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Inventur

inventurIhr kennt euch ja bei mir schon aus,
ihr, meine treuen Leser,
in diesem Winkel, wo ich haus
als Mini-Reichsverweser.

Das Lämpchen lächelt süß sein Licht
auf meinen weißen Bogen,
wenn nach erfüllter Arbeitspflicht
ich Puschen angezogen.

Im Glase funkelt rosenfarb
des Bacchus heil’ge Rebe,
die ich profanen Kaufs erwarb,
doch scheu zum Munde hebe.

Vom Kupferkrug, der Wasser hält,
mit dem ich jene strecke,
ein Schatten Richtung Flasche fällt
auf der karierten Decke.

Die Heizung … nein, die hab ich schon
euch früher mal besungen,
heut komm, als eurer Treue Lohn,
ich nur mit Neuerungen.

Die Dosen stehn wie eh und je,
schneeweiß mit schwarzen Lettern,
nach Kaffee duftend oder Tee
auf schrankgestützten Brettern.

Wie eh der Kerzenwürfel wähnt,
dass er zum Leuchten tauge,
und weiter winz‘ge Perlen tränt
aus trübem Flammenauge.

Den guten alten Henkelmann
will ich euch eigens nennen,
weil ich mir lebhaft denken kann,
dass wen’ge ihn noch kennen.

Na, und so weiter und so fort
des Bürgers ganz Gerümpel.
So ist’s bei mir zu Haus an Bord,
wo um mich selbst ich dümpel.

Verzeiht, wenn ich gelegentlich
die Dinge wiederhole.
Doch drehn nicht auch die Sterne sich
um ihre ew’gen Pole?

Mein Kochtopf ist mir Meteor,
mein Bügeleisen Schnuppe,
der ganze Küchenkramkomfort
gleich ’ner „lokalen Gruppe“.

Die Ewigkeit im Augenblick –
zu greifen fast mit Händen.
Wär da die Uhr nicht mit dem Tick,
ihn ständig zu beenden!

Im Rhythmus der Routine

rhythmische-routineDes grauen Tages graues Ende.
Ein Herr nimmt seinen Stammplatz ein.
Rings um ihn Kacheln, Küchenwände.
Es ist halb zehn. Er ist allein.

Er hat das Blatt schon ausgebreitet.
Er wiegt den Schreiber in der Hand.
Er senkt ihn, dass er sutje gleitet
vom linken bis zum rechten Rand.

Jetzt hat er etwas schon geschrieben.
Das Blatt ist nicht mehr völlig leer.
Ein Brief? Vielleicht an seine Lieben:
“Ich grüße und vermiss euch sehr“?

Nein, nichts von solchen trauten Zeilen.
Was er da schreibt, ist ein Gedicht.
Gedanken, um uns mitzuteilen,
was seine Muse durch ihn spricht.

Es scheint ihm daran nicht zu fehlen
noch an den Worten, ihrem Kleid.
Er hat ‘ne Menge zu erzählen.
Und jetzt am Abend auch die Zeit.

Nicht, dass er wie besessen wäre
und trunken nur vom Musenkuss;
er gießt von Zeit zu Zeit die Beere
des Bacchus in den Redefluss.

Der Fantasie kommt dies entgegen.
Der Dünger lässt sie üppig blühn.
Und um der schönen Verse wegen
muss sich der Barde wen’ger mühn.

Die Stunden ticken träge weiter.
Die Sterne rücken leise vor.
Wann trennt des Flügelrosses Reiter
sich endlich von Papyr und Rohr?

Jetzt hat er wohl zu viel des Guten.
Jetzt schlägt des Nektars Wirkung um,
verlaufen sich die Bilderfluten,
macht A und O den Rücken krumm.

Da hat er‘s selber eingesehen,
da macht er rasch den letzten Strich.
Erhebt sich, um zu Bett zu gehen.
Ganz unter uns: Der Herr bin ich.

Nase verstopft

nase verstopftWie lästig so’n vermaledeiter Schnopfen,
der im Gesicht sich grade offenbart.
Wisch von der Nase dir den ew’gen Tropfen,
und schnäuz dich, dass die Röte sie bewahrt!

Kannst du noch für ’nen ganzen Menschen gelten,
wenn aus den Nüstern dir die Bilge leckt?
Nein, vom Gesunden trennen, ach, dich Welten,
der’n Riecher kühn in alle Winde reckt.

Wie lästig so’n vermaledeiter Schnopfen,
wenn dir die Birne dröhnt wie’n Glockenstuhl,
in dem frenetisch alle Klöppel klopfen,
als käm mit Heeresmacht der Großmogul.

Man traut sich ja nicht mal mehr unter Leute!
Du denkst: Pack die Gelegenheit beim Schopf –
ein kleines Schwätzchen; „Schönes Wetter heute.“
Da fegt ’ne Hustenbö dir aus dem Kropf!

Wie lästig so’n vermaledeiter Schnopfen:
Die Klüsen rot wie nach durchzechter Nacht.
Dann lieber doch mit Reben oder Hopfen
dem Bacchus dieses Opfer dargebracht!

Man möchte sich wer weiß wohin verkriechen.
Man fühlt sich wie’n Rosinenbrötchen schlapp.
Man kann nichts mehr vernünftig schmecken, riechen.
Man ist so grade noch am Leben, knapp.

Wie lästig so’n vermaledeiter Schnopfen.
Die Nase läuft, als flöss das Hirn dir aus.
Hast du mit wem ein Höhnchen noch zu ropfen?
Verschieb’s – er macht dich Mickrigen zur Maus!

In allen Ecken Taschentücher lungern,
dass sie zum Niesbrauch unverweilt zur Hand.
Der Zinken soll nach Windeln ja nicht hungern,
wenn ihm der Rotz mal wieder durchgebrannt.

Ach, Schluss! Ich werd die Ohren mir verstopfen.
Will nichts mehr hörn von diesem kranken Kram.
Wie lästig so’n vermaledeiter Schnopfen –
jetzt legt er mir sogar die Hand noch lahm!

Antikes Quantum

Antikes QuantumDa von der Flasche grünem Grunde
sticht dunkelrot der Pegel ab
des Weins, den mehrfach schon zum Munde
genüsslich ich gehoben hab.

Das heißt dass bis zum Halse oben
derselbe nicht mehr stehen kann –
mit meinem Gaumen kaum verwoben,
er gurgelnd durch den Abfluss rann.

Und wenn dann in den Magenwänden
behaglich erst sein Feuer glüht,
lässt er mir schöne Grüße senden,
mir zu erwärmen das Gemüt.

Dann fühl wie Faust ich ein Behagen,
der, auch erhitzt von „neuem Wein“,
fand Mut, sich „in die Welt zu wagen“
und fest in jedem Sturm zu sein.

Nun, mein Gewinn an Zuversichten
ist nicht so faustisch weit gespannt,
doch regt sich jäh die Lust zu dichten,
als hätte Bacchus sie gesandt.

Ach, mit mänadisch wüsten Tänzen
müsst ich mein Leierspiel begehn,
mit Weinlaub mir die Schläfen kränzen,
da tausend Tücher mich umwehn!

Ja, das entspräch den heil’gen Bräuchen.
Was bin ich für ein dröger Spund!
Die Alten soffen Wein aus Schläuchen –
und heut noch ist ihr Lied uns kund!