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Bettwärme

bettwaerme-wilhelm-buschDie Wärme, die im Bett wir finden,
sie gleicht dem Mutterschoß –
frag nach in München oder Minden
oder in Weimar bloß.

Ich kann sogar noch weitergehen
und Grenzen überschreit:
Dies Wohlgefühl von Kopf bis Zehen,
es gilt europaweit.

Da ruht wer in Granadas Kissen,
schläft still wer in Bordeaux –
für beide ist es gut zu wissen:
Es birgt mich ein Plumeau.

Man mag in Genf die Nacht verschnarchen,
in Dublin, einerlei –
am Schoße auch des Patriarchen
führt hier kein Bild vorbei.

Ja, selbst wenn wir uns von ihm wenden,
dem Heimatkontinent,
sehn wir an allen Erdenenden
ein Volk, das gerne pennt.

Ob in Shanghai in Morpheus Armen,
im fernren Kioto gar –
es gleicht ein Liegeplatz im Warmen
dem andern bis aufs Haar.

Das muss auch für Kinshasa gelten
und für Irkutsk noch mehr.
Ihr meint, die beiden trennten Welten?
Wenn dieser Pfühl nicht wär…

(Ob Federn sich, ob Gräser ballen
zum Bette irgendwo:
Egal. Wenn schon die Lider fallen,
reicht auch ’ne Schütte Stroh.)

Der Schlaf verrät des Menschen Sehnen
nach ungetrübtem Glück,
wo immer er ihn mag ergähnen
von Perth bis Osnabrück.

Für eine Handvoll stiller Stunden
entzieht er sich der Welt
mit ihren Kriegen, ihren Wunden
um Fressen, Macht und Geld.

Und lässt, von Träumen abgesehen,
nichts mehr im Kopf rumorn
von all den fürchterlichen Wehen,
die mit dem Tag geborn.

Wir sollten ihn so liegen lassen
in seiner Seligkeit –
das Herz zu friedlich, um zu hassen,
der Arm zu schwach zum Streit!

Kreuzfahrt zu Lande

kreuzfahrtDaheim, daheim von großer Fahrt.
Europa halb durchquert.
An Kunst und Kirchen nicht gespart.
Und sonst auch wohlgenährt.

O Málaga, o Altstadtgassen,
so klein, um Tapas grad zu fassen!
Dafür der Hafen, weit und leer,
ein gier’ger Mund zum Meer!

Komm, lass uns nach Comares steigen,
ich will dir einen Friedhof zeigen,
der alles überragt!
Wir klimmen Richtung Hügelspitze
im Würgegriff der Mittagshitze
durchs Dörfchen unverzagt.

Verwinkelung in Weiß
und Blumen überall.
Am Ende unsrer Reis‘
ein christliches Walhall.

Der Toten trister Taubenschlag
mit herrlich weiter Sicht.
Zementgeviert statt Sarkophag
und Plastik-Rosen schlicht.

Doch wo die Menschen noch am Leben,
sich aus den Gartenbüschen heben
die frischen Blüten bunt,
da in der heilgen Höh hienieden
haucht Gottes Nähe Gottesfrieden
schon vor der letzten Stund.

Nach Frigiliana also dann,
da gibt’s ‘nen süßen Roten.
Ein Lädchen unser Aug gewann,
so recht, ihn auszuloten.

Da reichte man uns zu den Trauben
ein Heilandsbildchen als Geschenk,
wohl auch, an seine Kraft zu glauben,
des Herrenblutes eingedenk.

Doch wurde, Gott zu loben,
je prächtiger gebaut,
als was wir, fest verwoben,
in Córdoba geschaut?

Unlöslich eins ins andere verschlungen,
zu einem Leib verschmolzen, einem Stein:
Moschee und Kirche. Um mit gleichen Zungen
zu einem Herrgott aufzuschrein.

Was hältst, Granada, du dagegen?
Wie schlägst du Reisende in Bann?
Mit einer Burg, am Hang gelegen,
die sich ein Sultan einst ersann.

