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Zum Tag des Dankes

Gewiss hab ich’s schon ausgeplaudert,
weil’s längst mir auf der Zunge brennt,
dass es mich ganz und gar nicht schaudert
vor Weinen, die man trocken nennt.

Da hab ich einen grad zu fassen
von ebendieser Qualität,
vor dem die anderen verblassen,
weil frisch er durch die Kehle geht.

Er schnürt sie nicht miteins zusammen,
dass beinah ihr der Atem stockt,
als würd er von ‘ner Traube stammen,
die keinen Fabelfuchs verlockt.

Und lässt auch nicht im Ansatz ahnen
den Schimmer einer Lieblichkeit,
um auch bei dem noch abzusahnen,
der mehr sich dem Lambrusco weiht.

Mit einem Wort, er flößt Behagen
mit jedem Aufguss mir ins Glas
als Gruß von jenen Sonnenlagen,
wo er als Pflänzchen gerne saß.

Ließ er sich’s damals wohl schon träumen,
wohin ihn führt die Lebensfahrt?
Gereift, gepresst, in Kellerräumen
in Tanks und Fässern aufbewahrt?

Um einst die Gurgel zu durchschießen
von so ‘nem durst’gen Menschenkind,
in die auch andre Stoffe fließen,
die lange nicht so edel sind?

Wär sicher lieber ihm gewesen,
als Beere friedlich zu vergehn,
als von ‘ner Winzerhand gelesen
die Kelterfolter durchzustehn.

Würd gern ein bisschen Trost ihm spenden,
sofern grad mir das möglich wär –
doch, doch, die Botschaft will ich senden,
dass fleißig ich den Bembel leer.

So ist vergeblich nicht sein Leiden,
so schrecklich nicht sein Opfergang,
gilt es doch, aus ‘ner Welt zu scheiden,
in der er Achtung sich errang.

Die will ich freudig ihm erweisen,
und wenn ich mir ‘nen Kater hol –
sieh her, ich lass den Becher kreisen:
Auf dich, mein Lieber, auf dein Wohl!

Ein Hoch dem Herbst!

Ein Hoch dem Herbst!Schon ist es wieder Herbst geworden,
und traurig stimmt sein trübes Grau.
Die Luft, sie reizt und riecht nach Norden,
da Winde wehen frisch und rau.

Längst haben sie schon kahlgeblasen,
was selig einst geschwelgt in Grün,
und den Hautgout noch in den Nasen
von tausend Blättern, die verblühn.

Verwesung wabert in den Wäldern,
als feuchter, unsichtbarer Rauch,
und Krähen huschen auf den Feldern
gespenstergleich im Nebelhauch.

Viel heller nun die Sterne funkeln
und weitaus mächtiger an Zahl,
da Schleier sie nicht mehr verdunkeln
von Dunst, der sich zum Himmel stahl.

Als läg das Jahr schon auf der Bahre
unheilbar krank, dem Tod geweiht,
verfaulte, abgelaufne Ware,
die auf den Kehricht kommt der Zeit!

Und doch will ich Partei ergreifen
für dieser Tage finstren Flor –
wie Phönix aus der Asche reifen
ja Früchte auch daraus hervor!

Nicht nur dem Wild zur Freude Eicheln
und Rosskastanien ebenso –
nein, auch die unserm Gaumen schmeicheln,
sei’n sie vergoren oder roh.

Ist’s nicht die hohe Zeit der Trauben,
die aus dem Rebenfeld man liest,
des süßen Safts sie zu berauben,
der schäumend aus der Kelter fließt?

So birgt des Herbstes dunkles Wesen
doch manchen angenehmen Zug.
Auch mir gefällt es jetzt zu lesen –
hab ich denn Früchte nicht genug?