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Meisterklasse

meisterklasseIhr werdet euren Teil euch denken,
indem ihr diese Zeilen schaut:
„Ein Zwischenruf aus Hinterbänken
der Musenkunst: Nicht schön, doch laut.“

Nun ja, die prominenten Plätze
vorn im parnassischen Parkett,
nach ungeschriebenem Gesetze
gehörn sie folgendem Quartett.

Homer vorab gewalt’gen Sanges,
der uns der Feste Fall erzählt
im Epos allerersten Ranges,
dem zur Vollkommenheit nichts fehlt.

Danach Horaz, von heitrem Wesen
und friedevoll bescheidner Art,
der uns in Bildern, auserlesen,
das rustikale Rom bewahrt.

Folgt Dante, aus Florenz vertrieben,
der Beatrice nur begehrt
und aus der Hölle sich geschrieben
ins Licht, in dem er sie verklärt.

Den Vierten im illustren Bunde,
den auch als Avons Schwan man kennt,
führt heute jedermann im Munde,
der schwatzend auf Zitate brennt.

Die reimt man aus den ersten Reihen
beim besten Willen nicht mehr raus.
Der Spätren Verse: Stammeleien
aus des Parnasses Hinterhaus.

Doch kann mich das nicht so verdrießen,
dass fad mir würd der Musenkuss –
lass weiterhin die Zügel schießen
dem ungestümen Pegasus.

Und hab ich nicht ein Recht zu krakeln,
da sonst das Los mir nichts verlieh
und nur beim geist’gen Fingerhakeln
ich mal ein Verschen rüberzieh?

Drum fragt nicht, lest ihr diese Zeilen,
wie fern sie der Quadriga wohl –
seht zu den Musen wen nur eilen,
dass er ein Lorbeerblatt sich hol!

Hohe Messlatte

Hohe MesslatteNa schön. Ihr wollt von mir nichts wissen.
Was ich verzapfe, ist euch piepegal.
Ihr nährt euch nur von Leckerbissen,
nicht von den Lesefrüchten zweiter Wahl.

Gut, lasst mich euch darum empfehlen,
was eurem Gusto eher wohl entspricht –
Gesang aus größter Dichter Kehlen,
des Genres absoluter Oberschicht.

Der Älteste gilt als der Beste.
Von Helden sang er, Ruhm und Ehr’,
vom Tod vor Trojas hoher Feste,
von Leid und Liebe: Sängerfürst Homer.

Und diesem folgte auf dem Fuße
der Künder friedlich-fleiß‘ger Feldarbeit,
des Landmanns täglich Müh und Muße –
Hesiod, die Stimme der Gerechtigkeit.

Nicht wen’ger lobend zu vermerken:
Horaz, für seine Oden hochgeschätzt,
der selbstbewusst sich in den Werken
ein Denkmal „ewiger als Erz“ gesetzt.

Vergil auch bürgt für Lesewonnen,
des Epos sich um den Äneas rankt,
der, knapp nur Ilions Brand entronnen,
nach Rom ins rettende Asyl gelangt.

Dann lasst nach China euch entführen
zur Zeit der Tang genannten Dynastie,
um großen Versen nachzuspüren
des mut’gen Literaten Bo Juyi.

Und wer verzaubert mit Terzinen,
beschwört Visionen von gewalt‘ger Kraft?
Ein Dante, ewig der zu dienen,
die in der Blüte ihm dahingerafft.

Dem Schöpfer meisterhafter Dramen,
dem „Schwan von Avon“ Dank auch fürs Gedicht!
Welch Vielfalt in dem schlichten Rahmen,
den das Sonett um seine Zeilen flicht!

Wen heute ihnen beigesellen?
Den Hölderlin gewiss, den Baudelaire:
Die Verse, die zu Hymnen schwellen,
und die von Laster und Erlösung schwer!

Mit Poe will ich die Reihe schließen:
Er hauchte Finsternis dem Worte ein,
dass wohlig-kalte Schauer fließen
dem Gruselsuchenden durch Mark und Bein.

Wenn diesen ihr das Ohr geliehen
und Seligkeit hat euch erfasst –
dann sei als Kennern euch verziehen,
dann habt bei mir ihr nichts verpasst!