Sich wuchernd wiederholende Strukturen,
die kristallinisch alles überziehn
zum Tanz von Arabesken und Figuren
in Stuck erstarrter Harmonien!

Und überall ist Allahs Name
in dies Gewirr von Linien gesät,
so wie wer seiner Herzensdame
in spröder Rinde seine Glut gesteht.

Wie mag’s im Sommer hier wohl gleißen
bei gut und gerne dreißig Grad!
„Ich will nicht, Ullah!, Sultan heißen,
wüsst ich nicht dafür mir auch Rat.

Nur einen Katzensprung von dieser Stelle
baut mir ein schattiges Asyl!
Lasst Thujahecken wehrn der Helle
und Wasser rieseln klar und kühl!“

Alhambra und Generalife –
wie Wünsche, die ein Dschinn erfüllt
dem Herrscher ungesäumt,
da unten in des Tales Tiefe
in Dorn und Dickicht eingehüllt
die Stadt von Freiheit träumt.

Doch triumphal Toledo thront
hoch über Schluchten, die der Fluss sich gräbt,
auf einem Gipfel, den kein Wind verschont,
wenn im Gewitter er erbebt.

So furchtlos wie ein Kirchenmann,
der fest im Glauben ruht.
Die Kathedrale zeigt es an:
Man ist in Gottes Hut.

(Da baumeln Kappen von der Decke,
die Kardinäle einst geschmückt,
die jetzt wo in ‘ner dunklen Ecke
der ird’schen Eitelkeit entrückt.)

Ach, wie vergänglich, wie morbid
der Glanz auch weltlichen Geprägs,
der nach Aránjuez uns zieht,
die nach Madrid wir unterwegs!

Was für ‘ne Pracht erlesener Substanzen,
die mehr durch Fülle glänzen denn Geschmack,
Akanthusblätter nur als Zimmerpflanzen,
als Gärtner nur Lakai’n im Frack!

Man sieht, was gut und teuer ist,
den ganzen Prunk der Zeit
und desto deutlicher vermisst
‘nen Schuss Gemütlichkeit.

Vielleicht im Park bei den Fontänen,
wenn schon die Tageshitze weicht
und alle sich nach Schatten sehnen,
die kühlen Statuen selbst vielleicht?

Und dann Madrid: viril, urban,
dynamisch, quirlig und spontan,
rein nichts von Dorfidylle!
Im roten Doppeldeckerbus
zwei Stunden Rundfahrthochgenuss,
Madrid in seiner Fülle!

Am Abend diese Tapas-Bar,
die voll und voll gemütlich war,
am Straßenlärm gemessen.
Bei Schinken, Wurst und „San Miguel“
verging die Zeit uns furchtbar schnell –
doch seht, nicht unvergessen.

Man muss nach so viel City-Leben
auch der Provinz ’ne Chance geben,
dass man den Geist entspann.
So trieben uns die Ruhgelüste
direkt an die Atlantik-Küste
nach San Sebastián.

Scheint nicht der Strand wie’n goldner Reifen
um dieses Blau der Bucht zu schweifen,
ein Diadem aus Staub?
Und jene Villen auf dem Hange,
sind sie nicht Fibel ihm und Spange,
dass Neptun ihn nicht raub?

Doch wie hilft mir die Fantasie,
die Landes euch zu schildern?
So viele Kiefern sah ich nie
am Wegesrande wildern!

Wohin ich auch mein Auge warf,
es mit Natur zu nähren,
es deckte seinen Bildbedarf
allein mit Koniferen.

Mehr hab ich hier als Tour-Rapport
zu bieten nicht und beichten;
es lief so monoton ja fort,
bis wir Bordeaux erreichten.

Da ging es nicht so bräsig her
wie auf dem platten Lande,
die Stadt ein einzges Menschenmeer,
„Bonheur“ als Konterbande.

Was ist das für ein Trubel dort,
da bei der hohen Säule?
Man hört ja nicht sein eignes Wort,
Pardon, bei dem Geheule!

Zum Glück sind sie in Stein erstarrt,
die braven Girondisten,
die in des Rummels Gegenwart
ihr stilles Dasein fristen.

