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Wintereinbruch

Dass sie doch einmal weiß noch werde,
bevor der Lenz sie überblüht,
schickte der Himmel Schnee zur Erde,
in feinen Flocken hingesprüht.

Die flauschig graue Wolkendecke
schlug er heut Morgen gar nicht auf
und ließ dafür an jeder Ecke
den flücht’gen Federn ihren Lauf.

Wie ihre Freiheit sie genossen!
Warn völlig außer Rand und Band.
In Wirbeln kamen sie geschossen
und stürzten sich aufs dürre Land.

Das ging den ganzen Tag so weiter,
sie gaben einfach keine Ruh,
machten sich langsam immer breiter
und nahmen auch an Höhe zu.

Am Abend lagen sie in Wehen
auf jedem Pflaster, Baum und Strauch,
dass man versinken musst beim Gehen
in ihrem aufgeblähten Bauch.

Nicht nur romantisch anzuschauen
war dieses schimmernd weiche Weiß,
man konnt auch einen Schneemann bauen
mit Brocken seines feuchten Breis.

Wie aber sollt die Freude teilen
das Bäumchen da am Wegesrand,
das, seiner Zeit vorauszueilen,
schon fleißig Blüten ausgesandt?

Von eisigem Gespinst umwoben,
die Blätter schon geknickt und schlapp,
mit feinem Rosa sie sich hoben
kaum merklich noch vom Grunde ab.

Fallobst

Bisher hab vor den Jahreszeiten
noch keinen Bammel ich verspürt,
da sie behutsam vorwärtsschreiten,
wie von ‘nem Blindenhund geführt.

Wie denn im Frühling sich nicht freuen,
wenn aus der Erde reichem Schoß
die alten Schätze sich erneuen,
die kurz da eingekellert bloß?

Und wenn zur Sommerzeit die Ähren
in langen, goldgelockten Reihn,
indem sie von der Sonne zehren,
den Fluren ihren Glanz verleihn?

Und wenn auf winterharter Scholle,
mit einem Hauch von Schnee bepelzt,
die schwarze, immer würdevolle
Frau Krähe durch den Nebel stelzt?

Genauso könnt vom Herbst ich sagen,
dass es an Reizen ihm nicht fehlt,
wozu auch, weil sie Früchte tragen,
die Fülle seiner Pflanzen zählt.

Doch hier liegt auch der Hund begraben,
dass er nicht ganz geheuer ist,
denn mit den weit verstreuten Gaben
verbindet sich ‘ne Hinterlist.

Habt ihr’s schon einmal knistern hören
und jäh darauf ‘nen kurzen Knall?
Dann könnt ihr, glaubt mir, darauf schwören,
es war ‘ne Frucht im freien Fall!

Und keine Eckern, keine Eicheln
und anderes, was wenig wiegt,
die bestenfalls den Scheitel streicheln
dem, der davon was abgekriegt.

Du hast ‘nen kleinen Trip genossen
und biegst in deine Straße ein,
da bombardiern dich mit Geschossen
die Bäume gleich am Wegesrain!

Was aber sind das für Kaliber –
kaum mag ich meinen Augen traun!
Ein Traumformat für Waffenschieber:
Groß, kantig, hart. Kastanienbraun.

Mangelware Schnee

Mangelware SchneeWo bleibt denn bloß der Schnee, ihr Lieben?
Wir haben schließlich Januar –
da müsste man in Massen schieben
das weiße Zeug vom Trottoir!

Nicht eine Flocke ließ sich blicken,
seitdem der Winter eingekehrt,
das Pflaster mit Kristalln zu spicken,
darauf die Sohle Schlitten fährt.

Meist tief und dicht von Dunst verhangen,
schien oft der Himmel gleich zu schnein.
Dann hat’s zu regnen angefangen
aus Wolken, die nur Wasser spein.

Und wieder fiel nicht der ersehnte,
die Welt verklärnde Niederschlag,
nein, weiter jene nackt sich dehnte
mit ihrem schmutzigen Belag.

Und dass die Winde stürmisch blasen,
passt auch in dies gestörte Bild
von der Natur verschobnen Phasen,
bei denen keine Regel gilt.

Sie jagen keine Kälteschauer
uns übers zitternde Gebein,
ach, linder wehen sie und lauer
als in des Frühlings Sonnenschein.

Den wir als harten Burschen schätzen,
der sich bei Frost am wohlsten fühlt,
und selbst wenn eis’ge Stürme fetzen
gelassen bleibt und unterkühlt

Ist er verweichlicht gar am Ende,
gebrochen seine frühre Kraft,
der stolze Fürst der Sonnenwende
zu einem Winterchen erschlafft?

Ach was! Er meidet nur die Breiten,
die als gemäßigt ihm bekannt,
entfaltet seine Fähigkeiten
im Norden und im Bergesland.

Doch kommt der Berg nicht zum Propheten,
muss dieser halt zum Berge gehn:
Am liebsten wär im schneeumwehten,
ein Urlaub mir im Pleistozän!