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Stiller Genießer

Es liebt der Mensch, sich einzuigeln
in manche Art von Gläubigkeit,
die alle aber widerspiegeln
sein Herz, das nach Bekenntnis schreit.

Man hat sie sich nicht erst erkoren
nach Kandidatenkonterfei –
man ist in sie hineingeboren,
in die und die Politpartei!

Das heißt, Charaktereigenheiten
hat mitgebracht man auf die Welt
und diesen dann im Lauf der Zeiten
ein festes Credo beigesellt.

Könnt also mein Gemüt erschließen
aus dieser Lehre, die mir wert:
das Leben friedlich zu genießen,
an Leib und Seele unversehrt.

Und sich nicht Bange machen lassen
von Götterzorn und Höllenpein,
weil diese nur zu Mythen passen,
die mit dem Alltag nichts gemein.

Genuss soll der Vernunft entsprechen,
damit er nicht zur Reue zwingt,
wie wenn da wer bis zum Erbrechen
Konditorkunst herunterschlingt.

Und sich auch keineswegs beschränken
nur auf den Mund- und Magenpart,
anstatt ihn auch dem Geist zu schenken
auf etwas delikat’re Art.

Sind nicht des Musikers Sonaten,
die Leinwand, die der Maler streicht,
so köstlich wie ein Sauerbraten,
in Marinade eingeweicht?

Ihr seht, mit Fress- und Saufgelagen
hat diese Lehre nichts am Hut,
obwohl ihr jene nachzusagen,
man ihr bis heute unrecht tut.

Ganz vorneweg erklärte Christen,
wie sie Mirakel delektiern
und so ‘nen schnöden Realisten
als platten Prasser diffamiern.

Ihr kennt ja selbst den alten Heiden,
dem dieses Schicksal widerfuhr:
„Im Maß genießen, Schmerz vermeiden“ –
so vorgelebt von Epikur.

Und während ich noch dieses schreibe,
verspür ich schon des Mottos Kraft –
warm und gemütlich meine Bleibe,
kühl im Pokal der Rebensaft.

Die Weisheit Epikurs

Ein Denkgebäude erster Güte,
nach Meister Epikur benannt,
erlebt noch heute seine Blüte,
wenn in der Regel auch verkannt.

Was hat uns dieser sagen wollen?
Zumindest nicht, was mancher meint:
Man schöpfe möglichst aus dem Vollen
von dem, was uns als Lust erscheint.

Das heißt, den Bauch sich vollzuschlagen,
bis schließlich er zu platzen droht,
an Wochen- wie an Feiertagen,
beginnend mit dem Morgenrot.

Und auch dem Trunke zuzusprechen
mit jeder Mahlzeit parallel,
um so von früh bis spät zu zechen,
dass es an Fröhlichkeit nicht fehl.

Dazu die weiteren Vergnügen,
nach denen unser Leib begehrt,
ihm jederzeit hinzuzufügen,
dass sich das Lustgefühl vermehrt.

Den Sinnen stets ein Fest zu geben,
so hat man jenem unterstellt,
das sei das höchste Ziel im Leben –
Genuss, der aus dem Rahmen fällt.

Und wenn man sich ein Bild mal machte,
um ihn von Angesicht zu sehn,
‘nen Schlemmer aufs Tapet man brachte
oder ‘nen trunkenen Silen.

Wie manchem ist es ihm ergangen,
dem man im Munde umgekehrt
die Weisheit, die er unbefangen
genau im Gegensinn gelehrt.

Gewiss hat er von Lust gesprochen,
doch nirgendwo von hemmungslos
auf kleiner Flamme sollt sie kochen,
als stille Lebensfreude bloß.

Das ist ja grad der Pfiff der Lehre –
die stetige Gelassenheit,
dass nichts mit Sorgen dich beschwere
und deiner Seele Angst bereit.

Von keinem Kummer lass dich drücken,
in keinen Jubel dich verliern –
steh auf, um einen Tag zu pflücken,
den Disteln gleichwie Rosen ziern.

Und da soll diesen man verprassen,
‘nen Dreck auf seinen Körper hörn
und mit stupidem „Hoch die Tassen!“
die Leber und den Geist zerstörn?

Da soll man ständig Orgien feiern,
die Lust zu kosten im Extrem,
dass sie, entblößt von allen Schleiern,
von selbst das Kotzen überkäm?

