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Goldene Nacht

Goldene NachtO Maiennacht, du wunderschöne,
wenn auch nicht grade lau und lind,
doch ohne jener Tropfen Töne,
die tags so reich erklungen sind!

Ich weiß nicht wie: Die schwarze Masse,
die da so lange reglos stand
und ihre Ladung, ihre nasse,
geleichtert hat auf Stadt und Land

Ist in Bewegung jäh geraten
und gab den Himmel wieder frei,
aus dem sofort die Sterne traten
wie auf Befehl von Zauberei.

Wie funkeln sie da in der Ferne
in frischer, ungetrübten Luft,
wo doch nach Lichtjahrn gut und gerne
gerechnet diese Wahnsinnskluft!

Als könnte man mit Händen greifen
den Schatz, der da so golden glänzt,
dass man mit Ringen und mit Reifen
sein dürft’ges Kästchen sich ergänzt.

Ach, wie viel mehr als an Juwelen
ist dort an jenen „Steinen“ dran –
‘s sind Himmelsblüten, die nicht stehlen,
doch schaun man und bewundern kann.

Vor Ehrfurcht sollten wir erschauern,
von Habsucht nicht und Gier gehetzt,
in Demut vor dem Kosmos kauern,
der Heimat uns im Hier und Jetzt!

Lichtspiele

LichtspieleNun klappt der Himmel seine Pforten
mit tausenden von Lichtern auf,
dass er uns zeige allerorten,
was er verhehlt im Tageslauf

Da über blau verhängten Tiefen
sich grell gebreitet Sonnenglut,
die Sterne bergend, die da schliefen
den Fischlein gleich am Grund der Flut.

Und wie’s in ungetrübten Bächen
ja immer fröhlich blitzt und blinkt,
so funkeln nun die Himmelsflächen,
durch die das Bild der Sterne dringt.

So traulich wie aus dichten Zweigen
winkt warm dies Licht aus dunklem Raum –
als ob’s nach Äpfeln dufte, Feigen,
nach Weihnacht und nach Tannenbaum!

Ein Flämmchen hat nicht seinesgleichen,
wenn’s irgendwo im Finstern glimmt
und uns als Trost- und Hoffnungszeichen
so feierlich wie Kinder stimmt.

Im Dämmer auch der Kathedralen,
in gottgeweihtem Staub und Stein,
wie gern wir für ein Kerzlein zahlen
und seinen süßen Heil’genschein!

Bewahrn wir uns die Illusionen
vom milden Licht des Weltenbaus:
Die friedlich strahlenden Photonen –
des Kosmos Hölle speit sie aus.

Zeitläufte

ZeitläufeSchon wieder Mittwoch; und erst gestern
hat auch den Tag man so genannt!
Sind es nicht Brüder alle, Schwestern,
sich alle ähnlich und verwandt?

Wie sie denn auseinanderhalten?
Sie zeigen mir nur ein Gesicht:
am Tag Beton und Mauerspalten,
das Gleiche nachts bei Neonlicht.

Dazu in ständ’gem Wiederkehren,
genauso monoton und stur,
die Zeiten, die sich vierfach jähren
im raschen Wandel der Natur.

Da steigt aus einem Meer von Blüten
ein junger Gott, der Frühling auf
und lässt die Vögel wieder brüten
und den Gefühlen ihren Lauf.

Doch kaum hat er die frost’ge Erde
zu neuer Lebenslust entfacht,
hat ihm das ew’ge Stirb und Werde
auch selbst den Garaus schon gemacht.

Triumph der Sonne: Sommertage
mit Licht und Lerche überm Feld;
wo alles reift, indes die Waage
schon früchteschwer zum Herbste fällt.

Dann müssen sich die Blätter färben,
dann stirbt, was erst der Lenz gesät:
Zeit des Verfalls – die zu beerben
der Winter schon gestiefelt steht.

