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Fahnenflucht

fahnenfluechtigDas Fahnenduo auf dem Dache
hängt schlaff herunter Seit an Seit;
kein Lüftchen weht, dass es entfache
des Tuchs textile Wendigkeit.

Noch breitet klar sich vor den Augen
der Himmel mit gedämpftem Grau,
die rosa Reste abzusaugen
von Helios‘ großer Abschiedsschau.

Nur wo der Mond mit trüber Miene
die Sichel durch die Dünste zieht,
blitzt, wie wenn’s davon widerschiene,
ein Licht, das einem Stern entflieht.

Die Nacht liegt leise auf der Lauer
und schiebt sich unaufhaltsam vor –
was hilft’s, dass ich im Winkel kauer,
sie packt mich dennoch gleich beim Ohr!

Dann reißt der letzte lichte Faden
und alles taucht ins Dunkel ein;
nur hier und da in den Fassaden
verharrt ein schwacher Lampenschein.

Dann sind die Fahnen auch verschwunden
wie ausgerupft mit Stumpf und Stiel
und erst einmal der Pflicht entbunden,
zu präsentiern ihr Farbenspiel.

Sie werden meinen Blicken fehlen,
denn immer, wenn ich mal verschnauf
vom Wort- und Reim- und Rhythmuswählen,
schau sinnend ich zu ihnen auf.

Ob sie vielleicht mich inspirieren
durch ihre bloße Gegenwart?
Gar weil auch sie symbolisieren
auf ihre eigne stumme Art?

Nicht Laute brauchen sie und Lettern
und teilen sich doch ständig mit:
Hier Hamburg, trotzend allen Wettern,
und hier der Bund im gleichen Schnitt.

Die Farben und die Muster reichen,
um ihre Botschaft zu erklärn:
Wir wehen hier als Hoheitszeichen,
den Ruhm des Landes zu vermehrn.

Was sollte der Poet draus lernen?
Um was zu sagen, braucht’s nicht viel.
Barockes Beiwerk stets entfernen.
Der Mensch (Buffon!) ist wie sein Stil.