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Bildbetrachtung

Um schnell ‘nen Schnappschuss mal zu machen,
braucht’s keinen Kameraverleih,
denn unter seinen Siebensachen
hat man sein Handy auch dabei.

Und dieser wahre Zauberkasten,
der Tricks zu Tausenden enthält,
verbirgt die Kunst auch untern Tasten,
ins Bild zu bannen Gott und Welt.

Der Wandervogel, der auf Streife
den Wald penibel inspiziert,
dass sein Geheimnis er begreife,
die Eichhörnchen fotografiert.

Der Kenner, der in stillen Sälen
sich lautlos ‘nem Gemälde naht,
will mit dem Blitz es nicht verfehlen,
geblendet von dem Unikat.

Der Gast, der einer flotten Fete
sich irgendwann erinnern will,
vertraut dem kleinen Knipsgeräte
vom Cocktail bis zum Haxen-Grill.

Und auch wer Panoramablicke
grandios vor der Pupille hat,
dem Motto folgt „Fixier und klicke!“
und sieht sich an den Bildchen satt.

Vermehrt ersetzt die virtuelle
die anfassbare Wirklichkeit,
weil überall und auf die Schnelle
sie in der Jacke griffbereit.

Zum Beispiel hockt auf dickem Hintern
man in der Sonne hübsch bequem
und zeigt sich Fotos von den Wintern,
da wo sie weltweit jetzt extrem.

Dann schüttelt man sich auch beflissen,
als fühlte man ‘ne eis’ge Hand,
doch ernsthaft nicht vom Frost gebissen,
nur angestachelt vom Verstand.

Mir ist es neulich so gegangen:
Ich saß mit wem am Kneipentisch
und hab von Mandeln angefangen,
den ersten Blüten, frühlingsfrisch.

Und dass hier unten an der Küste
ihr rosa Feuer nicht entbrannt
und rauf ich an die Hänge müsste,
ins hügelige Hinterland.

Die Klage aber kaum verklungen,
mein Partner in die Tasche rein,
sein Handy mir vorn Dööts geschwungen:
„Da hast du deinen Mandelhain!

Hab’s gestern grade aufgenommen,
weil im Vorbeifahrn ich es sah.
Hab ich doch ganz gut hinbekommen,
konnt ja nicht ewig halten da!“

An digitalen Frühlingsboten
hab ich mich heuchlerisch erfreut,
nach Duft und Fülle zu benoten,
was nicht mal riecht nach Zelluloid.

Mein Gegenüber, selbstzufrieden,
gab ganz sich dem Triumphe hin,
dass Sinn für Fortschritt ihm beschieden
und ich noch hinterm Monde bin.

Und hat die Chance gleich ergriffen
und weitre Fotos ausgespuckt,
die ich – wie Petrus, der gekniffen -,
mir zähneknirschend angekuckt.

Im Rhythmus der Routine

rhythmische-routineDes grauen Tages graues Ende.
Ein Herr nimmt seinen Stammplatz ein.
Rings um ihn Kacheln, Küchenwände.
Es ist halb zehn. Er ist allein.

Er hat das Blatt schon ausgebreitet.
Er wiegt den Schreiber in der Hand.
Er senkt ihn, dass er sutje gleitet
vom linken bis zum rechten Rand.

Jetzt hat er etwas schon geschrieben.
Das Blatt ist nicht mehr völlig leer.
Ein Brief? Vielleicht an seine Lieben:
“Ich grüße und vermiss euch sehr“?

Nein, nichts von solchen trauten Zeilen.
Was er da schreibt, ist ein Gedicht.
Gedanken, um uns mitzuteilen,
was seine Muse durch ihn spricht.

Es scheint ihm daran nicht zu fehlen
noch an den Worten, ihrem Kleid.
Er hat ‘ne Menge zu erzählen.
Und jetzt am Abend auch die Zeit.

Nicht, dass er wie besessen wäre
und trunken nur vom Musenkuss;
er gießt von Zeit zu Zeit die Beere
des Bacchus in den Redefluss.

Der Fantasie kommt dies entgegen.
Der Dünger lässt sie üppig blühn.
Und um der schönen Verse wegen
muss sich der Barde wen’ger mühn.

Die Stunden ticken träge weiter.
Die Sterne rücken leise vor.
Wann trennt des Flügelrosses Reiter
sich endlich von Papyr und Rohr?

