Schlagwort-Archive: Virus

Vorratswirtschaft

Gewohnt, im Laden das zu kriegen,
was uns im Haushalt grade fehlt,
muss man nicht in die Puschen fliegen,
weil hopp! jede Minute zählt.

Steht aber irgendwo geschrieben,
dass dies ein ehernes Gesetz?
Hab heut die Augen mir gerieben
beim Fischzug mit dem Einkaufsnetz.

Die Reih um Reih sich stets empfahlen,
zum Bersten voll und gut gepflegt,
von diesen blühenden Regalen
warn etliche wie leergefegt.

Als wären sie von Ladendieben
nach Strich und Faden ausgeräumt,
die gründlich ihre Kunst betrieben
und dann verduftet ungesäumt.

Doch seltsam, dass die Luxusgüter
vergaßen sie sich grad zu kralln,
nicht aber jene Ladenhüter,
die, hart und haltbar, nicht verfalln.

Und grade die solln Gaunern munden?
Die ziehn ihr Maul wohl eher schief.
Vermutlich warns normale Kunden
mit einem anderen Motiv.

Ja, Hamsterer ‘nes Virus wegen,
der neu und auf dem Vormarsch ist,
dass mancher wünscht, sich anzulegen
‘nen Notvorrat für längre Frist.

Na, immerhin warn meine Sachen
in vollem Umfang noch präsent,
Abstriche musste ich nur machen
beim Wein, wie ihn mein Gaumen kennt.

Da dachte ich zunächst verdrossen,
ach, nichts mehr da vom bill’gen Kram,
doch statt zu dürsten, kurz entschlossen
ich mit dem teuren vorliebnahm.

Ja, selbst von den begehrten Lagen
in dem geplünderten Revier
fand schließlich noch in meinen Wagen –
die letzte Rolle Klopapier.

Fenstermusik

Das muss den Menschen man ja lassen,
die blind oft für des Nächsten Not:
Wie hilfreich sie sich unterfassen,
sitzt leidend man im selben Boot!

Seht nur die tapfren Milanesen,
die in der Stube arrestiert,
damit so ein Mikroben-Wesen
nicht weiter in die Welt spaziert.

Wie sie die Lage sich erleichtern
humorvoll und mit Fantasie,
nicht in der Art von Sündenbeichtern
mit Culpa! und zerriebnem Knie.

Man schnappt sich Geige und Posaune
und notfalls seine Stimme pur
und setzt sich in Gesangeslaune
auf dem Balkon in Positur.

Dann wird gefiedelt und geflötet,
geklopft, getrommelt und gezupft,
bis sich die liebe Sonne rötet
und Kühle schon die Stirn betupft.

Soll Straßen-, Hausmusik man’s nennen?
Was Neues, das dazwischenliegt.
Für Nachbarn, die sich gar nicht kennen,
zu denen so Kontakt man kriegt.

Ein Dirigent ist nicht zur Stelle.
Man musiziert nach Herzenslust
in einer jäh erwachten Welle
gegen das Virus und den Frust.

Da kreuzen sich gewiss die Klänge
auf ungewollt moderne Art,
dass es dem Freak die Pilgergänge
zu Cage und Ligeti erspart.

In meinem Haus ist man schon weiter.
Stets ist in Töne es getaucht,
für deren tausendstuf‘ge Leiter
man Hammer nur und Bohrer braucht.

Gut isoliert

‘ne Übung, die an jedem Tage
so nebenbei man absolviert,
ist neuerdings mit einem Schlage
zum Medienthema avanciert.

Das gute alte Händewaschen,
ganz selbstverständlich nun einmal,
fällt plötzlich nicht mehr durch die Maschen
in deinem Info-Netz-Kanal.

Und wer ist schuld, dass man dem Schmutze
der Flossen grad zu Leibe rückt?
Das Wohlergehn, zu dessen Schutze
man diese sich auch nicht mehr drückt.