Kunstgriffe

Die Kunst der StundeDie Kunst, wie soll man sie beschreiben?
Ich mein: Was macht ihr Wesen aus?
Wenn ich jetzt reime „Fensterscheiben“,
bin ich als Dichter schon fein raus?

Das kann nicht sein. Ich wälze Schriften.
Gedrucktes tut ja Wahrheit kund.
Kein Zweifel soll mir je vergiften
dies Manna aus Expertenmund.

Doch halt, hier stock ich schon
(um den „Olympier“ zu zitieren) –
die Schriften sind Legion:
Wo mag die Wahrheit mitmarschieren?

Horaz, der Elegien großer Meister,
bewies auch diesbezüglich seinen Rang.
Die Musen, riet er dem Talent, begeister
mit Tricks und Regeln auch für deinen Sang!

Beschrieb in der „Poetik“ detailliert
die Klippen, die es zu umschiffen gilt,
damit nicht spurlos sich verliert
das Wort, das unserm Kiel entquillt.

Soll ihm der Wahrheit Palmenzweig gebühren?
Wenn einem, sicher, dann Horaz –
wird zum Parnass er auch nicht führen
den Gipfelstürmer zweiten Grads!

Die Normen, die er klug ersonnen,
verwandt er selbst nur virtuos –
ach, Schafe tränk an goldnen Bronnen,
ihr Blöken werden sie nicht los!

Zuerst Talent, das höchste Muss.
Dann: Lieder, reifend im Gehirn.
Dazu ein Schreiber, gut in Schuss,
Gedankenknäuel zu entwirrn.

Fühl zum Poeten dich berufen,
scharr, Pegasus, mit deinen Hufen!
Denn Chuzpe ist die halbe Kunst
beim Aufstieg in der Massengunst.

Ein schlimmes Schicksal überdies
kann dich zum Könner küren:
Der Ruf des leidenden Genies
erschließt sich Herzenstüren.

Exzentrik kommt dir auch zugut.
Nur immer alles hübsch verquer!
Das Einhorn liebt man, die Chimär’,
nicht Mäuse, grau, mit Doktorhut.

Indem ich mich so dreh und winde,
mal hier, mal da den Reim postier –
ob dadurch ich dann glücklich finde
des Dichterruhmes Elixier?

Die Form, sie führ kein Eigenleben,
schmieg innig sich dem Inhalt an:
Was würd ich für Terzinen geben,
wie Dante göttlich sie ersann!

Dass einer in den andern schlinge
sich kettenmäßig Glied für Glied,
so reiht die Reime er zum Ringe,
den er um alle Sphären zieht.

Und weg von ausgelatschten Pfaden:
Mit kühnem Salto querfeldein
und Frischluft in die Lunge laden –
der halbe Dichter-Führerschein!

Doch so dantesk wird’s nicht gelingen
das Neue, wenn es wild gewollt.
Lass wie im Rausch den Stümper singen:
Du hörst nur einen Trunkenbold.

Sind Reim und Rhythmus dir gelungen,
sind Klang gefällig und Gehalt?
Schon Gründe für Belobigungen –
doch Lorbeer nicht im Blätterwald.

Die Speisen, die wir täglich kauen,
sind sie Gemenge nur, Gemisch?
Gekröse auf des Gaumens Auen,
Kaldaunen nur von Kutterfisch?

Gewürz muss rein und Hitze,
und alles wohldosiert,
worauf das Ganze schwitze,
akribisch terminiert.

Und schließlich noch ’ne Prise
von irgendeinem Kraut,
geheim trotz Expertise,
dem Koch nie abgeschaut.

(Ui, hat der Vers mich Zeit gekostet!
Ihr Musen, sagt, wo seid ihr hin?
Glaubt nicht, dass ich am Ende bin:
Denn nur wer reimet, der nicht rostet.)

Bei diesem wieder gab’s kein Zaudern:
Momente nur hat es gebraucht.
Verzeiht dies Aus-der-Schule-Plaudern –
doch seht auch, wie das Dichten schlaucht!