Sich still im Winkel wo zu halten
und sich des Augenblicks zu freun –
ein Stückchen Feuerholz zu spalten,
den Tauben Körner hinzustreun –

Wär das nicht höher einzuschätzen
als jener flüchtige Genuss,
nach dem die Spießer ständig hetzen
wie ein frustrierter Tantalus?

Doch selbst wenn irgendwo verborgen
wir hausen, wo die Hähne krähn,
bleibt doch die Frage nach dem Morgen,
das heißt dem letzten, den wir sehn.

Entführt er uns in Himmelsweiten,
wo Harfenklang uns süß umweht,
wo wir auf rosa Wolken schreiten
in ew’gem Preis- und Dankgebet?

Oder in finstre Höllenfluren,
die widerhalln von Todespein,
weil unter grässlichen Torturen
die Sünder durcheinanderschrein?

Die Sorge hat der alte Weise
mit seinem Credo weggewischt,
dass man nicht wo ins Blaue reise,
wenn‘s Lämpchen einem einst erlischt.

Es gäbe keine Höllenstrafen
so wenig wie ‘n Elysium,
die Götter, meint er, eher schlafen
und machen keinen Finger krumm.

Und wenn wir leben, nun, dann eben
macht ja der Tod noch keinen Schnitt –
und wenn sie uns das Bahrtuch weben,
kriegen wir auch von ihm nichts mit.

Ob so den Abschied er von Erden
tatsächlich jemand leichter macht,
mag immerhin bezweifelt werden –
‘ne Furcht, die einfach „weggedacht“?

Doch schön, dass er die letzten Dinge
allein mit dem Verstand bedenkt
und sich nicht in der falschen Schlinge
von Wunder & Absurd verfängt.

Ihm alle meine Sympathien,
dem Anwalt für den Seelenschmaus!
Drum hab ich ihn mir ausgeliehen
und schlachte ihn genüsslich aus.

Keine Theodizee

keine-theodizee-milletIch weiß nicht, wie es andre halten,
die sich Apollos Kunst geweiht,
ob sie genießend sie entfalten,
ob lieber mit Enthaltsamkeit.

Mir läuft am raschesten die Feder
im starken Sog der Fantasie,
wenn auf dem Küchentisch-Katheder
ein kleiner Trunk ihr Flügel lieh.

Auch etwas Beiwerk kann nicht schaden,
wie die Erfahrung mich gelehrt –
Oliven, Käse, Weißbrotfladen
haben sich bestens schon bewährt.

Die Gaumenfreuden, die sie schenken,
erwecken wohl des Geistes Neid –
sich nach den seinen zu verrenken,
scheint desto eher er bereit.

In diesem seligen Ambiente
erblickt mein Vers das Licht der Welt.
Ganz heidnisch. Ohne Sakramente.
Direkt ins Paradies gestellt.

So wäre, Leser, denn mein Glück vollkommen
im heitren Wandel eines Epikur –
so wie den gläubig Wissenden, den Frommen
nichts wirft aus seiner Seelenfriedensspur?

Ach, wenn ich reimend so an Wunden rühre
und diesen Jammerleib der Welt beklag,
dann, glaubt mir, dass ich die Gourmet-Allüre
mir stehnden Fußes aus dem Kopfe schlag!

Wie billig ist’s, das Elend zu beschreien,
sitzt man mit vollen Backen weit vom Schuss –
um ihm von fern sein Mitgefühl zu weihen,
doch nicht ein Krümelchen vom Überfluss.

Als gnäd’ges Schicksal kann ich es nur werten,
dass meine Mittel mich so leidlich nährn
und nicht einmal des Euphrat Göttergärten
als goldner Aufenthalt mir lieber wärn.

Doch mag des Denkerfürsten Ruhm erschallen,
wo tauben Herzen er die Zeit vertreibt:
Die Welt ist, ach, die beste nicht von allen,
nicht einmal gut, Monsieur Hochwohlbeleibt!

Da ich zum Platzen mir die Plautze stopfe,
so blind genießend und karzinogen,
zehrn wohl Millionen nur aus einem Topfe,
den sie nie fettig und nie voll gesehn.

Ich werd darum nicht Kohldampf schieben müssen,
das füllte keinem Hungernden den Bauch.
Geb lieber ihm was ab von den Genüssen,
dann steht er etwas wen’ger auf dem Schlauch.

Doch aller Satten Gabe würd’s bedürfen –
die meisten aber halten zu den Sack.
Drum werd ich weiter dichten. Weiter schlürfen.
Und weiter mit ’nem bittren Beigeschmack.

