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Mühsamer Aufstieg

Mühsamer AufstiegAuf ihren schwarzen Socken
schleicht sich die Nacht heran.
Sie findet mich hier hocken
schon in der Musen Bann.

Von Werkzeug schon umgeben
wie Kerze, Blatt und Stift,
mich zum Parnass zu heben
mit dem Poetenlift.

Wird’s heute mir gelingen
zu’n Schwestern, 12. Stock,
doch endlich vorzudringen
mit meinem Skizzenblock?

Der höchste war der vierte,
den jemals ich erreicht;
ein Kerl mich abservierte,
des Hirn gewiss durchweicht.

O weiser Majestäten
ew’ges Mysterium:
Umgeben sich mit Räten,
so eitel und so dumm!

Nur nicht den Mut verlieren –
die Kunst doch siegen muss.
Solln Händler spekulieren,
mir reicht der Musenkuss!

Drum werd ich weiterschmettern,
bis sie es hören kann,
mich bittend, zu erklettern
den Thron gleich nebenan.

Technik total

Technik totalWie nicht die Übersicht verlieren –
politisch, technisch, wie man will?
Entwicklung heißt, sich komplizieren;
wann steht der Fortschritt jemals still?

Und immer kürzre Intervalle
von der zu dieser Novität.
Als Kunde sitzt man in der Falle:
Wer nicht gleich zugreift, kommt zu spät.

Dafür gibt’s weitere Funktionen
und, heißt es, mehr Bedienkomfort,
‘nen Führer auch durch die Versionen,
dick wie ‘s Brevier vom Herrn Pastor.

Wenn man denselben dann nach Wochen
verzweifelt aus den Händen legt,
ist keineswegs mehr ungebrochen
der Spaß, den man für Neues hegt.

Die Möglichkeiten, die da stecken,
uns meistens eh nicht int’ressiern,
so dass wir viele erst entdecken,
wenn wir das Prachtstück ausrangiern.

Ich sag es endlich mal präzise:
Ein Smartphone hab ich neuerdings
und damit auch die große Krise –
so was bedient man nicht mit links.

Die schöne Verskunst lass ich liegen,
den Musenacker unbestellt,
doch Finger über Tasten fliegen –
erfolgreich wie La Manchas Held!

 

Muse und Milieu

Muse und MilieuWas für ‘nen Roten ich da schmecke!
Ach, nicht was ihr euch dabei denkt.
Vom Supermarkt hier um die Ecke,
für ein paar Euros, fast geschenkt!

Und trägt doch auf der Gürtelschnalle
die Herkunft deutlich als „Bordeaux“
und, noch eins drauf in diesem Falle,
die noble Lage des „Château“.

Mit einem Wort, er ist mir teuer,
weil meinen Wünschen er entspricht
und an dem Gaumenabenteuer
mein mürber Beutel nicht zerbricht.

Ihr seht, ‘s ist alles noch beim Alten:
Der Tropfen, feierlich geweiht
den Göttern, die die Kunst verwalten
im hochgeschlossnen Musenkleid.

Das Flämmchen, das ein Stück daneben
graziös auf seinem Dochte tanzt,
ein Lichtlein an die Hand zu geben
dem Herrn, der neue Zeilen pflanzt.

Und ringsherum, grad frisch gestrichen,
der Küche altbewährtes Flair –
doch nicht mehr gräsig und verblichen,
nein, rein wie Venus aus dem Meer.

Sollt irgendetwas mir gelingen,
so liegt’s an diesem Drumherum;
versagen meine Geistesschwingen,
bin ich zum Fliegen halt zu dumm.

Exil nebenan

Exil nebenanDer Schauplatz meiner Eskapaden
mir heut nicht zur Verfügung steht;
man hat da Eimer abgeladen,
Farbtöpfe, Pinsel, Malgerät.

Ihr seht, die Küche wird gestrichen –
als Ort auch, wo man dichten kann.
So bin ich denn mal ausgewichen
in dieses Zimmer nebenan.

Na klar, zum Wohnen und Verweilen
ist’s mir genauso lieb und wert,
doch mit den Strophen und den Zeilen
läuft’s nicht so gut wie da am Herd.

Es wird wohl an den Wänden liegen,
die irgendwie hier anders stehn,
den Lampen, die sich anders biegen,
mit ihrem Licht mir zuzusehn.

Der Stuhl auch oder besser: Hocker
gewährt mir nicht das Sitzgefühl,
mit dem ich sonst ganz leicht und locker
am Grabbeltisch der Musen wühl.