Lernt man Gedichte nach Rezepten?
Poetiken sind Schall und Rauch.
‘ne Handvoll Tricks für die Adepten –
der Rest kommt aus dem hohlen Bauch.

Versuch mal, so was zu erklären,
was unbewusst mit uns passiert!
Willst deinen Bauch du Mores lehren,
damit sein Knurren ihn geniert?

Wärmelehre

WärmelehreDie Therme tut bemüht das Ihre,
und kommt`s auch einem Röcheln gleich,
dass ich das Feuer nicht verliere
für meinen nächsten Musenstreich.

Ich weiß nicht, wie mit Frost im Finger
und Gänsehaut an Brust und Bein
als Sprachdompteur und Versbezwinger
man halbwegs könnt erfolgreich sein.

Damit das Hirn sich frei entfalten
und alle Schleusen öffnen kann,
muss man die Heizung höher schalten,
bis man Dynamik ihm gewann.

Am Beispielwill ich euch beweisen,
dass dies schon immer Flügel lieh,
und nehme kurz euch mit auf Reisen
ins alte Reich der Poesie.

Petrarca sei als erster Sänger
dabei vor Augen euch gebracht –
hätt nördlich, wo die Schatten länger,
so warm er Lauras wohl gedacht?

Und Beatrice: Hätt ein Dante
so glänzend sie in Licht verklärt,
wenn nur die Dunkelheit er kannte,
in der die Kälte sich verzehrt?

Ein Shakespeare selbst in unsren Breiten,
die`s Licht nur flüchtig streifen mag,
zu welchem Hymnus konnt verleiten
ihn so ein schöner Sommertag!

Der Therme also, der bemühten,
von hier aus (Strophe acht) sei Dank,
die Verslein glücklich auszubrüten
aus meiner Seele Samenbank!

Ob ich genannten Dichterfürsten
wohl irgendwann das Wasser reich?
Ich weiß nicht; will nur weiterdürsten
nach Tröpfchen aus dem Musenteich.

Bescheidene Palette

Bescheidene Palette2Bedächtig habe ich wie immer
den Bogen vor mich hingelegt.
Halb neun. Die Zeit, da sich ein Schimmer
von Sternen schon am Himmel regt.

Auf meinem Tisch nur, was ich brauche:
Ein Lämpchen, das sein Licht mir leiht,
und auf der Kerze dickem Bauche
das Flämmchen der Gemütlichkeit.

An Wein hab ich ‘nen trocknen Weißen
mir für heut Abend ausgeguckt.
Dazu ein bisschen was zum Beißen,
falls es den Gaumen danach juckt.

Mehr nicht. Um Bragis Kunst zu üben,
reicht dies bescheidne Drumherum.
Kein Atelier wie Kraut und Rüben,
kein Studio mit Harmonium.

Doch Strich für Strich die Worte fallen,
die in der Seele angerührt
und sich zu bunten Bildern ballen,
von keinem Rahmen eingeschnürt.

Indes im Rhythmus ihrer Füße,
der ruhig und melodisch fließt,
ein Hauch sich schon der ganzen Süße
gottseliger Musik erschließt.

Ja, so spartanisch das Ambiente,
so dionysisch oft die Kunst,
winkt doch dem lyrischen Talente
nicht nur der einen Muse Gunst.

Es muss sich keinem Zwange beugen,
der „tonig“ oder „tönend“ heißt,
kann all dies und noch mehr erzeugen
in seinem grenzenlosen Geist.

(Bisweilen, in ganz seltnen Fällen,
gelingt dies auch der Staffelei.
Wer hört ihn nicht im Raume gellen,
Munchs manisch laut gemalten „Schrei“!)

Was sehen lassen oder hören
mit Pinsel die und Notenblatt,
der Barde kann es auch beschwören
genauso klang- und farbensatt.

Doch nicht so ‘n hergelaufner kleiner –
nur ein Gigant im Dichterchor.
Der Dante, ja, das war so einer:
ein Bosch fürs Auge, Bach fürs Ohr.

Der Hölle unsägliche Qualen
so schrill und schmerzlich er beschrie,
dass selbst dem übelsten Rivalen
die Sünden man noch gern verzieh.

