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Lobbywirtschaft

Sich nur dem Wettbewerb zu stellen
mit ungewissem Resultat,
erscheint in Tausenden von Fällen
dem Produzenten nicht probat.

Drum knöpft er die Entscheidungsträger
in seinem Wirtschaftszweig sich vor
und setzt als Interessenpfleger
‘nen kleinen Mann ihnen ins Ohr.

Und dieser flüstert ohne Ende,
rhetorisch auf dem neusten Stand,
dass Obigem man möglichst spende
den Segen ihrer starken Hand.

Die kann Gesetze dann erlassen
und/oder pusht per Subvention
und füllt der Branche ihre Kassen
mit dem erhofften Lobbylohn.

Natürlich lässt sich leicht vermuten,
dass da ‘ne Menge Schmu im Spiel
und unsre Steuerzahler bluten
für manchen oberfaulen Deal.

Will auf ein Beispiel mich beschränken,
da ich nicht alle nennen kann,
und eure Aufmerksamkeit lenken
auf den modernen Ackersmann.

Der geht den Turbotrecker starten
und auf das weite Feld verbringt
in tausend technisierten Fahrten
die Gülle, die zum Himmel stinkt.

So will er die Erträge mehren
des Korns, das er da angebaut,
und ohne sich darum zu scheren,
ob die sich bös im Boden staut.

Schreit: Friede unsren Bauernhütten,
doch Krieg der Umwelthysterie!
Verteidigt euer Recht zu schütten,
womit seit je die Frucht gedieh!

Dabei weiß er auf seiner Seite
die Stentorstimme für das Land,
dass sie ihm Sonderrecht erstreite –
den bäuerlichen Dachverband.

Und Vielfalt weicht den Einheitsfluren,
dem Flächenfraß mit Pflug und Dung.
Des Lerchensangs Koloraturen
verkümmern zur Erinnerung.

Blütenschau

Es pilgern ganze Völkerscharen
in Japan zu der Blütenpracht,
wie sie die Kirschen offenbaren,
wenn zeitig sie im Lenz erwacht.

Man lagert unter rosa Kronen,
bestaunt den reichen Baumbestand,
um ab und zu sich zu belohnen
mit einem Häppchen Proviant.

Soll diesen Brauch man ihnen neiden?
Um Picknick es dabei nicht geht:
Man will sich an der Schönheit weiden,
solang sie noch in Blüte steht.

‘s ist eher eine Trauerfeier
für dieses Lebens flücht’gen Glanz,
denn bald zerreißt den zarten Schleier
der Wind im wilden Totentanz.

Doch sind sie wirklich zu beklagen,
die dieses triste Los uns lehrn
und in des nächsten Frühlings Tagen
am selben Aste wiederkehrn?

Wie anders unser Menschenleben,
das sich doch für was Bessres hält:
Es kann sich einmal nur erheben
und bleibt so liegen, wenn es fällt.

Über-All

Gewiss ist nicht gut Kirschen essen
mit solchen Hünen von Gestalt,
von keiner Elle auszumessen
in diesem großen Märchenwald.

Bei Supertypen so wie diesen
verblasst das schönste Gardemaß,
drum heißen sie hier „Überriesen“ –
Pedanten ein gefundner Fraß.

Nicht alle sind sie tumbe Toren
mit weniger Verstand als Mut,
‘ne Handvoll ist auch plietsch geboren –
die „hellen“ mit dem blauen Blut.

Doch auf des Spektrums bunter Wiese
tummelt noch mehr sich dieser Art,
darunter auch der „Unterriese“,
den man noch häufiger gewahrt.

Dann sind da noch die dicken „Roten“,
denen die Mühe anzusehn,
dass alle Kraft sie aufgeboten,
in jenen Kreis sich hochzublähn.

Doch sollte sich nicht auch verbergen
im Schatten der Titanenwelt
ein wuseliges Volk von Zwergen,
das nicht so schnell ins Auge fällt?

Natürlich. Und man kann nur staunen,
wie groß die bunt gemischte Schar:
Von roten, weißen, schwarzen, braunen
gibt’s mehr als von den Riesen gar.

Auch hier die feinen Unterschiede,
die typisch für Hephästus‘ Werk:
Reicht nicht der Gnom aus seiner Schmiede?
Er schuf auch noch den „Unterzwerg“!

Doch alle haben sie ein Faible
für dies verwunschene Gehölz –
versteinert, kalt und voller Nebel
im Hagel sausenden Gerölls.

Wo’s außerdem an allen Ecken
wie in ‘nem Hexenkessel gärt,
dem ein Geschlecht von neuen Recken
wie Thebens Drachensaat entfährt.

Ihr Trost indes: Die Lebensdauer.
Nichts wirft so leicht sie aus der Bahn –
was ja die fleiß’gen Sternbeschauer
im alten Babylon schon sahn.

