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Nahrungsergänzung

Des Kühlschranks kalter weißer Magen,
der bis auf Milch und Quark geleert,
er möcht mal wieder voll sich schlagen
mit Kost, die eine Sünde wert.

Der Eigner kommt ihm gern entgegen,
die Forderung scheint ihm gerecht,
da ja von allen Schicksalsschlägen
der Hunger uns am meisten schwächt.

Ein Supermarkt war rasch gefunden,
der offensichtlich alles bot,
die Speisekammer abzurunden,
grad wenn ihr schon der Kollaps droht.

Gemustert also die Regale
und abgeschritten ihre Reihn,
ein bisschen gleich dem Generale,
der Truppen nimmt in Augenschein.

Nur dass ich nicht wie Bonaparte
die flinken Zungen honorier –
an Eisbein mit gekochter Schwarte
liegt mehr mir als am Füsilier.

An Würsten auch und Käsesorten,
die meinem Gaumen wohlbekannt,
dass ich wohl hätt des Ladens Pforten
für sie allein schon eingerannt.

Da komm ich grad am rohen Schinken
der Art „Ibérico“ vorbei –
ein Griff, und schon Genüsse winken,
gelinde ausgedrückt, hoch drei.

Und dann schon wieder: Karre stoppen!
Ich angel mir den Wildlachs raus.
Geschmacklich ist der kaum zu toppen,
trotz Kaviars und Kabeljaus.

Auch die Pastete von Sardellen,
mit gleichem Meeres-Stallgeruch,
gehört zu den markierten Stellen
in meinem kleinen Küchenbuch.

Ins Körbchen! Und beim Weiterschieben,
wie ich so durch die Reihen schlurf,
kommt mir das Schmalzfleisch (ohne Grieben)
noch unvermittelt in den Wurf.

Schon eingesackt fast unbesehen,
denn wie der große Spötter spricht:
Ich kann wohl allem widerstehen,
nur leider der Versuchung nicht.

Doch sollte bloß die Nahrung stimmen?
Auch hier fällt mir ein Sprichwort ein.
Im Deutschen heißt es: Fisch muss schwimmen.
Ich kurve also noch zum Wein.

Mehr kann mein Beutel nun nicht fassen.
Das andre wird mir Schall und Rauch.
Ich nehm’s wie Sokrates gelassen:
Wie viel es gibt, was ich nicht brauch!

Außenwerbung

AußenwerbungWenn ich mal aus dem Fenster blicke,
kuck ich auf `ne Reklamewand.
Dern Mieter haben’s sicher dicke,
denn riesig wirkt sie und markant.

Nicht einfach `ne pompöse Pappe,
die da wer weiß wie lange klebt,
bis vier, fünf Jahre später, schlappe,
sie blätternd sich vom Boden hebt.

Nein, eher so was wie ein Segel,
das an den Seiten gut geschnürt
und das man bis zum höchsten Pegel
an Schoten in den Himmel führt.

Doch müssen auch nach oben steigen
die Burschen, die das Ding montiern,
und ihre Kletterkünste zeigen,
um an der Wand nicht abzuschmiern.

Und schließlich zerren sie und zurren
das Plastiklaken derart fest,
dass, mag das Windrad noch so schnurren,
es sich nicht blähn und knicken lässt.

Erledigt. Und der Lohn der Mühen?
Ein Bild, das in den Lüften schwingt
und mit Krediten, Quark und Kühen
gleich jedermann ins Auge springt.

So kriegt denn im Vorübergehen
und –fahren unser Bürger mit,
was er noch dringend muss erstehen
an dem und jenem Killefit.

Als Sokrates` gefühlter Erbe
mir jedes Marktgeschrei missfällt –
dies balzhaft blendende Gewerbe
um Kunden und ihr liebes Geld.

Und doch kann ich mich nicht entziehen
dem, was verlockend da gemalt,
wenn mit dem Licht, das ihm geliehen,
es nachts in meine Träume strahlt.

