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Die großen und die kleinen Fische

Wie friedlich wogt des Meeres Weite
vor ihrem großen Horizont,
wenn sie einmal auf ganzer Breite
von Dampfern sich befreien konnt.

Heut ist dem Sonntag es zu danken,
dass Schiff für Schiff im Hafen liegt
und sich nicht zitternd an die Flanken
der grünen Wellenberge schmiegt.

Die sonst den Fischen auf der Fährte,
genießen ihren Ruhetag,
nachdem das letzte Netz sich leerte
zum wöchentlichen Fangertrag.

Ein Grund zur Freude für Sardine,
Anchovis auch und Kabeljau,
dass man mit heitrer Sonntagsmiene
sich heute auf die Straße trau?

Man weiß doch längst in diesen Kreisen,
vom Hering bis zum Edelfisch,
dass fehlnde Fänger nicht beweisen,
damit sei die Gefahr vom Tisch.

Man kann auch kläglich hängen bleiben,
wenn plötzlich man in Maschen tappt,
die herrenlos im Wasser treiben,
gerissen oder gar gekappt.

Und was ist mit den bunten Sachen,
die neuerdings sich stark vermehrn
und einen Appetit entfachen,
als ob sie Leckerbissen wärn?

Schon mancher dieser Schuppenbrüder
ist an dem zähen Zeug erstickt,
der Atem ging ihm immer müder,
bis er zu Neptun eingenickt.

Ein ewger Kampf ums Überleben
ist ja ihr Dasein ohnehin;
Pardon wird Kleinen nicht gegeben,
schwups, und im Maul der Großen drin!

Doch grade so geht’s auch da oben,
wohin man sie zum Schlachten zieht:
Die aus der Tiefe sie gehoben,
die kennen dieses alte Lied.

Die Fischer sind nur arme Schlucker,
die ihre Bäuche stopfen wolln
und deshalb täglich, tucker, tucker,
als Räuber durch die Wogen rolln.

Denn diese richtig großen Kähne,
die nicht nur fahren auf dem Meer,
sind die der Wirtschaftskapitäne
im Güter- und Finanzverkehr.

Die haben solche Dimensionen
und einen so gefräß’gen Schlund,
dass ihre Touren sich erst lohnen,
reißt alles raus man bis zum Grund.

Der Unternehmer, so die Lehre,
braucht Kapital und Wagemut,
damit er die Profite mehre.
Und denkt: Nach mir die Plastikflut!

Fischzug

Gespenstisch, ohne sich zu rühren
auch nur ein Fünkchen hin und her,
als wärn mit Tauen sie verbunden,
ein Dutzend Lichter auf dem Meer!

Indes ich meine Runde drehte,
die ich nur selten mal geschwänzt,
und hoch hinauf zu Venus spähte,
wo abends öfter sie geglänzt.

Mit einem Blick auch schon gefunden,
kein Wunder in der klaren Nacht –
so sichtbar wie die Vagabunden,
die da auf Reede festgemacht.

Was aber auf den schwarzen Wogen
so stiekum da vor Anker liegt,
ist’s ‘ne Armada, hergezogen,
dass sie den Strand im Schlaf bekriegt?

Doch nix passiert. ‘ne Lichterkette –
und richtet keinen Schaden an.
Dahinter steckt, was gilt die Wette,
ganz sicher der Klabautermann.

Hätt früher ich drauf kommen müssen;
der haust ja zwischen Heck und Back
und spielt mit seinen Geistergüssen
der Gang mal gern ‘nen Schabernack.

Bestimmt konnt er hier Fischersleute
mit einem Trick dazu verführn,
anstatt auf hoher See der Beute
halb auf dem Ufer nachzuspürn.

Da liegen sie nun auf der Lauer
und halten ihren Atem an,
worauf als flüchtiger Beschauer
ich keinen Reim mir machen kann.

Ich lass sie also hinterm Rücken
und langsam mich nach Hause schieb.
Wer weiß, wann die sich da verdrücken
mit ihrem schwachen Netzbetrieb.

Meerbedarf

Gern würd ich stärker noch genießen
des Meeres Weite hinterm Haus,
die Welln, die ineinanderfließen
bei Stille und bei Sturmgebraus.

Die Möwen, die darübergleiten
und angestrengt nach Beute spähn,
um die bisweilen sie sich streiten,
indem sie kreischend Runden drehn.

Den Horizont, auf dem die Fähren
und Kreuzfahrtschiffe balanciern,
als ob sie aus der Puste wären
und kaum sich aus dem Blick verliern.

