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Denksport

Ertüchtigung man früher sagte,
heut heißt es, halt den Body fit;
dem, der sich nicht periodisch plagte,
macht bald die Pumpe nicht mehr mit.

So hat der Sport, aus Kampf geboren,
sich in den Dienst des Heils gestellt –
statt eines Satzes heiße Ohren
Arznei er in den Fäusten hält.

Und das in so verschiednen Sparten,
dass alles, was das Herz begehrt,
vom Voltigieren bis zum Darten
Entfaltung dem Talent gewährt.

Mit der Variante zu beginnen,
der weltweit man zu Füßen liegt,
weil, um ein Spielchen zu gewinnen,
man kämpft, dass sich der Pfosten biegt –

Dem Fußball, dem in Fangesängen
man huldigt wie einst Pindars Chor
aus überquellnden Stadionrängen
für jedes gottgewollte Tor.

Der Lust am flotten Kombinieren
will ich hier auf den Grund nicht gehn,
nur einfach nüchtern konstatieren:
Sie ist ein Massenphänomen.

Die meisten andern Disziplinen
erreichen dieses Image nicht,
obwohl nicht wen’ger sie verdienen
den Beifall einer breiten Schicht.

Ist denn In-die-Pedale-Treten
nicht auch gesunder Zeitvertreib
und Aufschwung an den Turngeräten
nicht auch ‘ne Stärkung für den Leib?

Und wenn man auf der Gummimatte
den Gegner in die Knie zwingt?
Und mit und ohne Stab die Latte
grad mit dem Steiß noch überspringt?

Was immer auch die Leute treiben,
sie haben ihren Spaß daran –
und um Erfolg sich gutzuschreiben,
man hundertfältig siegen kann.

Braucht es ‘ne klotzige Kulisse?
Die kleinste Fangemeinde zählt,
wenn nur die wichtigste Prämisse:
Begeisterung dabei nicht fehlt.

Die aber, fragt mich nicht nach Gründen,
schlägt hin und wieder aus der Art,
um sich an Künsten zu entzünden,
die selbst der Sponsor sich erspart.

Muss man denn nur auf Rasen kicken,
den ballgerecht man kurzgemäht,
wenn auch im Schlamm, im zähen, dicken,
ein Tor zum Schießen offensteht?

Da wird sich freilich nicht entfalten
die atemlose Leder-Hatz –
man muss den Ball sehr lange halten,
das fordert schon der matsch’ge Platz.

Den Spielern geht’s nicht auf den Senkel,
sie waten gern in diesem Pfuhl
knietief bis an die Oberschenkel,
entspannt wie in ‘nem Swimmingpool.

Wie lange mag so’n Match wohl dauern,
das derart an den Kräften zehrt?
So über große Strecken powern
kann nicht einmal ein Grubenpferd.

Pro Halbzeit knapp ‘ne Viertelstunde
auf einem Feld von kleinrem Maß,
sonst geht die Puste vor die Hunde
und mit der Puste auch der Spaß.

Müsst ich mich heut noch mal entscheiden,
von Funktionären hart bedrängt:
Würd Breitensport ich besser leiden
als einen, der nur schwach verfängt?

Als ich noch flinker auf den Beinen
und etwas schmaler von Gestalt,
dem Fußball (abseits von Vereinen)
wohl meine größte Liebe galt.

Auch Tauchen, Brust- und Rückenschwimmen
gefielen mir nicht wen’ger gut,
musst ich nicht grad ‘nen Turm erklimmen
zum Sprung hinab in Chlor und Flut.

Doch mit den Jahren auf der Hucke
ist sportlich heute Schicht im Schacht.
Seht, wie ich mit den Schultern zucke:
Kommt alles nicht mehr in Betracht!

Es sei denn, dass sie mit was locken,
was einem Grufti noch entspricht.
So was wie auf dem Hintern hocken –
zwei Stunden brüten – ein Gedicht!

Genau besehen

Nach allem, was wir heute wissen
vom Sein und seiner Haltbarkeit,
ist’s nur ein flücht’ges Ruhekissen
im mörderischen Strom der Zeit.

Kaum auf der Erde angekommen
und kaum sie kurz nur angeschaut,
ist schon das Lebenslicht verglommen,
dass dir Freund Hein ‘ne Kiste baut.

Und während es uns wenig kümmert,
was war vorm ersten Wiegenlied,
wolln wir doch, ist der Leib zertrümmert,
gern wissen, was danach geschieht.

Doch ist Gewissheit nicht zu kriegen –
denn leider die Erfahrung lehrt,
dass ein Versuch mit Probeliegen
den Sterblichen seit je verwehrt.

Wer erst einmal die letzte Bleibe
in Erde oder Feuer fand,
der ist mit seinem ganzen Leibe
auch bombenfest dort eingebrannt.

Der Mensch indes in allen Zonen
gab niemals sein Gegrübel auf
und ließ den Spekulationen
nur umso stärker freien Lauf.

Gewiss ein schwieriges Gelände,
doch alles andre als banal.
Die einen sagen: Aus und Ende,
man lebt nur dieses eine Mal.

Denn so, wie ehe wir geboren,
wir fühllos für ein Hier und Jetzt,
sehn wir uns, ist die Schlacht verloren,
ins gleiche Nichts zurückversetzt.