Am meisten aber ‘s Fabulieren
sich an dem Arbeitstisch hier reibt,
der so versifft ist mit Papieren,
dass nicht mal Platz fürs Kerzchen bleibt.

Was nützen Regeln und Talente,
wenn es an Schwung dir fehlt und Kraft!
Die halbe Miete ist Ambiente –
he, Meister Pinsel: Bald geschafft?

Gastfreunde

GastfreundeDie gleiche Szenerie wie gestern,
vor-, vorvorgestern und, und, und…
Ich sitz bei meinen Musenschwestern
und pflege unsern Künstlerbund.

Denn wie sie’s immer schon gehalten:
Sie bringen Pegasus auf Trab
und steigen, göttliche Gestalten!,
in meiner dürft’gen Hütte ab.

Und so betretend meine Schwelle
und mein bescheidenes Gelass,
erheben sie zur Außenstelle
dasselbe gleichsam des Parnass.

Auch er muss mit der Zeit ja gehen,
dass er nicht Jüngerschaft verlier,
und nicht so kleinlich mehr drauf sehen:
„Was ist denn das für ein Quartier!“

Ich will dem Berge nicht bestreiten,
dass reicher er an Pomp und Pracht,
doch etliche Bequemlichkeiten
stehn nicht einmal in seiner Macht.

Die Damen scheinen es zu schätzen,
wenn’s auch zu sagen sie sich ziern,
dass selbst in ihren dünnen Fetzen
im Winter sie bei mir nicht friern.

Kamin und Scheite? Nicht vonnöten.
Nur Heizungsrippen, steif und stumm,
die sich zwar nicht romantisch röten,
doch Wärme streuen ringsherum.

Anstatt der Flammen, züngelnd, zischend,
anstatt des Spans, der knirscht und knackt,
glüht hier ein Lichtchen, das erfrischend
gedämpft an seinem Dochte zwackt.

Auch Nektar heißt’s hier nicht entbehren,
wenn auch nicht echt nach Götterart,
doch nach den Flaschen, die sie leeren,
trifft sie der Unterschied nicht hart.

So plaudern wir ‘ne ganze Weile
an meines Heims Elekroherd,
bis unvermittelt, Zeus!, zur Eile
das Trüppchen treibt sein Flügelpferd.

Und schon sind sie davongeflogen,
kaum dass sie noch Adieu gehaucht,
und neunfach fühl ich mich betrogen
um diese Muse, die man braucht

Um sich was Feines auszudenken,
das kunstvoll man in Zeilen gießt,
es einem Publikum zu schenken,
das es begeistert lobt und liest.

Nur Leergut hat man hinterlassen
an Buddeln, Gläsern und so fort;
jetzt erst einmal ‘nen Feudel fassen
und rundherum klar Schiff an Bord!

Weg mit den Resten und den Flecken –
anstatt des Stifts herrsch nun das Tuch!
Den Barden morgen wieder wecken,
am Abend, wenn sie zu Besuch!

Nachtlied

NachtliedIm Haus hier alles stumm geschaltet.
Mensch und Gerät, sie ruhn zur Nacht.
Mein Stift nur, der noch nicht erkaltet,
unhörbar die Geräusche macht.

Die Nachbarn, jünger noch an Jahren,
sind schon zum Schlafen abgetaucht,
denn früh heißt’s in die Puschen fahren,
weil irgendwo ein Chef sie braucht.

Doch der Maloche schon entbunden,
kann ich noch etwas müßig gehn
und ganz entspannt in diesen Stunden
den Nachtdienst am Parnass versehn.

So hock ich, um das Bild zu wechseln
vom ew’gen Griechisch und Latein,
heut Abendmahl beim Versedrechseln
in der Poeten Bambushain

Und schlürf mit lieben Gleichgesinnten
ein Schälchen Reiswein ab und zu,
den Pinsel tunkend in die Tinten,
dass Zeichen er und Wunder tu.

Seht selbst, was dabei rausgekommen –
die Strophen liegen euch nun vor;
und bitte lasst, ihr Musenfrommen,
sie freundlich ins geneigte Ohr.

Ich hoffe, dass mit diesen Zeilen
ich irgendwie ins Schwarze traf.
Obwohl…ich musste mich beeilen –
auch Dichter brauchen ihren Schlaf.

 

Leichte Beute

Leichte BeuteKommt, stellt euch schön an meine Seite,
und leiht mir euren spröden Leib,
dass ich mit eurer Hilfe schreite
zu meiner Nächte Zeitvertreib!

Auf dem Tablett die grüne Flasche,
die aus La Mancha angereist;
ein Cheddar in der Backentasche,
der würzig in den Gaumen beißt.