Die Fischer, die mit frischer Brise
frühmorgens schon zum Fangplatz eiln,
damit sie ihre fette Prise
noch zeitig auf dem Markt verteiln.

Auch die grazilen Segelboote
nicht allzu weit vom Ufer weg,
zwar mit geringer Trefferquote,
doch gut gesehn als weißer Fleck.

Indes als Fischlein nicht geboren
in dieser trüben Unterwelt,
bleib lieber ich vor ihren Toren,
wo Sonnenschein den Tag erhellt.

Auch den Artisten in den Lüften
schließ ich wohlweislich mich nicht an,
weil, leidlich lahm schon in den Hüften,
so rastlos ich nicht kreisen kann.

Auch fürchte ich, die Schiffsgiganten,
von fern betrachtet grandios,
sie wärn so ohne Mast und Wanten
im Grunde völlig ausdruckslos.

Und für die schöne Kunst zu kreuzen
hab ebenfalls ich keinen Hang,
halt auch nicht viel von diesen Käuzen
mit maritimem Fachwortzwang.

Da wärn die Louis mir schon lieber,
die nicht aus Spaß das Meer befahrn,
doch täglich mit dem Arbeitsfieber,
zu fülln ihr Netz aus Seemannsgarn.

Ein einz’ges Mal hab ich betreten
so’n Trawler hier am Hafenort,
weil nach ‘nem Umtrunk mich gebeten
ein Käpt‘n nächtlich noch an Bord.

Doch kann man ja nicht ewig zehren
vom Zufall einer Kneipentour –
all diese Dinge mich nur lehren,
dass ich auf falschem Dampfer fuhr.

Das Meer noch stärker zu verspüren,
fand jäh ich einen andren Weg,
dass selbst ich bei verschlossnen Türen
mein Ohr an seine Pulse leg.

Die wunderbar gemischte Würze
aus Wasser, Schuppen, Tang und Salz
beschaff ich mir in aller Kürze
im nächsten Laden jedenfalls.

So Würfel, die zu einem Sude
mit fischigem Geschmack zergehn –
dann riecht es in der ganzen Bude,
als würd sie auf der Mole stehn!

Die kleinen Dinge

Sind’s nicht die kleinen Dinge grade,
an denen unser Herz sich freut,
so wie ans graueste Gestade
das Meer die schönsten Muscheln streut?

Soll ich dem Lappen denn nicht danken,
der freundlich mir vom Halse hält
den Staub, der gerne auf die Flanken
der ungeschützten Möbel fällt?

Soll ich die Pfanne denn nicht ehren,
die treu zu meinem Gaumen steht
und, sein Vergnügen zu vermehren,
ihm gar panierten Stockfisch brät?

Und erst das quirlige Gebilde,
dem ständig warme Luft entweicht,
dass ihre sommerliche Milde
vom Kopf bis zu den Füßen reicht?

Und auf dem Tisch die neue Decke,
die ja aus gutem Grund gummiert,
dass ich denselben nicht beflecke,
falls sich ein Bissen drauf verliert?

Ein Arsenal von Nützlichkeiten,
für die man meist kein Auge hat,
obwohl sie täglich uns bereiten
Komfort, Behagen, Frische satt!

So geht es ja mit vielen Dingen,
dern wahren Wert man leicht verkennt –
auch Versen, denen lobzusingen,
wär nur die Muse Rezensent!

Der große Rotor

Noch immer kann ich nicht begreifen,
was selbst der Kirchhahn nicht mehr kräht,
dass, lass ich meine Blicke schweifen,
die Erde scheinbar stillesteht.

Die Bäume sich im Winde wiegen,
die Wolken trägt es rasch vom Fleck –
die Kimm indes ist nicht zu kriegen
von ihrer alten Stelle weg.

Man kann sie noch so sehr fixieren,
dass man beim Ruckeln sie erwisch:
Kein Wimpernzucken, kein Vibrieren –
wie ein massiver Eichentisch.

Wo die Experten uns doch lehren,
dass dieser Globus stets in Fahrt
und, seine Tage zu vermehren,
an Tempo nicht gerade spart.

Die Crux dabei: Der Schöpfung Krone,
der Herrscher über Meer und Land,
ist winzig sogar mit Melone
und sieht so weit wie‘n Floh im Sand.

An welchem Punkt der Naseweise
den Boden auch der Erde tritt,
er dreht sich stets mit ihr im Kreise
und kriegt die Drehung gar nicht mit.

