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Wohnungswechsel

In unsrem Wohnhaus, einer Wiese,
da wechseln oft die Mietpartein,
doch unvergesslich sind mir diese
und fallen mir besonders ein.

Zunächst, mit Leichtigkeit zu merken,
weil es auf diesen Burschen passt,
der immer stolz auf seine Stärken,
der flotte Siggi Seidelbast.

Und dann, die nie zu überhören,
geschäftig ohne Rast und Ruh,
doch ohne Sinn, damit zu stören,
die Großfamilie Frauenschuh.

Wie mäuschenstill fand ich dagegen,
vereint auf einer Lebensbahn
und kaum sich aus der Bude regen
die Halbgeschwister Löwenzahn.

Gut kann ich mich auch noch entsinnen
des Urbilds reiner Männlichkeit,
das mehr in Loden ging als Linnen –
des Oberförsters Färberwaid.

Und auch der mit den schlechten Zähnen,
die kaum sie spreizte mal zum Gruß,
das Haar in grau melierten Strähnen,
der alten Jungfer Hahnenfuß.

Wer wohnte gleich doch noch daneben?
Ich weiß, sie war nicht sein Geschmack;
drum ging er lieber einen heben,
der prüde Nachbar Portulak.

Und das war vielleicht eine Marke.
beschäftigt bei der gelben Post
und immer Sprüche klopfend, starke,
die Quasselstrippe Wasserdost!

Er konnte das nun gar nicht leiden
und zog dann jedes Mal ‘ne Schnut‘,
ließ sich ein Treffen nicht vermeiden,
der Höker Frithjof Fingerhut.

Ein Feingeist mit gepflegten Händen
und Meister auf dem Englischhorn,
ein Bücherwurm mit tausend Bänden,
das war der Lehrer Lerchensporn!

Ach, diese frühren Nachbarsleute,
wie deutlich seh ich sie vor mir,
lebendig allesamt bis heute,
mehr als nur Namen auf Papier.

Und die ich seinerzeit empfunden
als Schar, der man den Rücken kehrt,
sie sind mir nun, da sie entschwunden,
mit einem Male lieb und wert.

Am meisten aber wird mir fehlen
im weißen Wölkchen des Tutus,
um aller Welt das Herz zu stehlen,
der kleine Engel Mädesüß.

Gräber im Grün

Zum Friedhof heut aus freien Stücken
und keineswegs aus dunklem Trieb,
allein um Löwenzahn zu pflücken
fürn Tier, das seinem Frauchen lieb.

Man hockt am Boden in ‘ner Schneise
und rupft das heiß begehrte Kraut,
das allenthalben büschelweise
von der Natur hier angebaut

Im Schatten längst ergrauter Eichen,
von Rhododendron ringsumher,
von Malven, Rosen und dergleichen,
als ob’s der Garten Eden wär.

Doch auch umgeben von den Mälern,
die man als letzten Gruß entbot
und die den schönen Eindruck schmälern
mit ihrer Mahnung an den Tod.

Ich ließ den Blick darübergleiten
und starrte plötzlich wie gebannt:
Da lag wer, den zu Lebenszeiten
vor Jahren selber ich gekannt!

Ein Name, der für sich alleine
nicht unbedingt ins Auge fällt,
der machte meiner Neugier Beine,
weil Titel ihm vorangestellt.

Prof. Doktor. Irrtum ausgeschlossen.
‘ne Leuchte seiner Wissenschaft
und hochgeehrt von Zunftgenossen
für Früchte seiner Geisteskraft.

Da liegt er hilflos mir zu Füßen,
den ich bewundert als Student,
und lässt mich untertänigst grüßen
von seinem Marmormonument.

Erinnern wird an ihn indessen
mehr als ein halb versteckter Stein –
bewohnt sein Ruhm doch unvergessen
des Akademos heil’gen Hain.

Die Felsenbirne

Die FelsenbirneSchon streut sie die zerrupften Blüten
in krausen Flocken übern Weg,
dem Wind sie lassend, seinem Wüten,
dass er wie Staub davon sie feg.

Wie strahlend lag ihr grad die Krone
noch majestätisch auf dem Haupt,
da man ihr jetzt, schon beinah ohne,
die alte Fülle nicht mehr glaubt.

Doch was uns bei der Felsenbirne
so schmerzlich in die Augen sticht,
gilt unserm wissenden Gehirne
nicht als das letzte Weltgericht.

Das Feuerwerk nur ist verglommen,
mit dem der junge Lenz beglückt.
Jetzt schweigt er. Muss zu Atem kommen.
Hat sich beileibe nicht verdrückt.

Schon sieht man sich in Knospen regen
der neuen Blüte Lebenskraft,
die wie die Küken aus Gelegen
beharrlich ihren Durchbruch schafft.

Die Osterglocken sind verklungen,
des Krokus Kelche längst geleert,
verblasst schon zu Erinnerungen,
obwohl noch längst nicht mal verjährt.

Der Frühling, dieser eitle Bube,
der’s möglichst bunt und knallig liebt,
drückt ständig auf die Farbentube,
die immer frisch ihm Schönheit gibt.

Kornelkirschfarbengelbe Blässe,
Magnolienweiß und Violett –
das war ihm gestern von Int‘resse,
heut ignoriert er es komplett.

Jetzt will er, dass in frischem Grüne
wie eine Wiese vor dem Schnitt
der Ahorn diese Blütenbühne
mit seinem Zackenblatt betritt.

Und dass die Kerzenblütenkette
dann die Kastanie wieder reckt,
als ob dem Weihnachtsbaum wer hätte
schon jetzt die Lichter aufgesteckt.

So geht es fort in buntem Reigen,
Ranunkel, Löwenzahn und Mohn,
als wollte die Natur uns zeigen
der Schöpfung Musterkollektion.

Heut legt der Regen seinen Schleier
in grauen Schwaden um die Welt,
dass diese schöne Frühlingsfeier
vorübergeh’nd ins Wasser fällt.

Muss ich als Unglück es empfinden?
So tragisch nehm ich nicht die Flut!
Am Ufer warten Ackerwinden,
erwartet mich der Fingerhut.

Gelassen, himmlische Najaden,
ich euren faden Nektar trink,
bevor an sonnigen Gestaden
in neuen Blüten ich versink!