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Der Gourmet

Vielleicht hätt Koch er werden sollen,
denn nicht ein einz’ger Tag vergeht,
an dem er nicht mit Augenrollen
ins Schwärmen vor Genuss gerät.

Doch hat es ihn ins Amt verschlagen,
wo eher Akten man goutiert
und einem so sensiblen Magen
gezählte Erbsen nicht püriert.

Ob grade das ihn erst bewogen,
der Kost nie an Kantinen maß,
dass innerlich er fortgezogen
und ins Schlaraffenland sich fraß?

Ich weiß es nicht. Und auch er selber
den Kopf sich drüber nicht zerbricht.
Denkt nur an Schweine, Kühe, Kälber
und an sein nächstes Leibgericht.

Doch hoppla: Nicht nach Mütterweise
als Hausmannskost der schlichten Art –
er tafelt wie im Götterkreise
ambrosisch immer und apart.

Dazu hat er auf vielen Fahrten,
die um den Globus ihn geführt,
dem schönen Paradiesesgarten
der Gaumenfreuden nachgespürt.

Nenn ein Ragout ihm, einen Braten,
der auf der Zunge dir zerfloss,
er wird ‘ne Anschrift dir verraten,
wo er ihn feiner noch genoss.

Hors d’œuvres, Haupt- und Nebengänge
hat er wo immer auch probiert,
die Karten in der ganzen Länge
bis zum Erbrechen durchstudiert.

Den Sinn für Flüssiges verloren?
Schlürft er zum Hummer grünen Tee?
Als Schlemmer nun einmal geboren,
ist er nicht wen’ger Sommelier!

Nicht nur, dass er ‘nen guten Tropfen
bis hin zur Spitzenlage schätzt,
er schilt auch, dass als Flaschenpfropfen
den Korken man durch Blech ersetzt.

Sollten wir Connaisseur ihn nennen?
Er störte sich nicht an dem Wort –
glaubt jedes Weinchen zu erkennen
nach Sorte, Jahrgang und so fort.

Kollegen auf ‘ne Probe drängen.
Daneben! Er von dannen schleicht.
Ach, manche Trauben höher hängen,
als dass sie selbst ein Fuchs erreicht!

Ein Päckchen, gern zu tragen

In wunderbarer Morgenfrische
dahingewandert Richtung Ost,
gefolgt dem vorgedruckten Wische
zu seinem Quell, der Päckchenpost.

Am Wege, an der kleinen Mauer,
die ihn vom breiten Strande trennt,
saß schon ein fleiß’ger Hammerhauer
und hieb aufs Pflaster vehement.

Im Rücken mir, tapp, tapp zu hören,
kam näher ein beschwingter Schritt,
ihn aus der Trägheit aufzustören,
an der mein Gang schon immer litt.

Ich krümmte kläglich mich zur Seite
und ließ den Vortritt einer Maid,
die, dass sie umso rüst’ger schreite,
‘ne Hose trug, die Meilen weit.

Vorm Bäcker stand ein Trüppchen Frauen,
begöschte da schon manchen Kram,
und, konnt ich meinen Ohren trauen,
just diese Maid aufs Korn sich nahm.

Und dann die Post – ‘ne Rumpelkammer,
die für ‘nen Tüftler man entwarf
und der vom Stempel bis zur Klammer
nichts fehlte an Bürobedarf.

Der amtlich dort bestallten Dame
mit Wisch und Pass ich mich empfahl,
auf dass ihr Auge nicht erlahme,
zu schweifen übers Wandregal

Und nach ‘nem Päckchen auszuspähen,
das hierher man mir zugestellt
statt an die Anschrift, drauf zu sehen,
weil’s aus dem Postrad-Rahmen fällt.

Zu schwer für diese Filiale?
Jäh plagte mich die Neugier arg,
was unter so ‘ner papp’gen Schale
sich denn an Schätzen wohl verbarg.

Sie fand. Ich ging. Und unterm Arme
‘ne Last, die grad noch tragbar war,
schritt durch die Sonne ich, die warme,
zurück zu meinem Hausaltar.

Paket entschnürt und ausgeweidet
das Innere, das buntgescheckt –
ach, welcher Sternekoch entscheidet,
was hier ff am feinsten schmeckt?

Da lagen Gläser, Tüten, Dosen,
zum Schutz gepolstert mit Papier,
so wie ein Kästchen Preziosen,
dass man’s dem Käufer präsentier.