Des Kosmos ew’ges Fliehn und Kreisen,
hier findet es gespiegelt sich:
ein Globus immer nur auf Reisen,
der Zeit nicht achtend, die verstrich.

Mag er sie meinethalb verschwenden,
er hat davon weiß Gott genug –
doch meine wird in Kürze enden
und schwindet dennoch wie im Flug!

Hab ich von Mittwoch grad gesprochen?
Auch er schon fort wie weggefegt:
Ein neuer Tag ist angebrochen.
Dem Dichter keine Stunde schlägt.

Illusion

IllusionSchon geht die Uhr auf Mitternacht.
Gleich ist die Flasche leer.
Das weiße Windlicht flackert sacht
im Zug vom Fenster her.

Der Lärm des Tages abgeflaut.
Die Autos wo versteckt.
Gäb die Zikade jetzt noch Laut,
die Stille wär perfekt.

Die Schwüle immer noch nicht schwand.
Das Hemd am Halse feucht.
Der Himmel wölbt sich übers Land
mit kaltem Sterngeleucht.

Gemächlich zieht ein voller Mond
im Bogen seine Bahn,
der groß in seinem Hofe thront,
doch ohne Untertan.

Die Küche hier, mein Studio,
wenn mich der Hafer sticht,
das heißt zu essen sowieso,
doch auch für ein Gedicht

Döst friedlich unterm Firmament:
Wie’n Fels, der Tonnen wiegt,
nicht Hagel, Sturm und Kälte kennt
und keinen Schnupfen kriegt.

Doch nur Oase, nur Asyl
im Meer von Furcht und Leid,
im Stern- und Galaxiegewühl,
aus dem das Chaos schreit.

Was mich nicht hindert am Genuss
der Speisen, die sie birgt –
der auf den lyrischen Erguss
gewöhnlich stärkend wirkt.

Zög sich das ewig in die Läng,
es wär genau mein Fall:
Ich tränke, träumte und ich säng
mich durch das ganze All.

Nie stellt sich Langeweile ein,
zu schreiben wär genug;
bis an den Rand von Sein und Zeit
reicht der Gedankenflug.

Auf jedes Stäubchen, kosmosweit,
macht ich mir meinen Reim
und schließlich die Unendlichkeit
zum Hause mir und Heim.

O Schreck, verplaudert wieder mal!
Vergesst, was ich geschwätzt!
Nur weil in unser Fleisch der Pfahl,
der Totenkopf geätzt!

Jetzt aber schlafen, spät ist spät.
Da die Plejaden schon!
Die Welt, wie sie sich ewig dreht –
ach, keine Illusion!

Kleine Sinnsuche

Kleine SinnsucheWie einem Dasein Sinn verleihen
von derart flüchtiger Natur,
dass ruck, zuck sich die Tage reihen
wie Perlen auf der Büßerschnur?

Da hat wohl jeder ‘ne Methode,
mit der er seinen Frust verdrängt,
auf dass er aus dem Herzen rode
die Ängste, die da eingesenkt.

So kann man sich in Arbeit stürzen
in Blaumann, Kittel oder Frack,
mit „Leistung“ und „Erfolg“ zu würzen
des Lebens faden Beigeschmack.

Man kann auch in Vergnügen tauchen,
in denen man total versinkt,
wie Fußball, Pop und Kettenrauchen –
lässt man sich leiten vom Instinkt.

Gibt man dem Geist indes die Ehre,
erfüllt die Klassik diesen Zweck –
der Kunstfreund stopft desselben Leere
mit Shakespeare, Schiele oder Egk.

Auch der Verfasser dieser Zeilen
sucht Zuflucht im Delirium –
beim angestrengten Versefeilen
vergisst er alles ringsherum.

Und doch, in lichten Augenblicken
wird diese Scheinwelt ihm bewusst
mit ihren Mikromenschgeschicken
und ihrer aufgesetzten Lust.

