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Entlaubung

Wo immer sich ein Bäumchen findet
in dieser bunten Jahreszeit,
der Herbst gewaltig Eindruck schindet,
weil er geraubt sein Blätterkleid.

Das liegt da nun in tausend Flicken,
die in der Form sich alle gleich,
doch farblich etwas anders ticken –
von leuchtend rot bis ockerbleich.

Ein Mosaik auf allen Wegen,
das knisternd unterm Tritt zerfällt,
sofern nicht hin und wieder Regen
es feucht und frisch am Leben hält.

Und selbst dem schlichtesten Passanten
geht manchmal wohl ein Lichtlein auf,
dass ihm da kauern untern Quanten
Beweise für den Jahreslauf.

Falls er nicht gar in stummer Klage
sich übers Pflaster echauffiert,
weil auf dem glitschigen Belage
womöglich er den Halt verliert.

So hat denn mancher Grundbesitzer
das Übel aus dem Weg gekehrt,
damit’s nicht als Gemütserhitzer
ihm gar noch ‘nen Prozess beschert.

Das wär gewiss kein gutes Ende,
so wenig wie für ein Gedicht,
wenn auf der Musen Freigelände
das letzte Wort der Kadi spricht.

Ausklingen hätt ich’s gerne lassen
mit einem eindrucksvollen Bild
von Laub, das in gewalt’gen Massen
vom Gehweg in die Gosse quillt.

Doch selbst in diesem großen Sterben
der grad noch blühenden Natur
sieht unser Michel nur die Scherben:
das Kroppzeug für die Müllabfuhr.

Er hat’s bis zu den Grundstücksecken
zu kleinen Haufen erst geharkt
und dann in weißen Abfallsäcken
zur Kompostierung eingesargt.

Die reihn sich nun am Straßensaume,
dass weithin es ins Auge fällt –
als hätte unterm Mutterbaume
man sie als Grabstein aufgestellt.

Startprobleme

startproblemeAm Neujahrsmorgen ratzt die Welt
den Kater sich vom Hals.
Das Telefon ist abgestellt,
die Klingel ebenfalls.

Die Straßen sind wie leergefegt –
bis auf die Müllabfuhr.
Der Bürger liegt noch flach und sägt
wer weiß bis wie viel Uhr.

Er träumt von dieser letzten Nacht,
die ihm vergönnt das Jahr,
in Bildern, die weit hergebracht –
bis auf die Kellerbar.

Er wälzt sich hin und wälzt sich her
und fühlt des Bauchs Verdruss;
genau gesagt, viel fehlt nicht mehr,
dass er mal reihern muss.

Dies leidet er für einen Spaß,
der ungeheuer groß:
Er soff und dröhnte und er fraß
sich seine Sorgen los.

Für eine Hand voll Stunden nur
vergaß er allen Frust
und fand in einer Buddelkur
zu frischer Lebenslust.

Doch werden wir ihn büßen sehn:
Weh, wenn er erst erwacht!
„Oh, schlechter könnt’s mir gar nicht gehn.
Wo war ich letzte Nacht?“

Dann pult er schwer sich aus dem Bett
und bibbert sich ins Bad.
„Wenn ich nur hätte, hätte, hätt…“
(Hättst jetzt nicht den Salat!)

Bis dahin bleibt noch etwas Zeit.
Noch ringelt sich der Wurm.
O welche Stille weit und breit!
Die Stille nach dem Sturm.

Lautmeldung

LautmeldungDer Mensch ist wohl ein eitles Wesen,
das gerne von sich hören macht.
Besonders dafür auserlesen:
Silvester, wenn es richtig kracht.

Die Mucker, die sonst kreuzbescheiden
den Bossen um die Bärte gehn,
gebärden sich dann wie die Heiden,
die johlend vor den Toren stehn

Und mit gewalt`gen Wurfmaschinen,
mit Rammbock und mit Feuerpfeil
die Städte schießen zu Ruinen,
dass Pest und Elend sie ereil.

Das heißt: Da diese ihnen fehlen,
reicht ihnen so ein Kracher auch,
um die Bevölkerung zu quälen
mit Donnerschlag und Pulverrauch.

Was in des Jahres Friedenszeiten
dem Bürger strikt verboten ist,
darf doppelt Gaudi ihm bereiten
zu dessen letzten Tages Frist.

Und grade dann die grauen Mäuschen,
die unauffällig übers Jahr,
geraten völlig aus dem Häuschen,
droht ihnen keine Bußgefahr.

Dann können sie mal richtig zeigen,
was an Talent in ihnen steckt
und wie nach lang geübtem Schweigen
ihr innerer Vulkan geweckt.

Und der entlädt sich mit Getöse
plus Ascheregen auf die Flur –
papierne Hülsen samt Gekröse:
Prost Neujahr, liebe Müllabfuhr!

Das geht so an die halbe Stunde,
bis dann verklingt der letzte Ton.
Die Stillen gaben von sich Kunde.
Jetzt schlafen sie wohl wieder schon.