Müllsorgen

MüllbergWie oft wir wohl an einem Tage,
den Deckel hoch und weg damit!,
dem Eimer in diskreter Lage
den Rachen stopfen so im Schnitt?

Ein Zählwerk, dies uns anzuzeigen,
zurzeit sie noch nicht installiern,
und auch wir selbst nicht dazu neigen,
uns alle Würfe zu notiern.

Ein Blick nur hinter die Kulissen
die ganze Wahrheit uns enthüllt –
der Müll, den wir so weggeschmissen,
‘ne Grube, die gigantisch, füllt.

Die, mag sich noch ins Zeug so legen
der Bagger mit gefräß’gem Maul,
des lückenlosen Nachschubs wegen
nur immer stinkend voll und faul.

Und auch die Flamme, die da lodert,
wie sie verschlingt, verschluckt, verprasst,
verekelt sich an dem, was modert,
und es mit spitzer Zunge fasst.

Selbst Herkules würd’s nicht gelingen
ganz auszumisten diesen Stall –
die Forke müsst er ewig schwingen
wie’n Sisyphus als Sonderfall.

Als Umweltschützer erster Stunde
fällt mir der Sokrates da ein,
der auf dem Markt einst ging die Runde
gemächlich durch der Stände Reih’n.

Und schüttelte der Waren wegen,
die rangekarrt aus Stadt und Land,
den Kopf mitsamt dem Denkerbrägen,
weil nichts davon er nötig fand.

Wenn die bescheidne Lebensweise
bei unsereins in Mode käm,
erledigte sich still und leise
von selber auch das Müllproblem.

Neujahrsgedanken

NeujahrsgedankenHat er verheißungsvoll begonnen,
der erste Tag im neuen Jahr?
Als Herold ungezählter Wonnen,
die jede einzeln wunderbar?

Nun, ruhig ist er schon gewesen,
denn schließlich war er arbeitsfrei.
Und mancher schwang wohl seinen Besen
zum Kehraus nach der Feierei.

Das Wetter fand ich ganz passabel.
Zwar lachte heut die Sonne nicht,
doch auch der Regen hielt den Schnabel
und fiel nicht aus der Wolkenschicht.

Ein wenig kühler, will mir scheinen,
war’s doch als gestern noch bei Tag –
es fröstelte mich an den Beinen,
wenn ich so auf dem Sofa lag.

Von bösen Omen nicht die Bohne.
Kein schwarzer Kater ließ sich sehn.
Kein Käuzchen, das mit hohlem Tone
die Jahre zählt, die noch vergehn.

So kann man keine Schlüsse ziehen,
so bleibt die Zukunft rätselhaft.
Werd summend ich in Blumen knien?
Schmeck ich sokratisch Bilsensaft?

Wozu indes soll ich mich sorgen?
Es bleibt doch alles wie bisher.
Ist nicht der Schnee, der Schnee von morgen,
der gleiche wie von gestern der?

 

Abendlied

AbendliedHätt ich’s nicht tausendmal beschworen,
weiß Gott, ich pfiff’s euch wieder zu –
das Lied der Nacht, die just geboren
aus Dämmerung und Abendruh.

Doch will ich nicht den Mond besingen,
wenn er sich groß mit Licht auch sträubt,
so wenig wie die Engelsschwingen,
die ganz mit Sternengold bestäubt.

Kein Wörtchen auch von jener Kühle,
die dampfend aus den Mauern steigt,
dass sie die Straßen überspüle
mit einem Dunst, der frostig schweigt.

Und auch den Wind soll nicht beschreiben
die Feder, die ich heute führ,
der flau vom fleiß’gen Blättertreiben
jetzt nicht mehr rüttelt an der Tür.

Noch wen’ger will ich davon schwätzen,
dass kaum ein Auspuff wo noch pafft
und Autos nicht mehr heimwärts hetzen
mit zügelloser Pferdekraft.

Ja, auch der Vögel nicht gedenken,
die ihre Flüge eingestellt
und keinen müden Piep mehr schenken
der kalten, sonnenlosen Welt.