So ähnlich mag’s ‘ner Laus ergehen,
die unterm Pelz des Bären pappt
und, ständ sie auch auf ihren Zehen,
nicht sieht, wie er durchs Dickicht tappt.

(Sofern die unerforschte Seele
der Laus ich nicht korrekt erfass,
ich ihrer Gnade mich empfehle,
dass mein Fell sie in Ruhe lass.)

Und dennoch ist da wer gewesen,
der sich davon nicht täuschen ließ
und statt im Kaffeesatz zu lesen,
rein logisch auf die Lösung stieß.

Groß schien mir stets nur und verwegen
der ewig forschende Verstand,
wenn allem Augenschein entgegen
er eine neue Wahrheit fand!

Blütenschau

Es pilgern ganze Völkerscharen
in Japan zu der Blütenpracht,
wie sie die Kirschen offenbaren,
wenn zeitig sie im Lenz erwacht.

Man lagert unter rosa Kronen,
bestaunt den reichen Baumbestand,
um ab und zu sich zu belohnen
mit einem Häppchen Proviant.

Soll diesen Brauch man ihnen neiden?
Um Picknick es dabei nicht geht:
Man will sich an der Schönheit weiden,
solang sie noch in Blüte steht.

‘s ist eher eine Trauerfeier
für dieses Lebens flücht’gen Glanz,
denn bald zerreißt den zarten Schleier
der Wind im wilden Totentanz.

Doch sind sie wirklich zu beklagen,
die dieses triste Los uns lehrn
und in des nächsten Frühlings Tagen
am selben Aste wiederkehrn?

Wie anders unser Menschenleben,
das sich doch für was Bessres hält:
Es kann sich einmal nur erheben
und bleibt so liegen, wenn es fällt.

Hausputz

Wie schnell macht so ein Tag die Fliege
und geht in sein Nirwana ein –
kaum raus aus der Matratzenwiege,
musst du auch fast schon wieder rein!

Dazwischen galoppiern die Stunden
wie Rassepferde auf der Bahn,
nur länger, vierundzwanzig Runden,
und das mit einem Affenzahn.

Oft fragt man sich, was hast du gestern
mit deiner Zeit so angestellt,
und hört als Antwort selbst sich lästern:
Zumindest war ich auf der Welt!

Heut hab bei schönstem Sonnenscheine
ich mich nicht aus dem Bau gerührt,
es hielt mich an der kurzen Leine
die Pflicht, der auch Respekt gebührt.

Man muss ja auch mal Wäsche waschen,
den Staub geräumiger verteiln,
und in den weitgespannten Maschen
des Internets nach Beute peiln.

Dies aber schließlich überstanden,
war auch der Tag schon fast komplett –
die Sonne senkte sich, zu landen,
und trudelte ins Wasserbett.

Da musste ich ins Logbuch schreiben,
dass der Spaziergang heut entfiel
und statt im Winde wo zu treiben
ich in der Bude lag auf Kiel.

Das war indes noch nicht das Ende.
Den Eintrag nahm ich wieder raus.
Das Schicksal zwang mich ins Gelände
und damit doch noch aus dem Haus.

Denn plötzlich stieg mir in die Nase
ein Müffeln, das bedenklich roch.
Die Küche, dacht ich, Abfallgase.
Der Müll muss zum Container noch!

Rundgang mit Venus

Ist mir vom Arzt zwar nicht verschrieben,
so’n Rundgang abends um den Block,
doch gestern hat’s mich rausgetrieben,
denn plötzlich hatt ich einfach Bock.

Die Straße lag wie ausgestorben
im schläfrigen Laternenlicht,
noch nicht einmal vom Wind umworben,
der sonst mit tausend Zungen spricht.

Und die sich gerne in ihm wiegen,
die Palmen, stürmisch oder schwach,
sie standen steif und nicht zu biegen
wie Säulen unterm Tempeldach.

Mir strich die Kühle um die Wangen
und nestelte am Kragenknopf,
den ich bei solchem Unterfangen
mir niemals unters Halstuch stopf.

Der Himmel spannte weit und offen
sich in die Ewigkeit empor,
bezogen wie mit Seidenstoffen,
dern Glanz sich in der Nacht verlor.

Viel war da sonst nicht zu entdecken.
Er geizte heut mit Sternenschein.
Im Osten blich ein winz’ger Flecken,
Südwesten nahm die Venus ein.

Doch grade unterhalb der Stelle,
die funkelte wie’n Diamant,
gewahrte jäh ich eine Helle,
die von der Erde kam, vom Strand.

