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Auf Tuchfühlung

Auf  TuschfühlungMit wem wir auch gemeinsam wohnen
auf engstem Raume, Wand an Wand,
zu knüpfen scheint sich nicht zu lohnen
mit ihm ein enges Freundesband.

Den Nachbarn gegenüber grade,
der täglich unsre Scholle teilt,
betrachten wir als flau und fade,
weil da er statt woanders weilt.

Von diesem Phänomen uns Kunde
ja Jesus schon gegeben hat:
dass Weisheit aus Prophetenmunde
nichts gilt in seiner Heimatstadt.

Und so auch hier: Kaum kurz berochen,
schon wieder wird Distanz gewahrt.
Die ist bis heute ungebrochen –
und hat schon ‘nen Viermonatsbart.

Ich hör es schwatzen, schimpfen, scheppern,
wie Wasser läuft, ein Stuhl gerückt,
auch manches Eh’geschirr zerdeppern –
na, wie man halt den Tag so pflückt.

Doch wie ein Hörspiel, ohne Bilder
und ohne Stimmen, die man kennt –
als ob ein Radio mir schilder‘
Geschichten aus dem Orient.

Heut endlich der Kontakt, der späte:
Dem Nachbarn flog etwas davon –
von seinem Wäscheständer wehte
ein Handtuch mir auf den Balkon!

Goldene Gaben

Goldene GabenHeut ist der Tag der heil’gen Weisen,
der Kön’ge aus dem Morgenland,
die zünftig auf Kamelen reisen,
Vehikeln für den Wüstensand.

Einst kamen Kaspar und so weiter,
von ihrem guten Stern geführt,
ans Ende seiner Strahlenleiter,
wo sie die Krippe aufgespürt.

Und brachten diesem winz’gen Knaben,
der da in Windeln eingerollt,
die stolze Fracht der Königsgaben
von Weihrauch, Myrrhe und von Gold.

Ob diese er zu schätzen wusste,
erscheint zumindest zweifelhaft,
denn Milch war’s, was er haben musste,
den mütterlichen Lebenssaft.

Und auch in seinen Mannesjahren,
wie jedes Kind inzwischen weiß,
verschmähte Güter er und Waren
und sang der Armen Lob und Preis.

Doch hatte er nichts einzuwenden,
wenn man Bedürft’gen etwas gab –
nicht weil sie einst als Kön’ge enden,
doch sonst vielleicht am Bettelstab.

Die kleinen Weisen heutzutage,
die sammeln gehn fürn guten Zweck,
die sind von echtem Königsschlage –
sie haben’s Herz am rechten Fleck!

Nachhall

NachhallDa drüben diese Wohnmaschine,
mein Gegenüber im Quartier,
verzieht auch heute keine Miene,
wenn ich sie angestrengt fixier.

Dieselben ausdruckslosen Augen,
dieselbe hartgesottne Stirn.
Kein Grund, mich daran festzusaugen
mit meinem hungrigen Gehirn.

Das Fest ist drüber weggegangen
und hinterließ nicht eine Spur.
Die Schatten auf den bleichen Wangen:
des Regens kalte Tränen nur.

Doch müssten nicht die Wände wanken,
nicht die Fassaden sich verzerrn,
bewegt vom einzigen Gedanken:
„Frohlocket der Geburt des Herrn!“?

Sie stehen, wie sie immer standen,
seitdem die Mauerleute fort –
wie Klippen, um die Wogen branden,
unwandelbar an ihrem Ort.

Wie viele Weihnachtsfeste haben
sie nicht so stumm schon angeschaut –
und keines hat sich eingegraben
mit Zeichen in die harte Haut!

Doch können Steinen wir vergeben:
Man schuf sie so, so starr und kalt –
ungleich uns Menschen, die wir leben
und zu Gefühlen fähig halt.

Und demzufolge auch zu denken
ans weltgeschichtliche Geschehn –
was an den Bergen von Geschenken
ja jedes Jahr sehr schön zu sehn.

Doch sind es wirklich auch Symbole
für Liebe, wie sie tiefer sitzt,
und nicht für Kasse oder Kohle,
die flüchtig nur die Herzen ritzt?

Ich fürchte fast, ob Mensch, ob Mauern,
da ist kein großer Unterschied:
Wie lang auf Bethlehem wir lauern,
und wie geschwind es wieder flieht!

Kaum sind die Tage abgefeiert
am Busen der Beschaulichkeit,
man wieder durch das Leben eiert
wie unser Kahn durch Raum und Zeit.

Man dreht die eingefahrnen Runden
mit nichts als diesem Weg als Ziel
doch wie gehetzt von tollen Hunden,
so eifrig, eilig und agil.

Und vorn, wo sich der Tunnel lichtet
und wo’s betörend blitzt und blinkt,
die Gier ihr Eldorado sichtet:
das Gold, das ihr aufs Konto sinkt.

Und dafür ließ ans Kreuz sich schlagen
ein Edler, der von Gott beseelt,
dass Gläub’ge eh’r ein voller Magen
denn’s sündige Gewissen quält?

Wie ihn wird es noch viele brauchen
voll Mitleid und voll Opfermut,
dass wir aus diesen Sümpfen tauchen
von Stumpfsinn, Nächstenhass und Blut.