Jetzt hat er wohl zu viel des Guten.
Jetzt schlägt des Nektars Wirkung um,
verlaufen sich die Bilderfluten,
macht A und O den Rücken krumm.

Da hat er‘s selber eingesehen,
da macht er rasch den letzten Strich.
Erhebt sich, um zu Bett zu gehen.
Ganz unter uns: Der Herr bin ich.

Erfrischung erwünscht

erfrischung-erwuenschtWeit offen steht die Pforte zum Balkone,
die Zephir gastlich einzutreten lädt,
doch „Pustekuchen“ denkt sich die Zyklone
und dass – August! – ein andrer Wind nun weht.

Sprich: keiner. Lastet doch seit vielen Tagen
wie Brei-Extrakt ‘ne Schwüle auf der Stadt,
um jeden Windhauch aus dem Feld zu schlagen,
der keinen Sinn für diese Suppe hat.

Tagsüber sucht in ungezählten Bächen
der Schweiß am ganzen Leibe sich sein Bett
und fleckt das Hemd dir überall mit Flächen,
die von der Feuchte glänzen wie von Fett.

Und nachts umspülen dich die lauen Schwaden
und treiben in den Kissen dich herum,
um dich in warmem Morgentau zu baden,
vollendend deines Schlafs Martyrium.

Charybdis hier und Scylla da vor Augen,
kurvt meine Feder fieberhaft bewegt,
indes umwabert von den Lüftelaugen
das Blatt Papier schon leichte Wellen schlägt.

Von draußen höre ich nur Menschenlaute,
kein einz‘ger Vogel meldet sich zu Wort.
Null Bock auf Flug gewiss bei dieser Flaute,
trug’s sie in schattenreiche Nester fort.

Doch ich kann meinem Käfig nicht entkommen,
mir Kühle zu verschaffen irgendwo,
die Arbeit hat mich in die Pflicht genommen,
der Wecker jagt mich pünktlich ins Büro.

(Willst, einz’ger Leser du, Mäzen zu gleichen,
mit Münzen wiegen mein bescheidnes Lied,
soll dieses stets zur Ehre dir gereichen,
wie jenem von Catull das und Ovid!)

Ein Lichtblick immerhin in laus’gen Zeiten,
da jeder gierig seine Schätze mehrt,
lässt sich zur Wohltat jemand noch verleiten,
die doch gewiss an seinem Säckel zehrt.

Doch sind Mäzene heut von solchem Schlage,
dass sie Projekte statt Personen wähln –
ein Opernhaus in bester Stimmenlage
kann eher auf ihr Spendenkonto zähln.

Da sie an Gut und Geld ihr Herz verloren,
sind sie auf Kunst nur marginal bedacht,
doch umso fester darum eingeschworen
auf das, was dabei groß Furore macht.

Pardon, dass ich ein wenig abgewichen
und dummerweise mich noch mehr erhitzt.
Zwar litt ich niemals unter Sonnenstichen,
doch hab auch nie so höllisch ich geschwitzt.

Ich schau mich also um in meiner Klause,
gewiss, sie müsse nass und dampfend sein,
und seh doch unverändert dies Zuhause
im alten traulich-trüben Lampenschein.

Die Leiden, die der Witterung entspringen,
den Kühlschrank lassen ohnehin sie kalt.
Mag auch die Glut in jeden Winkel dringen,
vor seiner Tür, der wucht‘gen, macht sie halt.

Das Radio wird es umgekehrt nicht stören,
wenn Wärme es im Übermaß umfließt:
Von Olim her gewöhnt an heiße Röhren,
ist eher zu vermuten: Es genießt.

Na, und die Heizung? Selbst dazu geboren,
dass ihre Wallung Wohlbefinden schenk,
wird die Kollegin sie von den Azoren
mit Freundlichkeit begrüßen statt Gezänk.

Vom Herd ist auch kein Mitleid zu erwarten,
da er doch selber feuriger Natur,
was all die Speisen, die darauf schon garten,
wohl schmerzlich würden uns bestät’gen nur.

So werd ich einsam sie ertragen müssen,
die Schwüle, wie das salz’ge Meer der Fels,
wenn fiebernd ich nach kühlen Regengüssen
mich schlaflos gleich in meinem Kissen wälz.