Dann schaut er auf zum Sternenhimmel
und wachen Auges ihn durchmisst,
und weiß, dass in dem Lichtgewimmel
die Sonne seine Heimat ist

Um die wir mit dem Globus kreisen
wie Pluto, Venus und Merkur –
ein Haus, ein schwankendes, auf Reisen
nonstop im Nichts, rund um die Uhr.

Besiedelt von ‘ner Biomasse,
die in den Erdendreck sich duckt
und, dass nicht Schwindel sie erfasse,
erst gar nicht in die Tiefe guckt.

Kein Wunder! Muss doch deprimieren,
was schon ein flücht’ger Blick verrät:
Milliarden Körper, die rotieren,
doch nichts, was um den Sinn sich dreht.

An alln unzähl’gen Weltenecken
pflegt man den Schwung als Zeitvertreib
und scheint nichts andres zu bezwecken,
als dass man in Bewegung bleib.

Darum die Klüsen fest verrammeln
vor dieses Kosmos Affentanz
und Briefmarken zum Beispiel sammeln
als seines Lebens Glück und Glanz!

Andere Dimension

Andere DimensionSind wir im Kosmos nicht geboren,
in die Unendlichkeit gestellt?
Ich horche mit Antennenohren:
Signale nur von „Gott und Welt“!

Es ameist sich der Mensch durchs Leben
in seinem Haufen Stahl und Stein,
die Augen stets am Boden kleben,
und da auch nur am schönen Schein.

Im Ew’gen mag die Sonne kreisen,
im Ew’gen sich die Erde drehn:
Herr Ameis geht auf Tippelreisen
und glaubt, er hat die Welt gesehn.

Man höre ihn nur schwadronieren
von seiner letzten Mammuttour:
„Wir durften keine Zeit verlieren –
das nächste Ziel war Singapur.“

Oder mit dieser Variante:
„Die Scampis hier? So schlecht nicht mal.
Doch kenn ich da in der Levante,
in Tripoli so ‘n Fischlokal…“

Auch was im Lauf der Jahreszeiten
an Schönem zeugt der Erdenball,
dient dieser Art von Herrenreiten:
„Im Herbst nach Maine zum Blätterfall!“

Sprichwörtlich ist der Weitgereiste,
der ‘s unternahm sich umzuschaun:
Ein Freibrief, dass er sich erdreiste,
galaktisch auf den Putz zu haun.

Doch schaun wir hinter die Kulisse:
Es geht ja stets ums Erdenreich.
Und das ist einem Fliegenschisse
im Ozean des Kosmos gleich.

Hat wer die Montes schon bestiegen
des Mars, gewalt’ger als die Höhn,
die schwindelnd um Kathmandu liegen,
dass seine Kraxelei er krön?

Hat wer, in Stickstoff sich zu baden,
dieweil er das Besondre sucht,
zur Inselgruppe der Plejaden
sein teures Ticket schon gebucht?

Hat wer, noch weiter rumzukommen
zu einem Ziel, das nebelhaft
wir grade noch erspähn verschwommen,
sein Handgepäck schon hingeschafft?

Die Weite, die im All wir messen,
ist unergründlich wie das Licht.
Herr Ameis aber, selbstvergessen:
„Nur in Hanoi war ich noch nicht“.

Man könnte vielleicht drüber lachen,
wenn’s nicht auch sonst so typisch wär,
geht’s doch mit allen andern Sachen
genauso widersinnig her.

Es gilt auf jeglichem Gebiete:
Das, was dem Menschen lieb und wert,
ist dem, was die Vernunft ihm riete,
proportional – doch umgekehrt.

(Ganz unter uns darf ich bemerken:
Ich fahr ja selbst auf diesem Gleis –
Verzicht gehört nicht zu den Stärken,
die vor Genüssen ich beweis.)

Doch wer mag schon die Wahrheit hören,
wenn sie die Illusion entthront?
Will drum Herrn Ameis nicht mehr stören
und gehe schlafen. Hinterm Mond.