Die Glocken leis und leiser schwingen.
Gestühl und Kanzel wieder leer.
Und Christen kreuzen ihre Klingen,
als ob nie was gewesen wär.

 

Heilige Pädagogik

Heilige PädagogikWen hätte lieber man zum Vater
als Jesus, der seit alter Zeit
in diesem wüsten Welttheater
das Muster gibt der Menschlichkeit?

Der lehrte, seinen Feind zu lieben,
und Petrus drum das Schwert entwand;
der Sündern, die schon abgeschrieben,
verständnisvoll zur Seite stand?

Der segensreich den Armen, Schwachen
hat Hand und Hilfe stets geliehn,
geheilt, um ihnen Mut zu machen,
gescherzt, getröstet und verziehn?

Der „Lasst die Kindlein zu mir kommen,
denn ihrer ist das Himmelreich“
zum Staunen aller Pseudofrommen
gefordert völlig „chancengleich“?

Sich den als einen vorzustellen,
der seine Lütten manchmal bläut,
kam nicht den übelsten Gesellen
in ihren schmutz’gen Sinn bis heut.

Das bleibt der Kirche vorbehalten,
die dank des Drahts zum Heil’gen Geist
selbst ihres Meisters Wolln und Walten
nach Gusto übern Haufen schmeißt.

Hat eben erst sein „Stellvertreter“
mal wieder öffentlich getan –
der Stuhlbefugte von St. Peter,
der Seelenhirt‘ vom Vatikan.

Merkt auf, ihr Männer und ihr Frauen,
der Papst gewährt Dispens euch jetzt:
Ihr dürft die Gören auch mal hauen,
wenn’s ihre Würde nicht verletzt!

Den Widerspruch indes zu lösen,
Dogmatik erst studieren geht,
der hat ja Haken auch und Ösen
wie die vertrackte Trinität!

Auf einer Linie etwa läge,
was ja auch logisch nicht bestäch,
wenn man bei solcher „Kinderpflege“
vom „Heil’gen Rabenvater“ spräch.

Weihnachtslieder

WeihnachtsliederIm Radio dudeln Weihnachtslieder.
Auf Englisch. Also Songs demnach.
Das Deutsche („Alle Jahre wieder…“)
liegt auf den Plattentellern brach.

In unsren aufgepeppten Sendern
gibt man sich gerne anglophil,
bezieht das „Christmas Flair“ aus Ländern
mit ausgemachtem Pop Appeal.

Der lang die Töne zieht und länger
und schließlich sie zum Schmelzen bringt,
der Crooner (vormals „Schnulzensänger“)
weckt heute den Gefühlsinstinkt.

(Der samt und sonders angesprochen
vom süßen Zauber der Musik –
den Text versteht ja eh kein Knochen,
am wenigsten der Denglisch-Freak.)

Und die hochheil’ge Krippennummer
lallt uns ‘ne fremde Zunge vor –
des Babelturmbaus ganzer Kummer
steigt aus der Seele mir empor.

Energisch muss ich protestieren,
grad auch als gläub’ger Atheist,
dass selbst die Sprache sie kassieren,
in der uns Jesus Jesus ist.

(Der Dummheit trieb’ge Gifte schweifen
auf allen Feldern heut umher:
Seit einem US-Flimmerstreifen
heißt jetzt Kolumbus Christopher!

O schauerlich, sich vorzustellen,
dass dies die künft’ge Richtung weist
und bald die Santa-Glocken bellen,
weil Holli Märi Dschieses kreißt!)

Die Botschaft von des Sees Gestade,
an dem der Gute sich erging,
als Trittbrett für die Hitparade –
kling, Kassenglöckchen, klingeling!

(Die aus dem Tempel Christ vertrieben,
weil Schachern sich dort nicht geziem,
sind ihren Pfründen treu geblieben
und schachern längst ja schon mit Ihm.)

Wie anders die Gesangbuchweisen,
die wir als Kinder kannten schon
und die des Schöpfers Werke preisen
für weiter nichts als Gotteslohn.

(Ich weiß, ich weiß, der soll am Ende
ja gar nicht mal so mickrig sein:
Wohnrecht auf Paradiesgelände.
Für immer. Inkl. Heil’genschein.)

Nicht jammern. Konsequenzen ziehen!
Hat nicht die Kiste auch ‘nen Knopf,
dass, diesem Schmonzes zu entfliehen,
das Maul, das große, man ihr stopf?

Gesagt, getan. Die Schmachter schweigen.
Und in die stille Dämmerstund
wie Nebel aus den Tälern steigen
die Melodien vom Herzensgrund.

Vom Himmel hoch…, …ein Schiff geladen,
Ihr Kinderlein…, …die Tor macht weit –

und ziehn sich wie ein roter Faden
durchs Bild der alten Weihnachtszeit.

Muss man denn mit ‘ner Mode gehen,
die stets sich nach dem Winde dreht
und schon vorm ersten Hähnekrähen
den eignen letzten Schrei verrät?

Und wann, wenn nicht an solchen Tagen
mit Tannenduft und Lichterschein,
wolln wir’s, bei Gott!, denn sonst noch wagen,
so richtig antiquiert zu sein?

Schon dunkelt Dämmer die Fassaden,
verkündet Frost des Abends Näh.
Der Himmel graut in weißen Schwaden.
Und leiser rieselt noch der Schnee.