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Reiseziele

Mallorca wäre mir doch lieber
als so ein Ausflug auf den Mond,
vor dem hat mich das Reisefieber
bis heute immer noch verschont.

Mögen sich andre gerne rüsten
fürn längeren Raketentrip,
mich zieht es zu den Sonnenküsten
mit Mandelmilch und Kokosflip.

Was hat er denn schon groß zu bieten,
als dass er wirklich weit vom Schuss?
Kann man da günstig Zimmer mieten?
Fährt pünktlich da der Linienbus?

Erstreckt sich da in weitem Bogen
ein Strand, von Busch und Fels gesäumt,
auf den mit saphirblauen Wogen
die Brandung rauschend sich verschäumt?

Führn da verwunschen dunkle Pfade
durch baumbestandne Berge hin,
dass sich in frischer Waldluft bade
der Wandrer und die Wanderin?

Mit spießiger Pauschalidylle
hat diese Gegend nichts gemein;
die erdgewohnte Landschaftsfülle,
sie könnte nicht bescheidner sein.

Mag dir die Kehle auch verbrennen,
von Wasser nicht die kleinste Spur!
Was hier sie aber „Meere“ nennen,
sind uferlose Senken nur.

Genauso heißt’s auf Luft verzichten,
zum Atmen brauchst du ein Gerät.
Nach Sauerstoff von Buchen, Fichten
hat hier noch nie ein Hahn gekräht.

Tags würde man als Braten schmoren
in der extremen Sonnenglut,
und nachts ist hier der Hund verfroren,
erstarrt zu Eis im Nu das Blut.

Vielleicht lässt sich hier Eindruck schinden
bei dem, der gute Küche liebt?
Du wirst nicht mal ‘ne Bude finden,
wo’s halb verkohlte Pommes gibt!

Gewiss wird dieser Ort nicht geizen
mit Sehenswertem mancher Art?
Nun ja, sofern dich Steine reizen,
dann lohnt sich allerdings die Fahrt.

Nein, diese Tour kann man sich schenken,
es sei denn, man ist Astronaut.
Nur einen Grund könnt ich mir denken,
dass jemand auf den Mond sich traut.

Denn unsre Erdenspurn verblassen,
der Winde und der Zeiten Raub –
die aber dort wir hinterlassen,
sie bleiben selbst in Sand und Staub!

Verdrängung

Es ist nicht so, dass wir nicht wüssten,
was draußen in der Welt passiert –
man saugt ja an des Bildschirms Brüsten,
der ständig Nachricht uns gebiert.

Und grad auch die der schlimmsten Sorte,
sei’s Fernsehn, sei es Internet
und sei’s auch (Vorrang noch dem Worte)
die Zeitung mit dem Druckerfett.

Da ist von Elend viel die Rede –
und Hunger hat die Nase vorn,
denn Dürre stehln und Stammesfehde
im Wechsel oft dem Volk das Korn.

Dazu geselln sich meist noch Seuchen
und helfen dem gefräß’gen Tod,
dem eine Flut von Hungerbäuchen
noch nicht genügend Nahrung bot.

Da liegen sie auf nackter Erde
und dämmern auf ihr Ende hin
und wie verstoßen von der Herde
die Lämmer wimmernd mittendrin.

Die Satten kann das nicht erregen,
sie plagen Sorgen andrer Art.
Zwar hoffen ähnlich sie auf Regen,
doch mit dem Wörtchen „warm“ gepaart.

Dann könnten endlich sie sich leisten,
was lange sie ja haben schon –
nur größer, teurer als den meisten
es möglich mit normalem Lohn.

Heißt Auto, Luxuslimousine
mit viel PS und Pipapo,
dass es der Sucht nach Neuem diene
und ihrem Ego sowieso.

Dazu vielleicht ‘ne größre Bleibe,
ein Eigenheim wär auch nicht schlecht,
„da rückt man sich nicht so zu Leibe
und lebte eher artgerecht“.

Na, und der Trip, der statt Molukken
nur immer „Malle“ im Visier?
Man könnte endlich Wale kucken,
den Panda und das Schnabeltier.

In einem Wust von Wünschen krabbeln
wie Käfer ziellos sie umher,
„ich will, ich will“ beständig brabbeln,
„sofort und alles und noch mehr“.

Es schlägt wohl manchem das Gewissen,
denkt er an seines Nächsten Not,
doch nicht so stark, dass nur ‘nen Bissen
er gäb vom „schwer verdienten Brot“.

