da lieg ich vor euch auf dem Blatte,
durchleuchtet wie von Röntgenlicht,
wie im Versuchslabor ’ne Ratte,
die man aufs Rad der Weisheit flicht.

Ein offnes Buch. Da ihr hingegen
mit sieben Siegeln mir versperrt,
ihr zwei, drei Leser, derentwegen
so viele Verse ich geplärrt.

Was hat zum Kuckuck euch bewogen,
grad diesen euer Ohr zu leihn,
die mit Sonetten und Eklogen
der höhren Dichtung nichts gemein?

Wie gern läs ich in eurer Seele,
wie ihr in meinen Zeilen lest,
dass sie mir klipp und klar erzähle,
was für ein Wind euch zu mir bläst!

Indes, bei näh’rem Überlegen
wär es wohl besser, wenn’s so blieb –
wer weiß, ob Freundschaft nur zu pflegen,
nicht nach dem Munde ich euch schrieb?

Drum weiter in gewohnter Weise
frisch einfach von der Leber weg –
nicht für blasierte Kennerkreise,
doch für das Herz am rechten Fleck!

Der Dichterfürst

Der DichterfürstNun, wer es auf poet’schem Felde
zu ein’gem Ruf und Ruhm gebracht,
dass selbst er mit verlegtem Gelde
noch locker seinen Reibach macht

Wie zierlich wird er sich bewegen,
damit, der ihm die Schläfe ritzt,
der Lorbeer auch bei Wind und Regen
ganz sicher auf der Platte sitzt!

Mit Sprüchen wird er, mit Sentenzen
als literar’scher Oberhirt
den Nimbus schöner noch beglänzen,
der schön ihm schon zu Häupten schwirrt.

In Sachen Kunst wird er so richten,
dass für ein Salomo er gilt –
mit weisem Urteil sie gewichten,
indem er lobpreist oder schilt.

Und diesem Urteil ist zu eigen,
dass es kein „teils und teils“ enthält.
Um unbestechlich sich zu zeigen,
wird’s rasch und in Schwarzweiß gefällt.

Da mögen auch mal Köpfe rollen,
Karrieren in die Krümpe gehn,
in unsres Richters Protokollen
ist „Irrtum“ gar nicht vorgesehn.

Von des Olymps erhabnen Höhen,
von eines Papsts sakralem Stuhl
gestattet er sich, durchzuflöhen
der Mitpoeten Versepool.

Da sieht er keine großen Fische.
Der einz’ge Hecht im Karpfenteich
er selbst, der bei Apoll zu Tische
und diesem auf der Leier gleich.

Und wie’s so geht in diesen Zeiten,
da man vor großen Namen kniet:
Mag er sich zig Mal auch verreiten:
„Ein Ass auf seinem Fachgebiet!“

Das Bändchen, das in jedem Jahre
er produziert an Poesie,
gilt denn auch stets als erste Ware
und Meilenstein für sein Genie.

Wer aber käme ihr denn näher,
unsterblicher Unsterblichkeit,
als so’n versierter Wortverdreher,
der täglich um die Muse freit?

Und dem im Melos süßer Aulen,
umschmeichelnd seinen Götterrang,
des Höllenhundes dumpfes Jaulen
nie schaurig in die Träume klang?

Was aber, wenn er eingetreten,
der Fall, den er nicht vorgesehn,
und plötzlich mit Gerichtstrompeten
die Todesengel vor ihm stehn?

Wird er wie weiland Orpheus singen,
dass er das Grab zu Tränen rührt,
und so der Aufstieg ihm gelingen,
der ihn zurück ins Leben führt?

Schluss mit den lyrischen Ergüssen!
Schweig, wenn’s Gericht, das Jüngste, tagt!
Du wirst nun damit leben müssen,
dass hier dein Urteil nicht gefragt.

Meine Musenspende

Meine MusenspendeMaschine Tag: zur Ruh gekommen.
Die meisten Rädchen schnurrn nicht mehr.
Vom dunklen Himmel äugt verschwommen
der Mond aus Schleierwolken her.

Für einer Nacht verschlafne Taten
reicht völlig aus sein trübes Licht.
Man kann total in Schatten waten,
der Fuß, er stößt sich trotzdem nicht.

Mein Ritual: die Opferspende
für Musen und Dionysos,
auf dass sie segnen meine Hände,
zu lenken kühn ihr Flügelross.

Ein Weißburgunder, trocken, Baden,
dient heute mir als Libation.
Das kann mit Sicherheit nicht schaden,
die Götter kennen ihn ja schon.

Sie brauchen nur den Duft zu riechen,
der ihnen sacht entgegenweht,
dass, wie auch bei den ird’schen Griechen,
sich freudig ihre Nüster bläht.

Insofern hab ich gute Karten
und werf die Wurst getrost zum Speck.
Die Gläub’gen aller Zeit und Sparten
erschlichen so sich Gold für Dreck!

Doch ob aus glänzendem Metalle,
was ich hier präg an Poesie
und auch mein Wunsch in jedem Falle –
dafür gibt’s keine Garantie.

Ihr kennt das von dem Herrn da oben,
des Ratschluss unerforschlich ist –
mal, dass wir seine Weisheit loben,
mal, dass man besser sie vergisst!

So mag es auch den Musen gehen,
dass nur aus Laune und zum Spaß
sie manchmal durch die Finger sehen
beim Meistersinger-Mittelmaß.

Drum in der Sache unentschieden.
Urteil du selbst, o Leserin!
Und rett mir meinen Seelenfrieden,
dass ich kein bloßer Stümper bin!

Eins aber will ich dir bekennen:
Mich hält die Sucht an Versen fest.
Ich muss Apoll beim Namen nennen,
sobald er abends uns verlässt.

Ihm seitenlange Hymnen singen,
breit fließend aus dem Federkiel,
und anderntags ihm Ständchen bringen
in eines Liedchens knappem Stil.

Die Themen liegen auf der Straße,
man muss nicht lange suchen gehn.
Doch sie zu sammeln in dem Maße –
oft kann ich’s selber nicht verstehn.

Ist es die Lust am Fabulieren,
der Zauber dieser Abendstund?
Geheimnisse, die sich addieren –
im Wesen nur den Musen kund.