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Altbier

Als Reinheit war noch nicht geboten
mit Wasser, Hefe, Hopfen, Malz,
gab man dem Bier noch Zusatznoten
nicht anders, als der Suppe Salz.

So hat man diese fade Lauge
auf manche Art geschmacksverstärkt,
damit sie auch der Gurgel tauge,
die nur die groben Reize merkt.

Und da ja chemische Substanzen
für diesen Zweck noch nicht parat,
behalf man sich mit tausend Pflanzen –
Natur mit gleichem Wirkungsgrad.

Alraune nutzte man und Winde,
Stechapfel-, Fliegenpilzextrakt,
damit durch kräft‘ge Würze schwinde,
was an der Brühe abgeschmackt.

Auch war um Lolch man nicht verlegen,
gab Kardamom dazu und Zimt
und hat den Gout für derbe Mägen
auch mit Muskat mal abgestimmt.

Doch nicht genug, Linné lässt grüßen:
Was immer wuchs in Feld und Forst,
es konnt den Trank pikant versüßen –
natürlich Gagel auch und Porst.

Die liebste aber dieser Drogen,
die garantiert vom Hocker haut,
das war, akribisch abgewogen,
gewiss das Schwarze Bilsenkraut.

Zwei Fliegen schlug’s mit einer Klappe –
ließ einen rasch beduselt sein
und nahm zugleich auf seine Kappe
des Rauschs abstruse Träumerein.

Es scheint, dass schon bei den Germanen
sich’s eingeträufelt der Poet:
Was erst sein Hirn begann zu ahnen,
beflügelnd mit dem „Skaldenmet“.

Auch unsre Fratres dann, die frommen,
begeist’rungsfähig durch die Bank,
sie konnten nicht genug bekommen
von diesem hausgemachten Trank.

Von „Joseph“ bis zur „Wurzel Jesse“
mehr Inbrunst aus den Kehlen quoll,
und dito warn sie bei der Messe
des Lobes ihres Schöpfers voll.

Te Deum laurel laus laudanum,
so hörte man die Brüder lalln,
aeternis opus oreganum,
zu ihrem eignen Wohlgefalln.

Der Freund von einem edlern Tropfen,
ein Bischof aus betuchtem Haus,
brach eine Lanze für den Hopfen
und gab ‘nen Hirtenbrief heraus.

Da war Matthäi denn am Letzten:
Das Zeug verlor den süßen Trost
und die in Hopfenschlaf Versetzten
das Stimulans zu manchem. Prost!

Auf Sonnenkurs

Wie ich wohl öfter schon erwähnte,
kein Hahn mich aus den Federn kräht;
mein Ruhstand sich inzwischen dehnte
auf … Kinder, wie die Zeit vergeht!

Wie wehrt man diesem steten Fließen?
Verändrung, Wechsel, dacht ich halt.
Und: Ist der Sommer zu genießen,
doch nicht der Winter, nass und kalt.

So habe ich mich denn entschlossen,
zu überlisten Vater Frost,
‘ne Abschiedsträne noch vergossen –
und auf nach Süden, ab die Post!

Drei Stunden Fluges abgesessen
und raus in eine andre Welt.
Zwar wird auch hier in Grad gemessen,
doch selten nur die Säule fällt.

Fast hätt gejauchzt ich vor Vergnügen,
die Sonne schien noch pur und prall,
doch wie’s halt ist bei solchen Flügen,
man ist als Mensch kein Einzelfall.

Die Rentner schweben zu Millionen
hier mit dem Billigflieger ein,
in ihrem Wabenturm zu wohnen,
Balkon in Richtung Sonnenschein.

(Ich lass die kleine Schar beiseite,
die Finca-Freuden hier genießt
mit Meerblick oder sonst’ger Weite,
die von den Hügeln sich erschließt.)

Da kriegt‘ ich gleich den ersten Dämpfer
für mein naives Wagestück –
ich bin wohl gar kein Einzelkämpfer,
wenn ich den Tag hier unten pflück.

Und sah auch bald an Strand und Hafen
Betagte viel und nordisch blass,
die Herbst und Winter hier verschlafen
bei Rotwein, Bier und Klaberjass.

Doch wenn im Frühling dann ihr Feuer
die Sonne immer stärker schürt,
ist manchem schon nicht mehr geheuer
die Glut, die ihn hierhergeführt.

Allmählich lichten sich die Reihen,
die Rentnerquote siecht dahin,
und Ende Juni sieht von dreien
nur einer noch im Bleiben Sinn.

Die Flieger füllen sich nun wieder
mit Passagiern bis an den Rand
und kommen erst in Ländern nieder,
wo dieser Vögel Wiege stand.

So mag es die Vernunft gebieten
im Schulterschluss mit dem Verstand,
doch ich, Novize dieser Riten,
wies sie entschieden von der Hand.