Doch irgendwann nimmt auch ein Ende,
was ewig und drei Tage währt,
verglimmen die gewalt’gen Brände,
von denen sich ihr Körper nährt.

Der bäumt sich, zuckend unter Qualen,
noch einmal auf und detoniert,
eh ledig er der äußren Schalen
als Torso weitervegetiert.

Und kann dabei von Glück noch sagen,
dass er nicht schwerer von Gewicht –
sonst hätt es ihn gar fortgetragen
in eine Hölle ohne Licht.

So herrscht hier niemals Langeweile,
die Dinge sind in stetem Fluss,
dass jede quadrillionste Meile
man mit ‘nem Drama rechnen muss.

Von Weitem nur nicht zu erkennen:
Am Wurmfortsatz ‘ner Galaxie
‘ne ganze Menge wir verpennen,
was unsrer Weisheit Flügel lieh!

Die zahllos da wie Käfer glühen
in einer lauen Sommernacht,
sie lassen Fantasien erblühen,
die sie zu lauter Göttern macht.

Und sind doch nur aus Frost und Feuer
zum Ball geborne Missgestalt,
brutale Sternenungeheuer
im wüsten Schauermärchenwald.

Urbane Reize

urbane-reize-van-goghHier ward der Mond zum Gegenstand,
der keinen Reiz mehr hat.
Von Schönheit voll bis an den Rand
ist selber ja die Stadt.

Wie farbig ist der Straßenraum
mit Bildern ausgeschmückt,
dass jedes Haus und jeder Baum
von Werbung fast erdrückt!

Die Bauten selbst, Paläste schier
aus Stahl und aus Zement,
begeistern sogar den Polier,
der schon Manhattan kennt.

Und dieser Plätze Mobiliar!
Geklump aus Schrott und Stein!
Doch eingestuft als „wunderbar“
vom hies’gen Kunstverein.

Auch in den Buden ist was los,
da geht die Luzie ab!
Da lacht sich selbst ein Trauerkloß
die Tränensäcke schlapp.

Hier Jahrmarkt, nur hereinspaziert!
Da Kino-Flimmerwelt:
Ein jeder findet und goutiert,
was immer ihm gefällt.

Und überall dies Tütata
von cremig gelbem Licht,
das dröhnend auf der Retina
von groben Lüsten spricht!

Dies zieht die Blicke magisch an,
erfüllt die Seele ganz,
dass keiner sich entziehen kann
dem städt’schen Totentanz.

Man jagt nach Flitter und nach Tand,
nach seichter Gegenwart,
und wähnt sich dabei weltgewandt
nach bester Spießerart.

„Für uns zwei Bierchen, bitte sehr!
Und Premium-Qualität!“
So gibt selbst ein Gesöff Gewähr,
dass man im Leben steht.

Vor so viel blindem Unverstand,
da wird mir richtig flau:
Man steckt die Rübe in den Sand
und hält sich noch für schlau.

Indes am Himmel immerdar
nimmt’s Drama seinen Lauf –
es tritt die ganze Sternenschar
persönlich darin auf.

Da über unserm Kopf direkt:
Der permanente Clou,
gewaltig, ewig und perfekt –
und kostenlos dazu!

In Nichtigkeiten sich verrennt,
wer unter Neon wohnt.
Es schaut auf ihn vom Firmament
und wundert sich: der Mond.

Loblied auf den Sommer

loblied-auf-den-sommer-van-goghSo eines Sommers gute Seiten
ich mal Revue passieren lass,
soweit sie mir halt Spaß bereiten –
nicht unbedingt ‘nem Butterfass.

Beschränk mich darauf, aufzuzählen,
was grad mir in den Sinn so fliegt.
So: Vogelsang aus vollen Kehlen.
So: Korn, das sich im Winde wiegt.

So: Wiesen, die in Blüten prangen,
um die’s in hellen Scharen schwirrt,
da mit des Hirschs gewalt’gen Stangen
ein Käfer durch die Halme irrt.

Und Picknick unter freiem Himmel
plus Nickerchen in weiter Flur.
Gesumm behütet’s, fern Gebimmel:
Feld-, Wald- und Wiesen-Seelenkur.

So auch sich in die Brandung stürzen
vom glühend aufgeheizten Strand,
mit einem Salz die Haut zu würzen,
das Neptun schon erfrischend fand.

Auf trägem Fluss im Kahn zu treiben,
von kau’nden Kühen stumm beäugt.
Sich nicht beeilen. Nirgends bleiben.
Dem Wind gleich, der die Ähren beugt.

Vielleicht auch Fleisch in dicken Streifen
der Glut des Rostes anvertraun,
bis sie zum Braun des Tabaks reifen
und weich und saftig sich zerkaun.