Mann, siehst du auch, was ich da seh?
Das scheint mir optimal:
Ein Riesenrad. Und mit ’nem Dreh –
Sightseeing vertikal!

Wie einer Braue sanfter Schwung
legt dunkel sich und matt
der Fluss in dieser Dämmerung
um die entflammte Stadt.

Wir sehen rechts die Brücke noch,
die wuchtig ihn durchquert,
dann stürzt die Gondel in ein Loch.
Wir landen unversehrt.

Nicht lange, und wir brachen auf,
geweckt vom gall’schen Hahn.
Die Kassen nahmen wir in Kauf
auf flotter Autobahn.

O Frankreich, das du groß an Geist
wie auch an Fläche bist –
wir haben zügig dich durchreist
in Ein-, Zweitagesfrist!

Hier gab die Loire uns das Geleit:
Parks und Paläste pur;
da dehnte öde sich und weit
der Somme blut‘ge Flur.

Noch leidlich hoch die Sonne stand
am Wolkenfirmament,
als Namen man auf Schildern fand
wie Kortrijk, Luik und Gent.

Da hatten wir’s zu guter Letzt
ins Flandrische gebracht,
nicht müde und nicht abgehetzt,
doch grad noch vor der Nacht.

O Brügge, wo des Flamen Seele
in Stein sich offenbart,
wo Giebel, Gassen und Kanäle
nach alter Meister Art!

Des Mittelalters kleine Welt
in Flair noch und Gestalt:
Ein Belfried, der den Tag „verbellt“,
ein Pflaster, das noch hallt

Vom Hufschlag flinker Pferde,
die der Verkehr nicht schert,
Besuch der ganzen Erde
im offenen Gefährt.

Die Zeit scheint stillzustehen
an dem verwunschnen Ort –
doch was wir auch gesehen,
es war nicht Bruges-la-Morte!

Jetzt erst mal Impressionen
von solchem Schlag entbehrn.
Doch glaub ich, dass Äonen
von diesen wir noch zehrn.

Gedichte b. A.

Gedichte b. A.So viele Marken, viele Sorten
hatt ich schon auf dem Tisch;
sie wachsen allerorten
und immer wieder frisch.

Denn Jahr für Jahr gebären
die Reben wieder neu
aus prallen und aus schweren
Gehängen ihr Gebräu.

Und streun den Saft der Trauben
in alle Welt mit Fleiß,
wo immer man in Lauben
ihn zu genießen weiß.

Die Fruchtbarkeit in Ehren,
die nicht nur Gaumen schmeckt,
nein, auch den Geist kann nähren,
der Fantasie erweckt!

Die Weine sich da gleichen
mit wenig Unterschied –
die harten wie die weichen
beflügeln mir mein Lied.

Fantastisch ohne Frage:
Ich kann mich durchprobiern
durch jede bessre Lage –
und selber produziern

Gedichte, auserlesen,
von Baden bis Bordeaux,
wie dies vom zarten Wesen…
erraten!, des Merlot!

Muse und Milieu

Muse und MilieuWas für ‘nen Roten ich da schmecke!
Ach, nicht was ihr euch dabei denkt.
Vom Supermarkt hier um die Ecke,
für ein paar Euros, fast geschenkt!

Und trägt doch auf der Gürtelschnalle
die Herkunft deutlich als „Bordeaux“
und, noch eins drauf in diesem Falle,
die noble Lage des „Château“.

Mit einem Wort, er ist mir teuer,
weil meinen Wünschen er entspricht
und an dem Gaumenabenteuer
mein mürber Beutel nicht zerbricht.

Ihr seht, ‘s ist alles noch beim Alten:
Der Tropfen, feierlich geweiht
den Göttern, die die Kunst verwalten
im hochgeschlossnen Musenkleid.

Das Flämmchen, das ein Stück daneben
graziös auf seinem Dochte tanzt,
ein Lichtlein an die Hand zu geben
dem Herrn, der neue Zeilen pflanzt.

