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Denkmalgeschützt

Da steht er noch auf hohem Sockel
im öffentlichen Raum postiert,
in Putz und Pose wie ein Gockel,
der hundert Hühner kommandiert!

Er war einmal zu Olims Zeiten,
die keiner heut noch miterlebt,
ein Ass im Raufen und im Reiten,
vor dem die halbe Welt gebebt.

Man musste nur den Namen nennen,
dass Mütter gleich ihr Kind verstaut
und Jungfern, in den Wald zu rennen,
sich plötzlich ohne Furcht getraut.

So einen konnt der König brauchen
im Räuberschach, das er gespielt –
der ließ die Feuerrohre rauchen
und Fürsten ihm vom Halse hielt.

Wenn dabei auf der andern Seite,
was sag ich, wenn in Feindesland
in diesem gottesfürcht’gen Streite
der Gegner seinen Meister fand,

Um haufenweise zu verrecken
für seines Königs Spielerei,
bekam die Weste doch nie Flecken
und blieb sein Raubzug tadelfrei.

Ja, selbst wenn gegen Fraun und Kinder
die blut’ge Klinge er gezückt,
hat unser gute Gott nicht minder
die blauen Augen zugedrückt.

Auch Plündern und verbrannte Erde,
sie ha’m ihm nichts am Zeug geflickt:
Der König hat als Dankgebärde
den Adelsbrief ihm zugeschickt.

„Der ist mir auch im Reich von Nutzen“,
so dachten Seine Majestät,
„wenn die Subjekte revoluzzen,
nimmt der sie ähnlich ins Gebet“.

So hat er sich den Ruf erworben,
der ihm ein Denkmal eingebracht –
zeigt Gott sei Dank, dass er verstorben
und nicht mehr solche Zicken macht!

Abnutzungserscheinungen

abnutzungWie ist mir alles das vertraut,
als lebte ich hier seit Äonen!
Dies ganze Fleckchen, zugebaut
mit Plunder, um darin zu wohnen.

Seit ewig glotz ich auf die Wand,
will ich die flücht’gen Stunden zählen
auf dieser Uhr mit rotem Rand,
die darauf brennt, mir Zeit zu stehlen.

Und auf dem Trumm von einem Schrank,
gekauft, dass er der Kühlung diene,
steht sicher wie Britanniens Bank
seit Jahrn die Kaffee-Tee-Maschine.

Der Vorhang war mal dernier cri
aus feinstem finnländischen Leinen,
indes sein Muster: Federvieh,
heut stelzt auf fadenschein’gen Beinen.

Nicht anders das Gewürzregal,
gedübelt an die Kachelseite –
ein Schmuckstück anno dazumal,
als Hugo seine Frieda freite.

Der Roten Klara Einzug auch
muss wohl noch vor der Sintflut liegen-
es ist ja längst die Lasche Brauch,
um so ’ne Büchse aufzukriegen.

Das Radio selbst, modern und schmuck,
ja, futuristisch anzuschauen
in seinem kühlen Klinker-Look,
erfüllt mich schon mit Urvertrauen.

Und diese Stühle-Troika,
die wechselweise ich besetze,
sie ist seit Olims Zeiten da,
dass ich mir drauf den Hintern wetze.

Nicht zu vergessen ihn, den Herd,
der hier vom ersten Tag vorhanden
und wohl mit dem Dreiflammenschwert
im Paradiese schon gestanden.

Die Heizung zischt ihr ödes Lied,
ich glaub, seit Anbeginn der Welten,
dass mir schon ein Monteur beschied,
sie müsse als ein Wunder gelten.

Der Boden, dicht an dicht besät
mit kleinen steinernen Quadraten,
durch manchen Knick und Riss verrät,
dass aus den Fugen er geraten.

Und dass du morsch, mein Mobiliar,
das könnt ich noch mit Fassung tragen,
doch nicht, dass ich genauso war,
so frisch in deinen Jugendtagen!

Aus allen Küchenwinkeln quillt
Vertrautes mir, vermischt mit Grausen –
es scheint mein eignes Spiegelbild
in jedem Gegenstand zu hausen.

Die Klitsche hier mal aufpoliern,
weg mit dem ganzen Plünnenhaufen?
Nicht schwer, sie anders zu möbliern –
doch wo kann Zeit man neu sich kaufen?

Fest verwurzelt

fest-verwurzeltDer Ort, an dem ich meine Reime
mit spitzer Mine niederkratz,
dient mir seit Olim schon zum Heime,
zum Wigwam und zum Weideplatz.