Ich lass mich nicht ins Bockshorn jagen
von einer Hitze Schreckensbild,
die so sehr aus der Art geschlagen,
dass sie womöglich Keime killt.

Der Winter ist ‘ne harte Schule,
die man im Norden wuppen muss,
und dieses Völkchen nahe Thule
auch sonst nicht grad aus Zuckerguss.

Drum werde ich die Stellung halten,
was immer auch ins Haus mir steht –
soll sich der Sommer doch entfalten,
bis Tauben er im Fluge brät!

‘nen Vorgeschmack konnt ich schon kriegen,
so einen Tag mit Wüstenhauch:
Den ließ ich links noch locker liegen –
doch etwas mulmig war mir auch.

Nahrungsergänzung

Des Kühlschranks kalter weißer Magen,
der bis auf Milch und Quark geleert,
er möcht mal wieder voll sich schlagen
mit Kost, die eine Sünde wert.

Der Eigner kommt ihm gern entgegen,
die Forderung scheint ihm gerecht,
da ja von allen Schicksalsschlägen
der Hunger uns am meisten schwächt.

Ein Supermarkt war rasch gefunden,
der offensichtlich alles bot,
die Speisekammer abzurunden,
grad wenn ihr schon der Kollaps droht.

Gemustert also die Regale
und abgeschritten ihre Reihn,
ein bisschen gleich dem Generale,
der Truppen nimmt in Augenschein.

Nur dass ich nicht wie Bonaparte
die flinken Zungen honorier –
an Eisbein mit gekochter Schwarte
liegt mehr mir als am Füsilier.

An Würsten auch und Käsesorten,
die meinem Gaumen wohlbekannt,
dass ich wohl hätt des Ladens Pforten
für sie allein schon eingerannt.

Da komm ich grad am rohen Schinken
der Art „Ibérico“ vorbei –
ein Griff, und schon Genüsse winken,
gelinde ausgedrückt, hoch drei.

Und dann schon wieder: Karre stoppen!
Ich angel mir den Wildlachs raus.
Geschmacklich ist der kaum zu toppen,
trotz Kaviars und Kabeljaus.

Auch die Pastete von Sardellen,
mit gleichem Meeres-Stallgeruch,
gehört zu den markierten Stellen
in meinem kleinen Küchenbuch.

Ins Körbchen! Und beim Weiterschieben,
wie ich so durch die Reihen schlurf,
kommt mir das Schmalzfleisch (ohne Grieben)
noch unvermittelt in den Wurf.

Schon eingesackt fast unbesehen,
denn wie der große Spötter spricht:
Ich kann wohl allem widerstehen,
nur leider der Versuchung nicht.

Doch sollte bloß die Nahrung stimmen?
Auch hier fällt mir ein Sprichwort ein.
Im Deutschen heißt es: Fisch muss schwimmen.
Ich kurve also noch zum Wein.

Mehr kann mein Beutel nun nicht fassen.
Das andre wird mir Schall und Rauch.
Ich nehm’s wie Sokrates gelassen:
Wie viel es gibt, was ich nicht brauch!

Konkurrenzkampf

Ein Brauch, in Hellas einst geboren,
doch mittlerweile unbegrenzt:
Man holt im Wettkampf sich die Sporen,
mit denen man ein Leben glänzt.

Denn Typen, die so hurtig rennen,
dass man nur ihren Hintern sieht,
kann man mit Recht wohl Götter nennen,
unsterblich durchs Bewegungsglied.

Das gilt auch für die Schultermuskeln,
mit denen man ‘ne Kugel schmeißt:
Die fliegt zum Sieg. Und in Majuskeln
den Stoßer man auf Stelen preist.

Beim Boxen just so wie beim Ringen,
beim Lanzenwerfen, einerlei:
Man muss den Gegner nur bezwingen,
egal, wie knapp der Sieg auch sei.

Du warst mit deinem Fuß im Ziele
‘ne Handbreit vor des Gegners Zeh?
Das reicht im Sinne dieser Spiele
fürn Ehrenplatz im Elysee.

Du warst mit deiner Schleuderscheibe
demselben einen Tick voraus?
Schon sucht dein Ruhm sich eine Bleibe
in Zeus‘ erhabnem Gästehaus.

Du warst mit deinen Faust-Attacken
um einen einz’gen Treffer vorn?
Die Himmelspforte wirst du knacken
im Schweinsgalopp mit Englisch Horn!

Bezeichnend für den Geist der Wesen,
die auf der Erde vegetiern –
sie machen nicht viel Federlesen
mit denen, die kaum differiern.

Das mag im Sport noch „sportlich“ gehen,
ansonsten aber oft fatal:
Man liebt’s, den Schwächeren zu schmähen,
und leider nicht nur rein verbal.

Der Erste wird als Held gefeiert
mit Blasmusik und Kaisermarsch –
der Zweite ist schon angemeiert
und fühlt sich wie der letzte Arsch.