Und ringsherum, grad frisch gestrichen,
der Küche altbewährtes Flair –
doch nicht mehr gräsig und verblichen,
nein, rein wie Venus aus dem Meer.

Sollt irgendetwas mir gelingen,
so liegt’s an diesem Drumherum;
versagen meine Geistesschwingen,
bin ich zum Fliegen halt zu dumm.

Erfolgsgeheimnis

ErfogsgeheimnisInterna will ich euch verraten:
Viel Verse sind der Musen Lohn.
Heut kann ich förmlich darin waten:
Dies Lied ist ja mein zweites schon!

Da kommt der Nektar mir zugute,
den aus der Rebe man gewinnt
und der per Laster oder Schute
rot von Bordeaux nach Hamburg rinnt.

Ich muss ja Katz und Maus nicht spielen
mit irgendeinem Sportverband,
denn schöne Strophen zu erzielen
hat Mittel man seit je verwandt.

Doch lässt die Dichter man gewähren,
auch wenn im Wettbewerb sie stehn,
denn ihre Kunst in allen Ehren –
um große Summen wird’s nie gehn.

Der Muskelmann mit strammen Waden,
der Bälle und Pedalen tritt,
macht selbst bei größrem Geistesschaden
dagegen immer seinen Schnitt.

Denn für das Keuchen und das Quälen,
entschädigt man ihn königlich
und lässt ihn teuer noch empfehlen
‘ne Salbe gegen Sonnenstich.

Doch der Poet, der zum Idole
der Massen niemals hochgehypt,
der hat im besten Falle Kohle,
die schwarz und nicht kontierbar bleibt.

‘ne Welt, in der die Geistesgaben
und die des Herzens wenig wert,
sie ähnelt der der Küchenschaben,
wo prächtig man vom Dreck sich nährt.

Um es noch deutlicher zu sagen
(ich fass die Chance hier beim Schopf,
auf Marxens Seite mich zu schlagen):
Die Welt steht psychisch auf dem Kopf!

Sie faselt ständig was von Frieden,
von Eintracht und von Duldsamkeit,
und schwelgt doch in den Unterschieden
aus Konkurrenz und Widerstreit.

Sie lässt als höchste Werte feiern
Barmherzigkeit und Menschentum,
doch gönnt die Gans mit goldnen Eiern
Karrierefreaks mit Medienruhm.

Sie schwingt mit tausend Idealen
sich auf bis an das Sternenzelt
und misst das Leben doch mit Zahlen,
mit Kosten, Nutzen nur und Geld.

Sie glaubt an einen Gott da oben,
der Händler aus dem Tempel trieb,
doch hat zum Hauptgesetz erhoben
das „ökonomische Prinzip“.

Der Gipfel aller Perversionen!
Das heißt, dass man fürn Überschuss
und wegen der Profitmillionen
im „Notfall“ Menschen opfern muss!

Das Gegenteil von dem Humanen,
das öffentlich man gern beschwört,
und würdig unsrer Steinzeitahnen,
die so ein Wort noch nie gehört.

Moralisch absolut ein Kracher!
Wie aber kommt’s, dass keiner schimpft?
Weil, wie dies der Geschäftemacher,
ja jedes Credo eingeimpft.

Denn die den Staat am Zügel halten
und ihren Willen ihm diktiern
auch über die Gehirne walten,
die sie mit falscher Münze schmiern.

Mit „unsichtbarer Hand“, sie schwafeln,
renk alles sich zum Besten ein,
so dass an reich gedeckten Tafeln
das Land sich nähre, Groß und Klein.

Doch kann der Lüge überführen
sie schnell der vielen Armen Not,
die diese Hand als Faust nur spüren,
die ständig sie zu schlagen droht.

Man könnt das kalte Kotzen kriegen,
wenn man die Heuchelei erkennt,
mit der die Fakten sie verbiegen,
damit den Jammer Glück man nennt.

Ach, voll der Verse Fass, gestrichen –
wie gut habt, Musen, ihr’s gemeint!
Doch bin vom Thema ich gewichen:
Zu viel Interna, wie mir scheint.