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Neue Perspektive

Neue PerspektiveJetzt kann ich wieder klarer blicken –
‘ne neue Scheibe: Goldes wert.
Ab heut die Uhren anders ticken
für meine Klause mit dem Herd.

Hier wo ich meine Süppchen koche
aus Rhythmus, Laut und Reim,
beginnt die Paradies-Epoche
mit Milch und Honigseim.

Wie das?, so mögt ihr gerne fragen,
ein neues Fenster, ja, na und?
Doch unterschätzt nicht mein Behagen,
bin ich befreit von Schutt und Schund!

Wie lang ich nicht vor Augen hatte
dies ungehobelte Geviert,
das wie im Zaun ‘ne alte Latte
Verfall und Trauer evoziert!

Und müssen nicht auch die Gedanken,
die sinnend oft nach draußen gehn,
an einer solchen Brille kranken,
durch die sie alles trübe sehn?

Wie im Gebirge uns die Bäche
ihr Bett zu zeigen sich nicht ziern,
so frei lässt diese frische Fläche
den Blick nun in die Welt passiern.

‘ne völlig neue Sicht der Dinge?
Wär längst ja überfällig schon.
Nun denn, mein Barde, singe, singe –
dem Glaser deinen Dichterlohn!

 

Glas-Nostalgie

Glas-NostalgieDie Tür nach draußen zum Balkone,
wie oft ich da nicht durch mich stahl!
Die Zahl ist sicherlich nicht ohne –
ich schätze, so zehntausend Mal.

Einmal pro Tag in dreißig Jahren
(und das noch eher knapp gezählt)
ergibt nach gängigem Verfahren
just diese Summe, ungeschmält.

Wie wär das ohne Spurn geblieben?
Dies Auf und Zu, das strapaziert;
und dann die Wetter, die sich rieben
an diesem hölzernen Geviert!

Da klaffen Risse, Runzeln, Narben,
da platzen Placken von der Haut,
da haben sich die frischen Farben
zu toten Tönen abgebaut.

Zerbröselt und zerstäubt zu Zunder
das morsche Holz in großem Stil;
da ist es gradezu ein Wunder,
dass alles nicht zusammenfiel.

Wie immer auch: Das Altvertraute,
man gibt es ja nicht gern davon;
doch heut zum letzten Mal ich schaute
die Tür-Ruine zum Balkon.

Die Glaser werden morgen walten
und neue Scheiben mir beschern.
Ob die auch dreißig Jahre halten?
Die Frage kann ich nicht mehr klärn.