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Neues von der Wiese

Neues von der WieseWie gern würd ich mit ihnen reden:
Grüß Gott, Frau Ros’, Frau Akelei –
nicht öffentlich in Blumenläden,
doch heimlich ohne wen dabei.

Würd manches Neue wohl erfahren,
an das ich nicht im Traum gedacht –
von Würmern etwa, die sich paaren,
von Käfern, die ‘n Geschäft gemacht.

Von Bienen würden sie wohl witzeln,
den Steiß von Nektar ganz verklebt,
wie sie die nächste Blüte kitzeln,
dass sie vor Zeugungslust erbebt.

Gewiss von Spinnen mir berichten,
die trippelnd ihre Haut gestreift,
den allergrößten Leichtgewichten,
auf die der Wind so gerne pfeift.

Auch solcher Klatsch käm mir zu Ohren:
Zitrönchen hat’s mit Admiral!
Klar würd ich da nicht weiterbohren –
ist ihr Ding doch, verdammt noch mal!

Von Hüpfern würde ich wohl hören,
die lendenlahm an Krücken gehn,
und führenden Zikaden-Chören
mit jährlich wechselnden Tourneen.

Vom Ameis‘ gibt’s da nichts zu sagen?
Frau Ros’ entrüstet: Grad von dem!
Der will sein Päckchen nicht mehr tragen,
macht sich’s auf meinem Blatt bequem!

Ja, blüht im Schutz der Blumen
manch schönes Domizil,
Beton nicht und Bitumen,
nur Farbe, Duft und Stiel.

Die winz’ge Welt der Wiese
im Wald von Halm und Kraut,
ich hab sie ja als Riese
von ferne nur geschaut.

Die Wesen, die da wimmeln,
kriegt wohl man zu Gesicht –
von ihren Hölln und Himmeln
weiß man die Bohne nicht.

Am besten man mutierte
nach Kafka zum Insekt
und hautnah inspizierte,
was so dahintersteckt.

Ja, dass in ihren Bleiben
Quartier man selber nehm –
dann gält’s wohl neu zu schreiben
den wunderbaren Brehm!

Doch fort mit den Rosinen
und kühlen Kopf bewahrt!
Nie hat die Sonn’ beschienen
’nen Winzling solcher Art!

Die Blumen aber kennen
den Kosmos dort am Grund
und könnten ihn uns nennen
mit ihrem Blumenmund.

Würd gern mit ihnen sprechen,
mit Akelei und Ros’ –
doch Blumen, die wir brechen,
sie schweigen immer bloß.

Immer windwärts

Immer windwärtsDer Ventilator mir im Rücken
sich schneller als ein Mühlrad dreht,
um Wind sich aus dem Balg zu drücken,
der wogend mich und kühl umweht.

Wär sonst auch gar nicht auszuhalten
bei schwülen 26 Grad.
Aus allen Poren, allen Falten
sucht Schweiß sich seinen Wanderpfad.

Der vormals leidlich steife Kragen,
dern Hals als breites Band umschließt,
wie’n Lappen nun darumgeschlagen,
der weich in salz’gem Sud zerfließt.

Weg mit der schleimigen Kompresse,
weg mit dem durchgeschwitzten Hemd!
Und was am Leib noch pappt an Nässe,
das wird vom Quirl davongeschwemmt.

Was soll ich mich erneut beklagen
über die Hitze-Euphorie,
die viele auf der Zunge tragen
geduldig wie das liebe Vieh?

Denn wird mir diese Glut zu krude,
muss ich mal dringend aus dem Haus –
wetz rasch ich wieder in die Bude,
knips hinter mir die Sonne aus.

Und hocke, statt in Schweiß zu baden,
im schattigsten Elysium,
im Sang geborgen der Zikaden –
des Windrads seligem Gesumm.

Drinnen und draußen

Drinnen und draußenJetzt müssen ja die Rosen blühen
an Hecke und an Strauch,
mit Wangen, die wie Feuer glühen
vom heißen Zephirhauch.

Jetzt müssen ja die Lilien ragen
aus dichtbegrüntem Grund,
jetzt der die Blätter hochgeschlagen,
der Purpur-Türkenbund.

Jetzt muss mit seiner Kolbentraube
der Aronstab auch stehn,
jetzt um die heimelige Laube
der Weißdorn Blüten säen.

Jetzt glänzt am busch’gen Wegesrande
gewiss Johanniskraut,
und auf geblümtem Gartenlande
die Malve rosa blaut.

Jetzt sieht in aufgeschoss’nen Wiesen,
dern Kräuter Legion,
zuallererst man diesen:
den flammend roten Mohn.

Der Sommer führt den bunten Reigen
der Blumenvölker an,
Zikaden, die ihm dazu geigen
mit Hacke und mit Spann.

Und unsre Sonne gießt darüber
ihr Licht, das lau und lind,
indessen leichte Nasenstüber
verteilt ein lust’ger Wind.

O welche Lust und Lebensfreude
strahlt jetzt die Erde aus –
da kränkelnd ich die Zeit vergeude
im bleichen Dämmer meines Baus!

Nach dem Vollmond

Nach dem VollmondSchon ist der Vollmond durchgezogen,
und einsam wieder liegt und leer
im bleichen Schaum der Wolkenwogen
das sternenlose Himmelsmeer.

Und diese Stadt an seinem Grunde,
die tags von Leben nur so sprüht,
verkümmert jetzt zur Abendstunde
wie eine Blume, die verblüht.

Von Schatten völlig übergossen
der Häuser steinernes Gesicht.
Wie unter Lidern, halb geschlossen,
glimmt spärlich nur noch Stubenlicht.

Und wo auf gegenläuf’gen Bahnen
nie, scheint es, der Verkehr versiegt,
kann man die Straße nur noch ahnen –
ein Asphaltbett, das trockenliegt.

Wie tief ist dies urbane Schweigen,
in das nicht mal ein Hofhund bellt
und nicht einmal Zikaden geigen
ihr Nachtkonzert vom Trümmerfeld!

Ja, wenn ich es nicht besser wüsste,
ich käm wohl noch auf die Idee,
die ganze Welt ging nun zur Rüste,
dass nie sie wieder aufersteh.

So werd ich ruhig schlafen gehen,
bis Eos ihre Flügel reckt.
Soll doch kein Hahn dann nach mir krähen –
wenn sanft mich nur die Sonne weckt!