Des Himmels höchste Lichtgefilde
er so berauschend gar besang,
dass von dem unsagbaren Bilde
wie Offenbarung es erklang.

Ach, in so blendenden Regionen
verliern nur Große nicht die Sicht!
Ich muss indes die Augen schonen,
die nur gewöhnt an Kerzenlicht.

Kein Aufschwung, keine Wiedergabe
von letzten Dingen, kühn geschaut.
Hie Laureat, hie Waisenknabe,
der einfallslos am Griffel kaut.

Wenn aber Kräfte zu entbinden,
ein Weib uns aus dem Schlummer weckt,
dann lass, o Gott, den Rock mich finden,
in dem ‘ne Beatrice steckt!

Atelierküche

AtelierkücheIm Kerzenlicht ‘ne Kupferkanne,
ein guter Tropfen sowieso,
und auf dem Herd die Schmurgelpfanne –
voilà, das ist mein Studio!

Man könnte auch von Küche sprechen
(vor allem, wer den Braten roch),
doch Erbsenpaln und Bohnenbrechen
passieren hier nur selten noch.

Was eine Mahlzeit so erfordert,
geht ohne großes Drum und Dran.
Und außerdem: Der Single ordert
beim Pizzaservice nebenan.

Kein Futterplatz in Bausch und Bogen –
auch Klause in Pieriens Flur:
An diesem Ort hat sich vollzogen
ein echter Wandel der Struktur.

Wenn Bauch und Geist an einem Strange
zu friedlichem Behagen ziehn,
dann ist um Verse mir nicht bange,
dass würdig ich den Musen dien.

(Mit Lorbeern will ich und mit Reben
wie Epikur in alter Zeit
die Tage still zu Ende leben
in heiterer Gelassenheit.)

Sehr praktisch auch: Von dieser Warte
kann ich die Straße übersehn,
was mir schon häufiger ersparte,
erst lang auf Themenpirsch zu gehen.

Da liegt ja alles ausgebreitet,
was des Poeten Herz erfreut,
der gern auf einem Rosse reitet,
das vor Beton und Blech nicht scheut.

Zudem kann ich von hier erhaschen
beim Blick auf die Fassadenfront
ein Stückchen Himmel, trüb, verwaschen,
doch weitend meinen Horizont.

(Auch anderen verhalf zum Liede
schon mancher ungewohnte Fleck –
man denk nur an die Verseschmiede
mit ihrem Eisen, Ruß und Dreck!)

Was rede ich denn so verschroben?!
Macht denn der Ort die Poesie?
Im Oberstübchen, tick, da oben,
da muss sie stimmen, die Chemie!

Sonst müssten ja Vereinsnaturen,
die wandernd durch die Lande ziehn,
beglückt vom Zauber unsrer Fluren
so hymnisch sein wie Hölderlin.

Und auch die Wärter, deren Augen
im Bildersaal den Dienst versehn,
sie müssten für die Dichtkunst taugen,
auf Du und Du mit Dante stehn.

Doch Rucksackträger und Livrierte,
trieb’s je sie zum Parnass empor?
Ich weiß nicht, was sie so genierte –
in jedem Fall, es kam nicht vor.

Mag das Ambiente auch beflügeln,
im Herzen kriegen sie Kontur,
die Verse, die nicht zu erklügeln
mit ‘ner Poetik-Rezeptur.

Was will der Dichter damit sagen?
Dass er gesegnet mit Talent?
Um Himmels Willn, wie würd ich’s wagen –
das weiß allein der Rezensent.

Da seht nur (könntet ihr’s denn sehen)
mein Kerzlein, wie es innig glüht:
So sollt ihr mich als Licht verstehen,
bescheiden, aber stets bemüht.

Mit diesem Credo will ich schließen.
Längst füllt die Nacht das Himmelsrund,
und überall die Sterne schießen
wie goldne Pilze aus dem Grund.

P.S.

Ich werf den Pinsel in die Ecke.
Ich führ zum Stall den Pegasus.
Ich dreh mich kantisch in die Decke.
Ich ruhe sanft wie Claudius.