Um Gründe sind sie nie verlegen,
um ihre Selbstsucht zu kaschiern:
„Man weiß doch, dass die Spenden pflegen
sich im Nirwana zu verliern“.

Politisch: Die zu beißen haben
sind konservativ eh’r gestimmt,
das heißt sie festigen den Graben,
der Schwächeren die Zukunft nimmt.

Und kaum berührt nur von den Leiden,
in die ihr Auge täglich taucht,
sich schaudernd an den Leichen weiden,
die’s Fernsehn für den Krimi braucht.

Gewalt und Sport, die einz’gen Dinge,
die unserm Spießer heilig sind,
dass stets er wie im Spiel verbringe
sein Leben froh und faktenblind.

Wen sollte es da wundernehmen,
dass jene Leiden wir nicht heiln?
Erst wenn wir uns des Reichtums schämen,
sind wir auch willens, ihn zu teiln.

Das Kastell

das-kastell_castell_de_santueriJe weiter wir auf dieser Piste fahren,
hülln desto dichter uns die Büsche ein.
Steineichen nur, vereinzelt und in Paaren,
bezeichnen vage uns den Wegesrain.

Der Asphalt, der hier ohnehin voll Schrunden
und teils gefährlich aufgeworfen liegt,
ist plötzlich wie ein Hautausschlag verschwunden,
von der Natur, der stärkeren, besiegt.

Dann knirscht’s auf einmal körnig unterm Reifen,
weil seinen Fuß in Sand er senkt,
indes Jasmin, Johanniskraut zum Greifen
die Augen nicht vom Steuer lenkt.

Jetzt in die letzte Kurve eingebogen –
und aus der Tunnelenge jäh befreit,
ist wie ein Vögelchen davongeflogen
der Blick in einem Nu fast inselweit.

In welche Höhe sind wir hier geraten!
Da über uns nur noch das Felsennest,
die Flucht- und Zwingburg grauser Potentaten,
heißt ihrer Mauern schreckenloser Rest!

Einst hat den ganzen Platz sie eingenommen
und argusäugig Feld und Flur bewacht,
um wie der Shaitan übern „Hund“ zu kommen,
der da im Tale unten Zicken macht.

Dann ließ man die gekrümmte Klinge kreisen
und nahm gespaltne Schädel als Tribut –
nicht ohne seinen Schlachtengott zu preisen,
der wundersamerweise mild und gut.

Jetzt blaut der Himmel, wie in Erz gegossen.
Die goldne Mittagssonne lacht und loht.
Millionen Gräser sind ins Kraut geschossen.
O wie viel Frieden über so viel Tod!

Mein Reisekamerad

mein-reisekameradAls ob ich mich beeilen müsste,
weil alles Schöne hier fragil,
durchflog von Küste ich zu Küste
die Insel im Touristenstil.

Besuchte gleich die alten Stätten,
auf die seit Jahrn ich abonniert,
um neu mein Herz an sie zu ketten,
bevor’s an andre sich verliert.

Doch gab’s genug nicht zu entdecken,
was bisher meinem Blick entging?
An allen Enden, allen Ecken
ein neues Wunder mich empfing.

So diese ländlich schmalen Wege,
von Feldsteinmäuerchen gesäumt,
wo in der Mittagsglut man träge
sich durch Orangenhaine träumt.

Oder von Mandeln einen Garten,
der sich in eine Senke schmiegt,
dass dir der Knospen Grün, der zarten,
wie frisches Moos zu Füßen liegt.

Dann auch, vereinzelt nur am Rande,
das schüttre Haupt azurumloht,
noch nicht verkohlt vom Sonnenbrande,
doch schon verbeult: Johannisbrot.

Und weithin sah man Wiesen wogen,
der Gräser sandig seichte See,
von Mohn so flammend überzogen
wie Tropfen Bluts im Büßerschnee.

Und konnt das Aug ins Ferne schweifen
und größre Flächen überschaun,
sah‘s überall die Früchte reifen,
die tausendfach hier anzubaun.

Doch halt, dass ich nicht Stunden schwätze –
was sag ich? Eine Ewigkeit!
Doch Dinge, wie nur ich sie schätze,
die tret ich lieber nicht so breit.

Hab ich nicht wie zum Heiligtume
wen auf die Insel mitgelockt,
dass jemand sänge ihr zum Ruhme,
wenn mir einmal die Zunge stockt?

Doch konnt er sich für nichts erwärmen,
wofür mein Herz in Flammen stand.
Da hört ich schließlich auf zu schwärmen
und liebte still dies schöne Land.