Auch wenn, zu schonen sie, bisweilen
die Pferde Helios wen’ger hetzt,
gilt’s froh in die Natur zu eilen,
die nie so reich und bunt wie jetzt.

Selbst Stubenhockern kann’s passieren,
dass sie aus ihrer Bildschirmwelt
in einen Sommer sich verlieren,
der ihnen analog gefällt!

Elogen-Ende. Sommerseiten
enthalten oft auch dieses Blatt:
Für Schwüle ideale Zeiten.
Erfrischung: Blitz und Donner satt.

Normales Defizit

Normales DefizitAls Irrer müsste Worte ich nicht wägen,
schrieb einfach nur nach Maul und nach Gemüt
’ne Hand voll Reime aus verkorkstem Brägen,
und schon zur Lesung mich die Szene lüd.

Hätt Vincent sich sein Ohr nicht abgeschnitten,
und läg er nicht mit Theo Seit an Seit –
noch heute wärn die Krämer unbestritten
zum Kauf der kühnen Striche nicht bereit.

Wer würde auf Villon ‘nen Sou nur geben,
hätt er als Pfaff gedichtet und als Christ,
anstatt gehetzt und vogelfrei zu leben
am seidnen Faden einer Galgenfrist?

Und auch Rimbaud, des Verse uns erklingen
wie eines Wunderkindes Melodie:
Was wär er ohne diese Todesschwingen,
die ihm Äthiopiens Höllenhitze lieh?

Des Schaffensgeists gediegenste Produkte –
was weiß die Menge schon von ihrem Wert?
Ästhetik ist’s nicht, was sie jemals juckte –
der Ruhm nur, der auf ihrem Trittbrett fährt.

Bei mir läuft da nun nix auf dieser Schiene,
bin so normal, dass es zum Himmel stinkt:
Kein Dämon hinter biedrer Bürgermiene,
kein Faust, der einem Teufel sich verdingt.

Ich halt es mit dem alten Stagiriten:
in Sophrosyne meine Tugend such;
kann den Banausen absolut nichts bieten,
nicht mal ein Ruhmesblatt im Guinness-Buch.

So stehn denn vor der Musenrichter Schranken
allein und schutzlos meine Verse da,
die Worte nur für sich und die Gedanken,
dazu noch das formale Trallala.

Ein leichter Job gewiss für die Juroren,
kein echter Prüfstein für ihrn Sachverstand –
total auf Sensationen eingeschworen,
hebt für die Kunst sich keine müde Hand.

O könnt ich nur der Mäßigung entsagen,
dem Käfig goldigen Gemüts entfliehn,
ich packte sämtlich sie bei Arsch und Kragen,
dass sie nach Jesus und der Jungfrau schrien!

Nach altem Brauch: Wen mit der Birne stoßen
recht grob und schmerzhaft auf ein Lernobjekt,
dass er den Prüfungstag, den zünft’gen, großen,
auf ewig sich hinter die Ohren steckt.

Schön wär‘s! Begeist’rung lässt sich nicht erzwingen,
den Sinn für Kunst, den bläut man keinem ein –
die Ochsen zieh an ihren Nasenringen,
das Sabbern lassen sie dabei nicht sein.

So kann ich nur noch auf ein Wunder warten,
auf die Gourmets der Poesie an sich –
doch diese Hoffnung selbst hat schlechte Karten:
Bei 13 Strophen kriegt sie keinen Stich!

Fahrtenschreiber

FahrtenschreiberWas, wie, wann, wo? Wer kennt das Ende
der Rundfahrt durch die Erdenwelt –
da selbst den Anfang man nicht fände,
weil andere den Platz bestellt?

War immerhin ‘ne schöne Reise,
soweit man’s jetzt schon sagen kann.
Die Wagenräder liefen leise,
im Gleichschritt zog das Rossgespann.

Vorbei an tausenden Stationen
mit ihrem wechselnden Gesicht –
Altären, Kanzeln, Kaiserkronen,
Gemüsemarkt und Amtsgericht.

Und keiner hat dich überfallen,
sogar in tiefster Waldesnacht
hört‘ man das Halali nur schallen,
doch die Trompete nicht zur Schlacht.

Nur in der Ferne immer flammten
mal hier, mal da die Brände auf,
wo Böcke sie in Mauern rammten
in mörderischem Amoklauf.

Könnt es denn so nicht weitergehen
erschüttrungsfrei im Zuckeltrab,
bis sich die Augen blindgesehen
und abgewetzt der Wanderstab?

Würd jener Regel widersprechen,
die irgendwo ein Ziel verlangt.
Da gilt die Tour es abzubrechen,
selbst wenn sich Efeu darum rankt.

Manager

Manager2Natürlich immer schick in Schale.
Die Wangen glatt und gut gebräunt.
Krawatte: strenge Vertikale.
Und sportlich fit. Kein Tabakfreund.