Zwar hat er mich nicht unter Qualen
auf diese Erde ausgepresst,
weil südlich lagen, in Westfalen
die Windeln für mein Wiegenfest.

Doch ist er mir so lieb geworden,
wie’s nur die Kinderstube war,
die nach der Nordsee und dem Norden
die erste Sehnsucht mir gebar.

Ich weiß nicht, wie viel sel’ge Stunden
an dieser Stätte ich verbracht,
wo glücklich alles ich gefunden,
was lebenswert das Leben macht.

Nur dass die Zeit mir rasch zerronnen
und hoch der Hügel sich erhebt,
der meines Gestern Weh und Wonnen
für ewig unter sich begräbt.

So warfen einst ja diese Wände
auch meiner Liebsten Laut zurück,
bevor nach ihr gestreckt die Hände
der Schnitter, dass er früh sie pflück.

Was für ein Fall aus allen Träumen,
was für ein Sturz in Einsamkeit!
So haus ich unter Straßenbäumen
als Klausner quasi seit der Zeit.

Da soll man nicht ins Grübeln kommen,
das Fantasieren nicht in Schwung?
Aus jedem Winkel weht verschwommen,
aus jedem Ding Erinnerung!

So hab ich’s lange ausgehalten,
die besten Jahre hier verlebt,
bis mir das Alter heimlich Falten
samt einem Bäuchlein angeklebt.

Die dreißig eben überschritten,
bezog als Jüngling ich Quartier –
demnächst muss ich zum Umtrunk bitten,
den auf die Rente ich spendier.

Bin zum Nomaden nicht geboren,
der unstet durch die Lande zieht,
ein Schäfchen eh’r, das ungeschoren
im Dämmer seines Schuppens kniet.

Soll ich zum Schluss noch aufbegehren,
gewaltsam mich vom Fleck befrein,
vom harten Brot des Wandels zehren –
um anderswo allein zu sein?

Dies Dornenschloss mag mich umfangen,
und wenn ich hier vergehen müsst –
wo fänd ich jetzt noch Liebverlangen,
das mich aus meiner Ruhe küsst?

Paarbildung

PaarbildungSich in ‘nen Menschen zu verlieben,
ist keine Kunst, das kann ich auch.
Hat mit Natur zu tun und Trieben
und mit Gefühl der Marke Bauch.

Doch hat da ja gewisse Schranken
die Erstgenannte auch gesetzt,
dass man im Wunschflug der Gedanken
nicht nach der falschen Beute hetzt.

So soll man auf dem Teppich bleiben
und nicht nach frischen Früchten schieln,
mit welken Gliedern zu umleiben
die, die noch nicht in Fäule fieln.

Indes mit ihren Theorien
sie selbst sich oft auch widerspricht –
man kann den Ketten ja entfliehen,
wenn beiderseits man sie zerbricht.

So sieht man manchmal Liebesleute
von sehr verschiednem Reifegrad,
wo keines vor der Kluft sich scheute
und mutig in die Ehe trat.

Ein seltner Fall ganz ohne Frage,
doch auch real und nicht plemplem –
und Strohhalm für die alten Tage
von Olim und Methusalem.

Meist aber Grillen nur, verwegne.
Man tritt sich nur die Füße krumm.
Wenn ich ‘ner Schönen mal begegne,
dreh ich mich auf der Stelle um.

 

Sieht alles

Sieht allesDer Mond da oben, weit zu sichten
wie’n Leuchtturm am ersehnten Strand,
was könnte er uns nicht berichten
von diesem oder jenem Land?

Beharrlich strahlt er uns entgegen,
dass als Markierung er uns dien,
doch auch auf tausend andren Wegen,
die unsern Blicken sich entziehn.

Wir sehn nur bis zur Nasenspitze
und bilden uns wer weiß was ein,
doch er beschnüffelt jede Ritze
hienieden mit Laternenschein.

Er hat auf seinen langen Fahrten
so viel an Kenntnissen gehäuft
bezüglich aller Geo-Sparten
und weiß, wie hier der Hase läuft.

Vor allem dieses wüste Krabbeln
stößt auf ihm schon seit Olims Zeit:
Das kommt, weil sich die Tierchen kabbeln
um irgendeine Nichtigkeit.

Da bleiben viele auf der Strecke,
Kadaver liegen rings verstreut.
Doch kaum erholt von diesem Schrecke,
verbeißt der Haufen sich erneut.

Ja, aus der Vogelperspektive
nimmt manches sich wohl seltsam aus.
Und ihm entgeht die intensive
Gottähnlichkeit der Erdenlaus.