Geschweige Menschen denn beschwören,
dern Schritte hier und da noch halln,
die umso deutlicher zu hören,
da jäh sie in die Stille falln.

Nein, nein, ich will euch heut nicht quälen
mit Sprüchen, die schon so ‘nen Bart,
und euch die Zeit, die kostbar, stehlen
für ‘ne poet’sche Butterfahrt.

Da wir nun einmal Nacht schon haben
und mörderisch gespannt ihr seid,
will ich nach seltnen Versen graben
im Schutze dieser Dunkelheit.

Schon kommt mir einer auf die Schippe,
den, Jesses!, ich noch nie gesehn:
„Als Sokrates würd mit Xanthippe
allmählich ich jetzt schlafen gehn.“

Ein Schmuckstück. Doch herbeigezogen
wie an des Kairos schopf’gem Haupt.
Na, nichts für ungut; bleibt gewogen,
dem, der euch so die Nerven raubt!

Keine Ahnung

Keine AhnungAls Literat geht an der Nase
‘ne Menge einem doch vorbei.
Was weiß von Säure ich und Base?
Was weiß von Kobalt ich und Blei?

Was von den andern Elementen,
aus denen sich erbaut das All?
Und wie sich einten oder trennten
die Teilchen nach dem Großen Knall?

Was weiß ich denn schon von der Rose,
die an verborgner Hecke blüht
und wie im Gras die Herbstzeitlose
sich standhaft durch den Sommer müht?

Was weiß von Esche ich und Eiche,
dern Stamm hochauf zum Himmel ragt,
was von dem Weidenbaum am Teiche,
der stumm ihm seine Trauer klagt?

Was weiß ich von den trauten Tauben,
aus Klüften stammend, wüst und wild,
in Giebeln hausend jetzt und Gauben,
der Felsenheimat Ebenbild?

Ja, nicht einmal die Stubenfliege
ist mir des Näheren bekannt,
obwohl ich doch schon in der Wiege
begafft ihr Krabbeln an der Wand.

Und die da treiben, die Gestirne,
in ihrer tödlich eis’gen Nacht,
was haben in der Dichterbirne
sie an Erleuchtung schon entfacht?

Sei’s selbst der treueste Begleiter
der Erdenheimat, unser Mond –
was weiß ich denn schon von ihm weiter,
als dass er übern Wolken wohnt?

Die Welt spricht mit Millionen Zungen,
so wie im Wind der Wipfel Laub –
doch wie gesprochen, so verklungen:
Dies Rauschen macht die Ohren taub.

Nur so ein klitzekleiner Fetzen
der kosmischen Beredsamkeit
pflegt in die Seele sich zu setzen,
die ihm auch prompt ihr Leben weiht.

Doch müssen des wir uns nicht schämen
(fürs Ganze fehlt uns das Organ),
den Krümel für den Kuchen nehmen,
den Tropfen für den Ozean.

Und mit Nichtwissen uns begnügen
wie einst ein Weiser in Athen,
statt in die Tasche uns zu lügen:
„Man muss nur wollen, wird schon gehn.“

He, stopp! Was soll das Räsonnieren!
Wie mich doch stets der Hafer sticht,
mich in Sentenzen zu verlieren.
Mach Lyrik, Mann, kein Lehrgedicht!

Lass lyrisch wenigstens noch enden,
was so gedankenvoll begann:
Streu unbesehn mit vollen Händen
noch Verse, die der Bauch ersann!

Just steigt der Mond aus Himmelstiefen,
von Licht erfüllt das ganze Rund,
wie einer, den Schamanen riefen
beschwörend mit geweihtem Mund.

Vom unt’ren Rand indes der Scheibe
kriecht schwärzlich was wie Rauch empor,
dass es den schönen Glanz vertreibe,
und schiebt sich schließlich ganz davor.

Ach, Himmelsfreund, die dunklen Schwaden
verdarben dir den Lichteffekt –
wie soll die Nacht im Vollmond baden,
wenn kläglich er in Wolken steckt?