Randa

Dasselbe ist NähRandae und Ferne zwischen dem Freund und dem
Geliebten. Denn so, wie sich Wasser und Wein vermischen,
vermischt sich die Liebe des Freundes mit der Liebe des
Geliebten; wie Wärme und Licht ist ihre Liebe verknüpft;
und wie Wesen und Sein stimmen sie überein und sind
einander nahe.

Ramon Llull, Vom Freund und dem Geliebten, 1283/84

Heut will ich, einz’ge Leserin, dich bitten,
dass du mir folgst nach ’nem bestimmten Ort.
Sei unbesorgt, ich wahr dabei die Sitten –
ich geb dir schriftlich hier darauf mein Wort!

Lass einen Hügel beide uns besteigen,
der einsam aus dem Tiefland sich erhebt –
ich möchte dir die Welt einmal so zeigen,
wie wenn als Adler man darüber schwebt.

(Anmerkung 1: Beinah 500 Meter
ragt dieser Buckel aus dem Grund empor,
steilt sich nicht nepalesisch in den Äther
und kommt doch hoch dem Autoklettrer vor.)

Wenn wir zur Spitze glücklich dann gedrungen
auf unsrem kurvenreichen „Knüppelpfad“,
sehn wir tief unter uns, vom Meer umschlungen,
die halbe Insel schön im Wellenbad.

Und Felder überall sich landwärts strecken,
von Büschen hier und Hecken da begrenzt,
mal weizenblond, wo Ähren sie bedecken,
mal silbrig, wo des Ölbaums Blatt erglänzt.

Auch, leicht für Haufen Feldgesteins zu halten,
die Dörfer, über diese Flur verstreut,
doch ledig aller Wagen und Gestalten
und selbst der Glocken klingendem Geläut.

Wie Äderchen die Wege sich verzweigen,
um sich in lichten Dünsten zu verliern.
Die ganze Erde unten atmet Schweigen,
scheint in der Glut des Mittags zu gefriern.

Lässt man den Blick dann immer weiter gleiten
bis an der Augenkünste Horizont,
verschwimmen diese abgesteckten Weiten
in einer schaumig-flachen Nebelfront.

Im Norden nur gewahrt man die Konturen
massiver Berge überm Küstensaum,
die bleiern lasten auf den fernen Fluren,
doch majestätisch auch in ihrem Raum.

Damit der Schöpfung Schönheit man empfinde,
hat diesen hohen Ausguck sie erbaut –
dass unbehindert wer in alle Winde
und alle prächt’gen Panoramen schaut.

Was heil’ge Schriften ehedem verheißen
als der Gerechten immerwährnden Lohn,
hier sieht man‘s unterm Blau Mariens gleißen,
ein Paradies auf sünd’ger Erde schon.

(Anmerkung 2 will ich dem Lullus weihen,
der hier vorzeiten seine Zuflucht nahm,
sich um der Wahrheit willen zu kasteien,
dass er in Lust und Luxus nicht verkam.)

Dem Zauber dieser Insel längst erlegen,
besonders auch dies Fleckchen mich entzückt,
ein wenig abseits von gewohnten Wegen,
dem Erdentreiben meilenweit entrückt.

Wie Moses einst vor dem Gelobten Lande,
das ihm sein Gott als Bleibe anbefahl,
so steh ich gern an dieser Klippen Rande
und blick ins weite, herrlich blühnde Tal.

Salz und Souvenir

Las SalinasDas Bröckchen kommt mir ständig zu Gesichte,
es liegt ja zünftig auf dem Küchentisch.
Wollt ihr sie hören, Freunde, die Geschichte?
In Ordnung, weiter mit dem Wisch!

Erinnert euch, dass ich mit Engelszungen
vom Urlaub mal im Herbst euch vorgeschwärmt:
“Reibt rau der Atem sich schon in den Lungen,
dann in die Sonne, wo sie wärmt!“

Das war im letzten Jahr erst, im Oktober,
ein kühler Sommer regenreich zerrann.
Im Laub der alte Wettstreit Gelb – Zinnober,
der gar bei Feuchte Glanz gewann.

Da griff ich mir, wie‘s heute heißt, ’nen Flieger
und ließ zu diesen Inseln mich kutschiern,
wo die Teutonen heute noch als Krieger
beim Trinken Kampfkraft demonstriern.

Mallorca, diese Walstatt ist Legende!
Und dann, kurz vor der Landung, da, Es Pla!
So weit, so eben liegt es, dies Gelände,
das Mühlentuch zum Greifen nah!