Kleine Freuden

Kleine FreudenKeine besondren Vorkommnisse.
Der Tag, er schleppte sich dahin
als Schnecke auf der Zeitabszisse
mit Wackelbauch und Doppelkinn.

Nicht dass ich nicht erledigt hätte,
was heute er von mir begehrt,
doch in der ew’gen Pflichtenkette
ist das ja kaum der Rede wert.

Ein bisschen Einkauf, Staubverteilen,
mit feuchtem Lappen Streifen ziehn,
die Nägel schneiden und befeilen,
zum Feudeln auf den Fliesen knien.

Allein dass dieses ich erwähne –
ich müsst mich schämen als Poet!
Nicht ein Moment, nicht eine Szene,
die gern in Versen man verbrät!

Doch mag sich drum auch Unmut regen –
erzwingen lässt sich so was nicht.
Soll etwa selbst ich Feuer legen,
es zu besingen im Gedicht?

Zum Nero bin ich nicht geboren,
hab eher Epikur im Blut –
auf kleine Freuden eingeschworen,
zufrieden stets und frohgemut.

Und überhaupt: Auch dieses Leben,
das man verächtlich Alltag nennt,
hat so viel Poesie zu geben,
die unsre Poesie nicht kennt!

Atelierküche

AtelierkücheIm Kerzenlicht ‘ne Kupferkanne,
ein guter Tropfen sowieso,
und auf dem Herd die Schmurgelpfanne –
voilà, das ist mein Studio!

Man könnte auch von Küche sprechen
(vor allem, wer den Braten roch),
doch Erbsenpaln und Bohnenbrechen
passieren hier nur selten noch.

Was eine Mahlzeit so erfordert,
geht ohne großes Drum und Dran.
Und außerdem: Der Single ordert
beim Pizzaservice nebenan.

Kein Futterplatz in Bausch und Bogen –
auch Klause in Pieriens Flur:
An diesem Ort hat sich vollzogen
ein echter Wandel der Struktur.

Wenn Bauch und Geist an einem Strange
zu friedlichem Behagen ziehn,
dann ist um Verse mir nicht bange,
dass würdig ich den Musen dien.

(Mit Lorbeern will ich und mit Reben
wie Epikur in alter Zeit
die Tage still zu Ende leben
in heiterer Gelassenheit.)

Sehr praktisch auch: Von dieser Warte
kann ich die Straße übersehn,
was mir schon häufiger ersparte,
erst lang auf Themenpirsch zu gehen.

Da liegt ja alles ausgebreitet,
was des Poeten Herz erfreut,
der gern auf einem Rosse reitet,
das vor Beton und Blech nicht scheut.

Zudem kann ich von hier erhaschen
beim Blick auf die Fassadenfront
ein Stückchen Himmel, trüb, verwaschen,
doch weitend meinen Horizont.

(Auch anderen verhalf zum Liede
schon mancher ungewohnte Fleck –
man denk nur an die Verseschmiede
mit ihrem Eisen, Ruß und Dreck!)

Was rede ich denn so verschroben?!
Macht denn der Ort die Poesie?
Im Oberstübchen, tick, da oben,
da muss sie stimmen, die Chemie!

Sonst müssten ja Vereinsnaturen,
die wandernd durch die Lande ziehn,
beglückt vom Zauber unsrer Fluren
so hymnisch sein wie Hölderlin.

Und auch die Wärter, deren Augen
im Bildersaal den Dienst versehn,
sie müssten für die Dichtkunst taugen,
auf Du und Du mit Dante stehn.

Doch Rucksackträger und Livrierte,
trieb’s je sie zum Parnass empor?
Ich weiß nicht, was sie so genierte –
in jedem Fall, es kam nicht vor.

Mag das Ambiente auch beflügeln,
im Herzen kriegen sie Kontur,
die Verse, die nicht zu erklügeln
mit ‘ner Poetik-Rezeptur.

Was will der Dichter damit sagen?
Dass er gesegnet mit Talent?
Um Himmels Willn, wie würd ich’s wagen –
das weiß allein der Rezensent.

Da seht nur (könntet ihr’s denn sehen)
mein Kerzlein, wie es innig glüht:
So sollt ihr mich als Licht verstehen,
bescheiden, aber stets bemüht.

Mit diesem Credo will ich schließen.
Längst füllt die Nacht das Himmelsrund,
und überall die Sterne schießen
wie goldne Pilze aus dem Grund.

P.S.

Ich werf den Pinsel in die Ecke.
Ich führ zum Stall den Pegasus.
Ich dreh mich kantisch in die Decke.
Ich ruhe sanft wie Claudius.