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Die Qual der Wahl

Wie schön es ist, nur dazusitzen
am Tisch im milden Kerzenschein
und zwanglos ins Papier zu ritzen
die Verse hübsch in Viererreihn!

Der Tag ist schon in Rot zerronnen,
der Abend liegt schon schwarz und still,
doch hat man grade erst begonnen
und sucht noch, was man sagen will.

Man muss indes nicht lange warten;
die Fantasie, stets auf dem Sprung,
braucht einen Schubs nur, um zu starten,
und bringt sich in Erinnerung.

Was holt sie mir nicht für Gedanken
aus irgendeinem Winkel her,
in dem sie heimlich einst versanken
aus des Bewusstseins Lichtermeer!

Und wie aus unterird’schen Quellen
sich mancher klare Brunnen nährt,
fühl ich die Flut der Bilder schwellen,
die aus den Tiefen wiederkehrt.

Da wird’s schon schwierig, rauszupicken
von „Hustensaft“ bis „Honigmond“
den Stoff, um Strophen draus zu stricken,
weil sich ja jeder dafür lohnt.

Soll ich idyllisch mich gebärden,
vor Laster und vor Lärm geschützt
wie’n Schäfer, der bei seinen Herden
zufrieden auf den Stab sich stützt?

Soll ich ins Universum reisen,
heraus aus meinem trüben Trott,
zu Sternen, die im Walzer kreisen
für ihren Dirigenten-Gott?

Soll ich den Alltagssensationen
poetisch meine Stimme leihn,
der Heiserkeit von Pop-Ikonen,
dem Wasserstand am Oberrhein?

Soll mit erhobnem Zeigefinger
die Meinung geigen jedermann,
den irgendwelcher krummen Dinger
ein Argus überführen kann?

Natürlich ja auf ganzer Linie!
Pfui Poesie am Gängelband!
Lässt sich besingen eine Pinie,
dann auch der ganze Baumbestand!

Von Sachen und Begebenheiten,
o wie der Erdkreis überquillt,
und nur, wenn Pegasus wir reiten,
erschließt sich uns das ganze Bild!

Ein Teppich aus Millionen Flicken,
der um sein Image sich nicht schert –
doch jeder, den wir da erblicken,
ist locker eines Liedes wert.

Der Megastar

Der MegastarMuss seine Seele wohl erheben,
wenn er so auf der Bühne steht
und tausend Augen an ihm kleben,
dass Argus glatt vor Neid vergeht.

Und die entsprechend tausend Ohren
in gleicher Weise wie gebannt
im Tontopf der Akkorde schmoren,
die er den Tasten eingebrannt.

Und wenn die Fans dann in Ekstase,
betört von seinen Melodien,
im Stile ‘ner Sextanerblase
ganz hemmungslos vom Leder ziehn…

Indem sie von den Sitzen springen,
die Arme in die Lüfte schwelln
und ihre Hinterbacken schwingen
wie Hunde, die mit Schwänzen belln!

Muss seine Seele wohl verlocken,
dass hoch sie sich in Wolken fühl,
da andere im Schatten hocken
gesichtslos im Parterre-Gestühl.

Und seine Stimme, die der Krücke
des Mikrofons so viel verdankt,
erfüllt der Halle kleinste Lücke,
mit Selbstbewusstsein vollgetankt.

Berauscht von ihren eignen Kräften,
bekifft von ihrem eignen Klang,
verleiht sie seinen Lebenssäften
den größten Kick und Überschwang.

Und steigert sich bis zum Finale,
der letzten Dröhnung vor dem Schluss,
in dem das lauteste Geprahle
unweigerlich doch enden muss.

Tumult bricht aus auf allen Bänken,
Applaus ist gar kein Wort dafür –
der Sänger, beugen und verrenken,
läuft selig seine Ehrenkür.

Und Blumenwerfen, Sträuße-Reichen.
So endet jedes Gastspiel mal.
Danach aus dem Programm zu streichen.
Licht aus im schönen Erdensaal.