Ich will mich in Details nicht groß verlieren.
Nur so viel: dass ich mehr als Sonne fand.
Auch einen Christus übers Leid sinnieren,
gesehen von Murillos Hand.

Glyzinien, die in wogenden Kaskaden
den lila Gischt der frischen Blütenzier
von Giebeln stürzen ließen und Fassaden
als duftig-fließendes Spalier.

In luft’ger Höhe über flachen Fluren
die Blicke ohne Halt und Horizont
herab von Hügeln, die auf steilen Spuren
nur zickzack man erklimmen konnt.

Und tief in Täler eingestreute Städte,
Gelegen gleich in ihrem warmen Nest,
wenn auch die Sonne dort, zumal die späte,
als Schatten sich nur blicken lässt.

Und nicht zuletzt auch, Eingangstor zum Meere,
die seichte brackig-grüne Wüstenei –
Salinen, dass die Woge sich entleere
und sich von Bitternis befrei.

Zu Haufen aufgetürmtes Salz in Massen
wie anderswo die Kohle, wie der Sand,
kompakter nur und rauer anzufassen,
glitt man darüber mit der Hand.

Und weiß wie Schnee, der, eben erst gefallen,
vom Schmutz der Welt noch völlig unberührt,
millionenfach mit glitzernden Kristallen
die Glut vereister Kräfte schürt.

Da hab ein Stückchen ich herausgebrochen,
so winzig, dass es kaum ins Auge fiel,
und dran geleckt, getastet und gerochen,
entdeckerfreudig infantil.

Gab es als Salz sich klar auch zu erkennen,
noch unzerkörnt zur bess’ren Löslichkeit,
mocht’s auf der Zunge doch nicht brennen
so typisch, dass man’s von sich speit.

Mit milder Würze hat es sich empfohlen,
mit einer Prise auch von Wind und Tang,
wie eine Meeresfrucht, die einzuholen
man in der Wogen Seele drang.

Nun wisst ihr, wie die Dinge sich ergeben.
Da liegt es nun, das krude Souvenir.
Ach, könnt ich öfter solche Schätze heben,
als sie zu schildern auf Papier!

Es Pla. Es Trenc. Glyzinienwogen,
ein Christus, klaglos, leidgebeugt.
Und Dörfer, übern Hang gezogen,
der frühe Schatten säugt.

Auf jähen Kuppen Klostermauern.
Ein Adler, schwebend, überm Kliff.
Verstaubte Städtchen, die versauern,
des Gottverlassnen Inbegriff.

Cala Estany: Wellen pressen
sich durch das enge Felsentor.
Und dann der Sturm da, unvergessen,
wie Gischt zum Himmel schoss empor!

In diesem Klümpchen Salz gefangen,
wie ein Insekt im Bernstein ruht:
Opak, von vagem Weiß verhangen,
die Insel als Geschenk der Flut!

Mehr als genug

Mehr als genugSo`n Bursche hat genügend Knete,
dass es für tausend Jahre reicht,
und wenn die Welt zu Tisch er bäte,
er speiste locker sie und leicht.

Was soll er mit `nem Reichtum machen,
der ihm gewährt auf Lebenszeit
und der, selbst wenn die Börsen krachen,
ihm sicheren Gewinn verleiht?

Zuerst muss er den Leuten zeigen,
wie prächtig seine Hütte ist
und dass, um auf den First zu steigen,
der Weg nach Kilometern misst.

Als Zweites dann den Luxusschlitten,
der so viel feinen Sprit verzehrt,
dass von den Kosten unbestritten
man monatlich `nen Bauch ernährt.

Dann lässt den Gaumen er beeiden,
nur Haute Cuisine zu akzeptiern
und jede Art von Kost zu meiden,
die Prolos um den Bart sich schmiern.

Die Urlaubsreisen möglichst teuer –
Bahamas, Tonga – weit vom Schuss,
dass er des Grandhotels Gemäuer
nicht mit Mallorca teilen muss.

Und auch in allen andern Dingen,
da lieg ich sicherlich nicht schief,
will seinen Goldberg er bezwingen
mit Botten fein und exklusiv.

So stelzt er stolz und selbstzufrieden
durch seine sorgenfreie Welt,
die, weil sein Alter reich verschieden,
er für sein gutes Erbe hält.

Sein Füllhorn wird sich niemals leeren,
und lebte er in Saus und Braus.
Doch wie viel mehr müsst er entbehren,
gingen die Wünsche ihm mal aus!