Und zwar wo an die Hafenmauer
er mit ‘ner leichten Senke stößt –
da lag vielleicht wer auf der Lauer,
der diesen Schimmer ausgelöst!

Doch wie ich dann so weiterschlurfte
und immer mal dahingepeilt,
es dieser Furcht nicht mehr bedurfte,
dass da ‘ne böse Sieben weilt.

Denn plötzlich klangen Mädchenkehlen
sirenengleich vom dunklen Meer
und sandten, um mein Herz zu stehlen,
gefühlvoll mir ein Liedchen her.

Doch war da niemand zu erspähen,
wie deutlich ich es auch vernahm,
dass mir von Elfen und von Feen
auf einmal eine Ahnung kam.

Und war’s dem Zufall zu verdanken,
dass über diesem Zipfel Land
an einem Himmel ohne Schranken
gerade jetzt die Venus stand?

Singt nicht in mächtigem Begehren
die Liebesgöttin selbst im All,
dass die erlauschten Töne wären
nur ihrer Seufzer Widerhall?

Na, so was lässt sich wohl nicht klären
mit links und hopp! im Sauseschritt.
Jetzt gilt es, erst mal heimzukehren.
Doch diese Frage nehm ich mit!

Einkaufsroutine

Man geht ja, Proviant zu holen,
zum Supermarkt als reichstem Quell,
der sich mit Sortiment empfohlen
und Kassen, die besonders schnell.

Man schiebt die Karre durch die Gänge,
die man schon kennt zum Überdruss,
und achtet kaum noch auf die Enge,
durch die man sich da quetschen muss.

Rechtslinks nur rasch mal um sich fassen,
schon hat man frisch, was bald gegart,
das Hackfleisch und die Nudelmassen
und manches mehr in dieser Art.

Dann gönnt auch erste Glückshormone
sich spätestens der Brägen jetzt,
eh in die erogene Zone
des Weins er noch den Fuß gesetzt.

Da steigert sich noch das Vergnügen,
das schon der Warenkorb gewährt,
weil abends man in vollen Zügen
den Tropfen in die Scheuer fährt.

Jetzt bitte keine Warteschlange
und schnell nach Hause mit dem Kauf;
man hält sich immer viel zu lange
mit so banalen Dingen auf!

Sonst weiter nichts im Kopf geblieben?
Außer Fressalien kein Gewinn?
Was nie auf einen Bon geschrieben:
Das Lächeln der Kassiererin!

Supernova

Sonne und Mond, die großen Lichter,
sie leuchten auch in Versen oft,
wenn ein naturverbundner Dichter
auf glänzende Effekte hofft.

Das gilt genauso auch für Sterne,
die meistens man pauschal nur nennt,
weil in der ungeheuren Ferne
man sie am Blinken nur erkennt.

Mit Namen höchsten noch vertreten
Frau Venus, die mit Prunk besticht,
doch die gehört zu den Planeten,
ein Sternchen nur im Rampenlicht.

Da müsste manches schon passieren,
bevor man es in Strophen fasst –
vielleicht ein Riese explodieren,
der nicht mehr in die Hose passt.

Das aber scheint sich anzubahnen
da irgendwo auf weiter Flur,
so will es den Auguren schwanen,
die Himmelszeichen auf der Spur.

Der hünenhafte Beteigeuze,
Orions Jägern zugesellt,
liegt nämlich grade über Kreuze
just mit dem Träger, der ihn hält.

Die Spannkraft scheint ihm auszugehen,
die seine feste Form ihm schenkt,
dass er beginnt, sich aufzublähen
und schließlich seinen Gürtel sprengt.

Dann schösse in Sekundenschnelle
ein solcher Lichtblitz auf ins All,
dass lange noch ‘ne Super-Helle
des Sternendramas Widerhall.

Was wäre das für ein Spektakel,
ja, ein Millenniums-Event,
wenn nach dem kosmischen Debakel
das halbe Universum brennt!

Doch statt schon jetzt darauf zu lauern,
lass man die Linse noch bedeckt –
es kann womöglich lange dauern,
bis so ein Superstar verreckt.

Zehn, fünfzig oder tausend Jahre,
das weiß kein Meisterastronom,
denn so etwas ist Mangelware,
ein Glücksmoment im Zeitenstrom.

Da kann die Kamera verrosten,
auch wenn sie ständig schussbereit.
Und sollt es dich dein Leben kosten –
die Sterne haben sehr viel Zeit.