Ständchen

Grad gestern, liebe Leserinnen,
hat mein Geburtstag sich gejährt.
Natürlich Zeit, sich zu besinnen,
wie lang der Zug noch weiterfährt.

Soll ich mein Alter euch bekennen?
O wie die Eitelkeit sich ziert!
Schon biblisch jedenfalls zu nennen,
dass es bei Olim sich verliert.

Kein Grund natürlich, mich zu freuen,
dass wieder mir ein Jahr geraubt –
eh’r einer, Asche auszustreuen
aufs lange schon gerupfte Haupt.

Gemischt warn also die Gefühle,
als ich zum Mahle mich gesetzt,
mir gegenüber nur zwei Stühle
mit Gästen, die ich sehr geschätzt.

Die Speisen ohne Fehl und Tadel,
dass halbwegs ich schon aufgeblüht.
Vom Christbaum zog mit jeder Nadel
der Duft der Weihnacht ins Gemüt.

Versöhnung mit der Welt zu feiern,
war ich allmählich schon bereit.
Nur Lauten fehlten noch und Leiern
zur Krönung dieser Festlichkeit!

Der Wunsch, nicht einmal ausgesprochen,
erfüllte sich, ich weiß nicht wie:
Jäh wurd die Stille unterbrochen
durch eine schöne Melodie.

Die klang von unten vor dem Hause
weithin ins nächtlich dunkle Land
und war zu unsrer stillen Klause
als Serenade hochgesandt.

Und süß, als wär’s mit Engelszungen,
schwang eine Stimme sich empor,
mit voller Inbrunst fortgesungen
in Counterweise vom Tenor.

Die beiden Damen, lässt sich denken,
die lieben, hatten für den Coup gesorgt
und, mich besonders zu beschenken,
den Sänger dazu ausgeborgt.

Die Botschaft war nicht zu verkennen:
Ein Ständchen für mein Wiegenfest,
mir ins Gedächtnis einzubrennen,
was nimmermehr sich tilgen lässt.

War es in puncto alte Lieder
bisher denn auch nicht eher faul?
O dieser Ohrwurm nun schon wieder,
die Arie aus Händels „Saul“!