Auf einem kleinen runden Teller
die Kerze lautlos sich zerflennt,
dern Flämmchen ganz gewiss nicht heller,
doch wärmer als die Lampe brennt.

Ein Blatt Papier mit Unterlage,
damit kein Fettfleck es beschmutzt
an einem Tisch, der unterm Tage
als Futterstelle mehr genutzt.

Das sind so meine Spießgesellen,
mit denen den Parnass ich stürm,
von wo ich auch in vielen Fällen
nicht ohne Beute wieder türm.

Das Magazin geraubter Lieder
ist gut gefüllt inzwischen schon,
und Nachschub kriegt es immer wieder,
da ungeschützt der Musenthron.

Nur eine Handvoll kühner Recken:
Wein, Käse, Kerze – und er fällt!
Wieso gibt’s da an allen Ecken
denn nicht mehr Dichter auf der Welt?

Konzentriert

KonzentriertSchon ist der Mittwoch sacht geglitten
in einen frühen Donnerstag,
und ich hock immer noch inmitten
der Verse, die vom Stift ich nag.

Unmerklich ist die Zeit verflossen,
indessen ich um Worte rang
und wie ein Dreher unverdrossen
gefeilt an meinem Nachtgesang.

Nichts störte mich in meinem Sinnen,
kein Laut hat jäh mich aufgeschreckt,
ich hätte hören können rinnen
‘ne Sanduhr, die im Schrank versteckt.

Auch eine übermäß’ge Helle
verdunkelte nicht meinen Geist –
der Mond, der oft derselben Quelle,
ist dünn und blass vorbeigekreist.

Im Schoß der schweigenden Kulisse,
den Kopf im eignen Federkleid,
so träumt’ ich mich ins Ungewisse
der Zukunft und Vergangenheit.

Doch, ach, in diesem schönen Rahmen,
den mir die Musen heut gewährt,
sind denn die Verse, die da kamen,
von ihrem Nektar auch genährt?

Egal. Wenn man nur weltvergessen
sich seinem Steckenpferde weiht,
hat diese Welt man doch besessen –
und tiefer als in Raum und Zeit.

Konstanz

KonstanzDer Wind hat aufgehört zu pusten;
kein Lärm mehr von der Straße her;
nur ab und zu mein eignes Husten,
als ob es ihm zu stille wär.

Sonst keine lästigen Geräusche
zu dieser Sonntagabendstund;
leis tropft nur, wenn ich mich nicht täusche,
der Wasserhahn im Hintergrund.

Am alten Platz mein Kerzenfeuer,
das heute ganz in Weiß gehüllt,
tief eingesackt ins Wachsgemäuer,
das es mit heißen Tränen füllt.

Am alten Platz auf dem Tablette,
das nur ein Glas noch mit ihr teilt,
die Rebe mit dem Etikette,
von dem der Ruhm voraus ihr eilt.

Am alten Platz das dünne Laken,
in das ich Zeilen tätowier,
Geflecht von Bogen und von Haken:
mein schönes Poesiepapier.

Am alten Platz die alte Pfote,
die immer noch den Kuli hält,
notierend, was der Götterbote
ihr von den Musen so bestellt.

Das alte Bild in allen Dingen;
fest zeigt es sich, unwandelbar.
Doch auf der Zeit verborgnen Schwingen,
ach, nichts mehr, wie es gestern war!

Nachtstück

NachtstückMal wieder eine dieser Nächte,
in denen man zum Dichter wird –
man fühlt geheimnisvolle Mächte,
und Pegasus steht angeschirrt.

Es ist so still, dass aus dem Schweigen
sich Stimmen lösen geisterhaft.
Da heißt es in den Sattel steigen,
dass lyrisch man sich Luft verschafft.

‘s ist Sonntag. Die Geschäfte ruhen,
bewacht von strengem Neonlicht.
Gefährte, flink auf Gummischuhen,
hört man seit elf Uhr dreißig nicht.

Die Decke übers Ohr gezogen,
der Wolken flauschigen Flanell,
hat um die Sterne uns betrogen
der Himmel – ach, ihn fröstelt schnell.

Um wie viel tiefer wird das Dunkel,
wenn uns kein Licht von oben brennt
und unser Blick, gewöhnt Gefunkel,
sich fängt im Wattefirmament!

Die dürren Äste: Scherenschnitte,
die nur als Standbild angelegt.
Der steife West zur Tagesmitte
woanders sich in Büsche schlägt.

Die Nacht verhofft wie eingefroren
und doch gespannt wie vor dem Knall.
Ich geb dem Musengaul die Sporen –
und bring ihn lieber in den Stall.