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Kleiderspektrum

In irgendeinem fernen Lande,
ich hab vergessen, wo es lag,
pflegt man zu wechseln beim Gewande
die Farbe jeden Wochentag.

Am Montag, hab ich noch behalten,
zieht gerne man was Gelbes an
und auf der Straße die Gestalten
fast nicht mehr unterscheiden kann.

So geht’s die ganze Woche weiter,
Orange, Grün und Himmelblau,
dass von der Regenbogenleiter
man schließlich jede Stufe schau.

Mir scheint, ein praktisches Verfahren,
das einen großen Vorteil hat:
Man geht, sich Grübeln zu ersparen,
als wandelndes Kalenderblatt.

Guck einfach nur auf Rock und Hose,
dann weißt du, was die Stunde schlägt,
und ob das kräft’ge Rot der Rose
dich heute durch den Sonntag trägt!

Dank dieser modischen Marotte,
die mehr ist als nur amüsant,
setzt niemand aus sich auch dem Spotte,
dass ihm das Spektrum unbekannt.

Ich würd sogar noch weitergehen
und diesen Menschen unterstelln,
dass sie des Lichts Natur verstehen
und seine wundersamen Welln.

Doch mag man noch so sehr sich mühen
in jenem fernen Erdenkreis –
wenn alle Kleider bunt erblühen,
wird doch nicht eine Weste weiß!

Schöner Schein

Wie könnt man schmatzen, schlurfen, husten,
wär auf ‘ner Insel man allein,
ja, Winde aus dem Hintern pusten,
wo niemand pinkelt dir ans Bein!

Das, was man in der Kinderstube
dir als Benimm aufs Brot geschmiert,
es stammt ja aus der Salbentube,
mit der man die Natur kaschiert.

Wer würd sich nicht gern gehen lassen
frisch einfach von der Leber weg,
die Keule mit den Fingern fassen,
statt zu bekämpfen mit Besteck?

Stattdessen stehst du mit Krawatte
als fleischgewordener „Betreff“
an jedem Morgen auf der Matte
und machst dein Männchen vor dem Chef.

Die Hose faltenfrei gebügelt,
das Hemd manierlich zu geknöpft,
hast zivilisationsgezügelt
du dich im Stofflichen erschöpft.

Doch geht nicht geistig alles weiter
mit diesem biedren Maskenball,
damit auf der Karriereleiter
man reibungslos nach oben fall?

Ein bisschen Anstand kann nicht schaden,
das gebe ich natürlich zu,
man muss in Schlamm nicht grade baden,
damit man sich was Gutes tu.

Doch eine Uniform zu tragen,
das heißt den Standard im Büro,
scheint auch mir aus der Art zu schlagen:
Man wird zum Menschen comme il faut.

Man kümmert sich aufs Allerbeste
ums äußerliche Drum und Dran,
um eine blendend weiße Weste
und seinen Ruf als Saubermann.

Ja, grad die größten Massenschlächter,
dern Schäbigkeit zum Himmel stinkt,
warn meistens eifrige Verfechter
des Segens, den die Seife bringt.

Den Leuten gleich ins Herz zu schauen
uns mehr von ihnen offenbart,
als ob sie manchmal Nägel kauen
und sich was brabbeln in den Bart.

Doch nun genug der Weisheitslehre –
ganz frech und formlos: Ende. Aus.
Und was, wenn höflicher ich wäre?
Dann käm ein Epos dabei raus.