Doch viele bringt das auf die Palme,
weil es ihr Ego untergräbt:
Die Seele gleicht ‘nem feinen Qualme,
dern Tod des Körpers überlebt!

Sie wird geschäftig weiterwandern,
bis sie der Suche müde wird
und sich in irgendeinem andern
als Untermieter einquartiert.

Dabei nicht eine der Millionen
verschiednen Lebensformen flieh’nd,
kann sie im Huhn und Heil’gen wohnen,
so, heißt es, wie sie es verdient.

Der Kreislauf aber könnt auch enden,
beteuern andre wiederum,
wenn wir uns innerlich nicht bänden
an dieses Weltpanoptikum.

Genuss von Bier und Bratkartoffeln
nur immer fleißig dir versag,
dann hockst du einst in Filzpantoffeln
im ewigen Nirwana-Tag!

So’n Quatsch, im Chor dagegenhalten
die Leute, die als Christ getauft:
Man lässt den Tod erst einmal walten
und wird von Gott dann freigekauft.

Das kann zwar eine Weile dauern
da unten in der dumpfen Gruft –
doch Schluss dann plötzlich mit Versauern,
die Leiche atmet frische Luft

Und wird von fleiß’gen Engelsbütteln,
die bei Gottvater in der Pflicht,
nach Auferstehn und Staubabschütteln
flugs abgeführt zum Endgericht.

Berufung wird’s dann nicht mehr geben,
das Urteil hat Gesetzeskraft,
entscheidet übers ew’ge Leben
in Freiheit oder Dunkelhaft.

Die einen, die stets schlecht gewesen,
fahrn in die Hölle zur Tortur,
die andern, brav und handverlesen,
lustwandeln auf der Himmelsflur.

So weit nur meine kleine Liste,
die doch vielleicht zu zeigen reicht,
was angesichts besagter Kiste
uns so an Ahnungen beschleicht.

Na gut. Doch ‘ne Bestandsaufnahme
ist nicht der Weisheit letzter Schluss:
Wenn ich im Glaubenslehrgut krame,
ich auch was Neues finden muss!

Voilà: Was diese Lehrn verbindet,
die füreinander doch so blind,
ist, dass der Boden ihnen schwindet,
in dem sie fest verwurzelt sind!

Denn was auch immer mag passieren,
ist man aus seiner Haut heraus,
man wird in jedem Fall verlieren
den Draht zu Vaterland und -haus.

Ob man für alle Zeit gestorben,
ob man vertauscht des Körpers Kleid,
ob Himmel-Hölle man erworben,
ob sel’ge Ungeborenheit –

Gekappt die Taue, die geschlungen
in diese trügerische Flut,
vergehn auch die Erinnerungen
ans früher eigne Fleisch und Blut.

Nur in der kurzen Lebensphase
kann wer und wo und wie man sein –
zerplatzt dann diese Seifenblase,
platzt mit ihr auch der schöne Schein.

Die Kämpfe, Kriege, Emotionen,
aus denen sich das Sein addiert,
es wird kein Schwein sie einmal lohnen –
wenn immer eins auch profitiert.

Bis zuletzt

bis-zuletzt-auguste-rodinAm Ende wird das Rätsel bleiben.
Am Ende geht man ratlos fort.
Die Trübung war nicht abzureiben
vom Spiegel mit dem dunklen Wort.

Nichts hat man unversucht gelassen.
Sein Herzblut hat man reingesteckt,
der Wahrheit Mantelsaum zu fassen,
selbst wenn sie tödlich uns erschreckt.

Wenn wir des Morgens ausgegangen,
um Brot zu kämpfen in der Welt,
trieb heimlich uns auch das Verlangen
zu sehn, was sie zusammenhält.

Mag sein, dass Häuser wir erbauten,
mag sein, dass Größres wir gewagt –
im Alltag hat, im ewig lauten,
stets ein Warum an uns genagt.

Besonders in den Augenblicken,
wenn still wir die Natur durchstreift,
ist ungleich Ähren, die nur nicken,
des Zweifels harte Frucht gereift.

Die Bäume schienen uns Propheten
mit hoheitsvoll umwalltem Haupt,
die seltsam auf der Stelle treten,
der Sprache seltsam auch beraubt.

Und schien uns doch, als ob sie riefen
mit Inbrunst auf zum Firmament,
das irgendwo in seinen Tiefen
die Antwort auf ihr Flehen kennt.

Aus jeder noch so kleinen Blüte
sprach leis uns ein Geheimnis an,
dass voller Ahnung im Gemüte
man eines Höh’ren sich besann.

Und wenn in langen Winternächten
man grübelnd bei sich selber war,
verblich des Alltags Spiegelfechten
im Chorgesang der Sternenschar.

Doch Ahnung ist es auch geblieben,
ein Lauschen an des Kosmos Wand,
wo eh’r man sich das Ohr zerrieben,
als dass man dort Erleuchtung fand.

Wir gehen, wie wir einst gekommen.
Wir wissen nicht, was uns geschieht.
Wir blicken neidisch auf den Frommen,
der selig ins Mysterium flieht.

Wir haben keinen Trost ersonnen.
Wir schreiten frei ins Ungewiss.
Des Glaubens klerikale Wonnen?
Getünchter Gräber Finsternis.