Ein Virus, das der Teufel reitet,
verschlug es in die Menschenwelt,
wo’s wie im Fluge sich verbreitet,
indem die Lunge es befällt.

Das muss das Schlimmste nicht bedeuten
und lässt sich meistens überstehn,
kann bei geschwächten alten Leuten
indes auch in die Hose gehn.

Arzneien sind noch nicht erfunden,
die es berauben seiner Kraft;
die wird nur dadurch unterbunden,
dass man kein Sprungbrett ihm verschafft.

Hast du den Räuber schon im Leibe,
behalt gefälligst ihn bei dir,
dass er nicht Wilderei betreibe
in einem größren Jagdrevier.

Das Zauberwort heißt Quarantäne.
Denn jemand, der sich infiziert,
wird, Hauptgebot der Notfallpläne,
von allen andern isoliert.

Als Senior der Rentnertruppe,
den manches Zipperlein schon plagt,
gehör ich zur Gefahrengruppe
„Schon angeschlagen und betagt“.

Muss ich in Panik nun geraten
und meine Muse auch gleich mit,
die statt mit Versen, delikaten,
jetzt droht mit billigem Verschnitt?

Ach, könntet ihr mich hier so sehen,
so über alle Hürden hin,
ihr würdet sicher gleich verstehen,
warum ich nicht gefährdet bin.

Geschätzte Anzahl der Kontakte?
So wie ein Klausner allenfalls.
Da bleibt der Winzling, der vertrackte,
gewiss als Gast mir auch vom Hals.

Doch weitre Vorsicht ist geboten.
Ich nehm kein Risiko in Kauf.
Wasch mir jetzt öfter noch die Pfoten.
Hier bitte, meine Hand darauf!

Demobilisierung, biologisch

DemobilisierungEin Kriegsherr, dem Gewalt gegeben
gleich Göttern über Tod und Leben,
dem nützt auch Clausewitz nichts mehr,
zieht Hades ihn aus dem Verkehr.

Gewiss aus Fleisch und Blut geboren
und nicht aus härt’rem Material,
doch von den Zeh’n bis zu den Ohren
gleichsam erstarrt: der General.

Stocksteif sein sämtliches Gebaren,
ob er den Leib, den Geist bewegt.
Sein erster Grundsatz: Haltung wahren.
Wie einer, der ‘nen Panzer trägt.

Dabei scheint von ihm auszugehen
‘ne ruhig-überlegne Kraft –
doch ohne Wärme zu verstehen,
metallisch und maschinenhaft.

Ihm untersteht in großen Haufen
der Jugend wallend frisches Blut.
Das lässt er mit den Feinden raufen
um Werte so wie Geßlers Hut.

Er muss sich in den Dreck nicht wagen,
liegt ohne Läuse im Quartier
und bürstet sich vom Spiegelkragen
ein letztes Stäubchen da und hier.

Auch wenn Chronisten später schreiben,
die Lage war längst aussichtslos,
lässt er sie ins Verderben treiben,
die halb noch in der Mutter Schoß.

So ist er denn ein Held geworden,
wie’s möglich nur in großem Stil:
durch hunderttausendfaches Morden.
Und wär doch einer schon zu viel.

Wem aber solche Macht gegeben,
dass vor ihm alles bleicht und bebt,
wie anders dass sein Tun und Streben
ihn jedes Maßes auch enthebt!

Ja, diese Machtvollkommenheiten,
sie machen seine Seele blind –
er glaubt sich Seit an Seite schreiten
mit Wesen, die unsterblich sind.

Und wie er wieder einmal kläffte
und kommandiert’ mit breiter Brust,
erlag im Vollbesitz der Kräfte
er eines Virus Kampfeslust.

Der grade noch die Himmelsscharen
sich in Gedanken unterstellt,
ist kläglich jäh hinabgefahren,
zu ruhn auf einem Gräberfeld.

Man hob ihn in den Leichenwagen
und schlug den Weg zum Friedhof ein.
Er durfte alle Orden tragen.
Der Tod wird schwer beeindruckt sein.