Daran gewöhnt, zu kommandieren.
Wo nötig, auch mal mit Gekläff.
Sein Hobby ist das Bilanzieren.
Man sieht: Von Kopf bis Fuß ein Chef.

Dass, spitze er an Rang und Gage,
auch baulich stets am höchsten hock,
liegt seine Residenzetage
dem Himmel nah im letzten Stock.

Und näher auch den Göttersphären
als dem Portier und dem Pedell
und all den Klammern, Heftern, Scheren
vom unteren Gehaltsmodell.

Wer’s wagt indessen vorzudringen
bis an den heiligen Bezirk,
muss erst die Sekretärin zwingen,
dass Audienz sie ihm erwirk.

Da kann man allerdings verschimmeln.
Denn darauf ist sie ja geeicht,
zunächst mal alles abzuwimmeln:
„Nicht heut, nicht morgen. Doch vielleicht…“

So weiß den Nimbus er zu wahren.
So hält er alle auf Distanz.
Im Äther thront er hoch, im klaren.
Und unter ihm der Rattenschwanz.

Büro, gewiss, mit Großraummaßen.
Gestühl und Schreibtisch exquisit –
was Gästen, die da schon mal saßen,
gediegenen Geschmack verriet.

(Und weil ein solcher Wirtschaftsführer
nicht wie’n Banause haust im Loch,
hängt da die „Sternennacht“ von Dürer
sowie der „Hase“ von van Gogh.)

Versteht sich aufs Repräsentieren.
Füllt Räume, wo er geht und steht.
Wird nie den Überblick verlieren.
Geborene Autorität.

Im Wellenschlag bewegter Zeiten
wie’n Kapitän auf seinem Schiff.
Die Kurse lässt er nicht entgleiten –
er hat den Laden fest im Griff.

Und wie der Alte auf der Brücke
bestimmt er seiner Crew Geschick:
den einen zum Beförd’rungsglücke,
den andern zum Karriereknick.

Wie’n Gott kann schalten er und walten.
Die Firma macht vor ihm Kotau.
Kritik nur heimlich und verhalten.
(Erlaubt nur der Vorzimmerfrau.)

Lässt sich im Leben mehr erwerben
als Status, Kompetenz, Respekt
und Wohlstand, den man seinen Erben
als Bonus in die Wiege steckt?

Wie lange hat er sich geschunden,
bis er auf diesem Gipfel stand –
und manchmal auch verflucht die Stunden,
da er so hoch sich einsam fand!

Und schaut in seltnen Augenblicken
er fragend auf die Lebensuhr,
dann zeigt sich, dass in ihrem Ticken
zerrann auch seiner Jahre Spur.

Erfolg, die Leib- und Magenspeise,
die ihm die Schinderei gewürzt,
was nützt er auf der letzten Reise,
wenn’s Kartenhaus zusammenstürzt?

Zu spät, um noch Bilanz zu ziehen
für eine Revision zur Not.
Bald lässt der wahre Boss ihn knien:
im Souterrain der Tod.

Mondaufgang

MondaufgangSchon aufgefahrn ‘ne ganze Strecke,
kommt grad er hinter Dächern vor,
sieht aus mit seiner fehl’nden Ecke
wie Vincent mit verbundnem Ohr.

‘ne Piepe jetzt nur noch im Munde,
dann wär die Illusion perfekt,
dass in des Monds sensiblem Runde
vergöttlicht unser Maler steckt.

Na ja, wer wird an Wunder glauben –
ein Spiel nur müß’ger Fantasie;
der über Firste steigt und Gauben
schon manchem sein Gesicht verlieh.

Das scheint ihn aber nicht zu scheren –
er spult sein Pensum ruhig ab,
die pflichtgeflognen Meiln zu mehren
in stetigem Trabantentrab.

Man meint, er hätte keine Eile,
wenn man nur flüchtig ihn gewahrt –
begafft man ihn indes ‘ne Weile:
„Na, der ist aber fix in Fahrt!“

Jetzt ist er schon ein Stück gestiegen
und treibt im offnen Himmelsmeer.
Wie fern ihm schon die Dächer liegen,
o Küste ohne Wiederkehr!

Dann ist der Spuk auch schon verschwunden,
der Ozean hat ihn verschluckt –
Beginn der langen, langen Stunden,
in denen man ins Leere guckt.

Die Nacht, sie macht mir Angst und Bange,
glimmt traulich nicht ein Lämpchen wo –
als wäre heimlich was in Gange,
als ob ein Ungewitter droh!

Im Kosmos meiner kleinen Kammer
ist stets ein Lichtlein aufgestellt,
verscheucht mir solchen Katzenjammer,
wenn mondgleich es mein Blatt erhellt.