Allein Dabeisein gilt als Ehre,
nicht, dass man auch Furore macht?
Dies Motto, wenn’s doch Wahrheit wäre!,
hat wohl ein Träumer aufgebracht.

Die Wirklichkeit in allen Lagen,
in die das Leben einen bringt,
heißt sich so tapfer durchzuschlagen,
dass man den Sieg! Sieg! Sieg! erringt.

Und unsre flotten Ökonomen,
die sich auf Wert und Preis verstehn,
entdeckten in den Chromosomen
auch noch das Maximierungs-Gen!

Mit kleinstem Aufgebot an Kräften
zum allergrößten Resultat –
so hat bei allen Geldgeschäften
den besten Maßstab man parat!

Der Mensch verblasst zum Kostenfaktor
in diesem eisigen Kalkül
und teilt mit Stromtarif und Traktor
sich des Inverstors Wertgefühl.

Der aber pocht auf dessen Stärken,
weil er von ihnen profitiert –
indes die Massen nicht mal merken,
dass sie zum Werkzeug degradiert.

Sie hasten blindlings einfach weiter
auf der umkämpften Aschenbahn.
Ein jeder seines Glückes Streiter –
voll Dampf. Voll Neid. Voll inhuman.

Schöner Feierabend

schoener-feierabendFür heute hast du deine Pflicht erfüllt.
Jetzt lehnst du dich zurück, entspannt.
Im Korb Papier, zerrissen und zerknüllt.
Was wichtig war, ist abgesandt.

Zufrieden greifst du dir die Jacke raus –
ein letzter Blick noch von der Tür:
Der Drucker, der Computer – alles aus.
Das war’s denn wieder. Ab dafür!

Gemächlich schlenderst du zu Heim und Herd.
Wie schön ist alles, wenn es blüht!
Der Frühling, den du im Büro entbehrt,
belebt dein sonniges Gemüt.

Leicht tragen dich die Füße und beschwingt.
Wie Zephir kommt ein Hauch geweht,
der Frische aus verborgnen Quellen bringt,
Erquickendes von Ganymed.

Zum Himmel schaust du auf ins lichte Blau,
das wie ein ries’ger Schirm sich spannt
und doch, dass diesem Braten man nicht trau!,
dich nicht beschützt vor Sonnenbrand.

Die Höhle dann, die bergende, erreicht,
machst du dir erst mal richtig Luft.
Das Knebeltuch dem offnen Kragen weicht,
Gebügeltes der Freizeitkluft.

Nun streifst du ab des Tages ganze Last
mit dem Geruch von Schweiß und Pflicht
und fühlst nur noch, was du geleistet hast,
an deiner Glieder Schwergewicht.

Und sinkst du dann auf deines Sessels Grund,
bist alle Erdenqual du los,
ja, gleichsam schon im Paradiese und
in Abrahams berühmtem Schoß.

Da schwebt auch Hebe dir entgegen schon,
dass sie mit Nektar dich erfreu,
heißt hier: Dionysos‘ spezieller Lohn,
weil seiner Rebe stets du treu.

Nun löst die Seele, löst die Zunge sich
von Vorschrift und Gepflogenheit,
und die Gedanken gehen auf den Strich,
von allen Hemmungen befreit.

Glückseligkeit, der Alten Lebensziel –
an jedem Abend dir präsent.
Was braucht‘s im Grunde denn dafür schon viel?
Ein Stübchen, wo ein Lichtlein brennt.

Den Boss, der tags dich kommandieren darf,
schließ in dein Nachtgebet mit ein.
Auf Kohle bloß und auf Karriere scharf,
lebt er ja nur dem großen Schein.

Neustart mit Noah

Neustart mit Noah, Pieter BruegelNun hat der Himmel sich verhüllt,
das Licht wird immer trüber,
die Hitze, die den Tag erfüllt,
geht sacht in Schwüle über.

Der Mond, der gestern lerchenleicht
auf blauer Bahn geflogen,
dem Auge unsichtbar nun streicht
durch dichte Wolkenwogen.

Gewitterluft. Die Flagge schlägt
schon stürmisch auf dem Dache.
Wer immer sich jetzt schlafen legt,
kommt nicht so bald zur Sache.

Die Häuser, stumm und ungerührt,
sie scheinen nicht zu leiden.
Das kalte Herz, in Stein geschnürt,
man möcht es ihnen neiden.

Ich schwitze mir die Seele aus.
Mein Hemd pappt auf der Pelle.
Blitz, Donner her und Sturmgebraus,
‘ne Sintflut – auf der Stelle!

Die Küche dient als Arche mir,
wiegt sanft mich durch die Wellen
und kann als „allerlei Getier“
auch eine Fliege stellen!

Und, Himmel, ist dein Zorn verraucht,
versiegt die Wassermasse,
schenk eine Hitze, die nicht schlaucht
fürn Sommer erster Klasse!