Aha, mag zynisch da wer zischen,
‘ne Fuhre Wurst und so’n Gebrät,
da wird er sich die Lippen wischen,
bevor er rülpst sein Nachtgebet!

Na, soll er doch, ich will nicht maulen,
bespöttelt wer die pfund’ge Post –
kein Bissen soll mir ja verfaulen
von dieser 1-a-Hausmannskost.

Doch will ich keinen auch verspeisen
als Gruß aus dem Schlaraffenland,
ohne mit Dankbarkeit zu preisen
die, die ihn freundlich mir gesandt.

Mammonitis

MammonitisAuf einmal in die Welt geschmissen,
als ob du einen Dreck nur giltst,
wolln alle plötzlich von dir wissen,
wie diese du verändern willst.

Denn jene, die darin schon hocken,
ha’m dafür selber kein Rezept
und wolln der Neugeburt entlocken,
was sie an Weisheit mit sich schleppt.

Um eine Antwort nicht verlegen,
orakelt unser Frischling frei
mit flinken feuchten Zungenschlägen,
dass Pampe wohl das Beste sei.

Und, bitte sehr, die Neunmalklugen,
schon haben sie ihr Lustobjekt
und lehrn, die Welt ging aus den Fugen,
wenn man nicht fleißig Pampe schleckt.

So, etwas überspitzt gesprochen,
nimmt Überzeugungen man an –
so einfach übers Knie gebrochen,
nicht lange fragend, was daran.

Das sind mir schöne Kantianer:
Die reinste Feigheit vorm Verstand!
Der tapfre Königsberger Mahner
hätt sich mit Grausen abgewandt.

Auch heut noch tappt die Menschenmasse
im Dunkel der Unmündigkeit
wie’n bäuerlicher Hintersasse
zur gnadenreichen Gutsherrnzeit.

Wobei man jetzt nicht mit der Knute
die krit’schen Geister überzeugt,
dass nur zum Wohl von Herrn und Gute
man schweigend seinen Nacken beugt.

Nein, kaum dem Junkerjoch entkommen
und aller Obrigkeiten frei,
hat man ein neues angenommen,
dass Mammon untertan man sei.

Und nur aufs Fressen ausgerichtet
wie jeder Straßenköter auch,
am höchsten man das Moos gewichtet
als nöt’ges Polster fürn Verbrauch.

Und falls sich mal den „höhren“ Fragen
die satte Seele stellen mag,
dann weiß sie noch aus Kindertagen:
Die Antwort kennt der Kirchentag.

So futtert man sich durch das Leben
wie durch die süße, dicke Wand,
nach der die Schlemmer alle streben
zum Durchbruch ins Schlaraffenland.

Doch fortgesetzte Paradiese
(erst irdisch, dann im Himmel wo)
entspringen nur der Expertise
des Geists auf bloßem Wunschniveau.

In Wirklichkeit weiß kein Schamane,
egal von welchem Betverein,
ob wir nach Charons düstrem Kahne
erneut uns in den Stammbaum reihn.

Gewiss ist nur, dass uns schon morgen
Freund Hein die Rechnung präsentiert.
Wird Mammon uns fürn Aufschub borgen?
Ja, wie ‘ne Jungfrau, die gebiert.

Großreinemachen

GroßreinemachenEin kurzer Blick: An Ort und Stelle
das alte Kücheninventar.
Vom Kochtopf bis zur Suppenkelle
steht alles stramm. Unwandelbar.

Das gilt natürlich für die Schränke,
für Waschmaschine, Herd noch mehr,
dern müde Glieder und Gelenke
der Bodenständigkeit Gewähr.

Ein Bild des Friedens und der Ruhe,
seit Ewigkeiten unverrückt –
wie eine mächt’ge Eichentruhe
mit Eisenschlössern rings bestückt.

Doch mag sie sich auch nicht bewegen,
sie mag auch nicht versteinert sein:
Längst frisst der Rost an den Beschlägen,
längst färbt der Staub sie schwärzlich ein.

Das hat mir lange schon gestunken –
doch mehr dem Auge als der Hand;
am Ende wär’s in Dreck versunken,
mein sauberes Schlaraffenland.

Und ewig dieses Magendrücken
und dies Gewissen, bös zernagt –
kurzum, gleich morgen Stühlerücken,
Großreinemachen angesagt!

Ein Maler kommt, es einzuspinnen
in Plastikfolie mit Fleiß,
lässt Farbe auf und ab gerinnen,
und es entpuppt sich – blendend weiß.