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Alaaf

Zu bunt kann es ja gar nicht werden –
man schreibt die fünfte Jahreszeit.
Den Menschen treibt’s in ganzen Herden
nun wieder in sein Narrenkleid.

Da geht es nicht um Modefragen,
den letzten Schrei der Haute Couture,
da will man was Verrücktes tragen
bei seiner Saal- und Straßenkür,

Drum kleistert man sich auch noch Schminke
fast fingerdick ins Konterfei
und sagt den Pickeln winke, winke
in bester Maskenbildnerei.

Für jede Art von Lustbarkeiten
ist so man zünftig kostümiert,
und mag dich auch der Teufel reiten,
du wirst nicht exkommuniziert.

Dann ruf Alaaf noch in die Runde,
den Urschrei für des Jecken Glück,
dann dröhnt dir wie aus einem Munde
ein donnerndes Alaaf zurück!

So schwebt man schon auf Wolke sieben,
eh man sich weiter hochgepusht
mit Bühnen-, Bütten-Seitenhieben,
dern Pointen stets, trärä, vertuscht.

„Ein Dankeschön an die Kapelle,
die keine Flasche jetzt entkorkt,
doch täglich bis zur Morgenhelle
für ausgelassne Stimmung sorgt!“

Nicht schlecht beim Gute-Laune-Heben,
wenn auch an Säften man nicht spart –
seit Vater Noah dem von Reben
und Bier nach Pharaonen-Art.

In jedem Fall ein Rausch der Sinne
mit einer langen Tradition,
dass kurz das Volk einmal gewinnen
Distanz zu seiner Alltagsfron.

Ein kluger Schachzug, den Prälaten
sich irgendwann mal ausgedacht,
weil sie mit trockenen Oblaten
die Seelen doch nie sattgemacht.

Einmal so übern Zapfen hauen,
wie’s braucht die sündige Natur –
und dann mit frischem Gottvertrauen
verkatert in die Fastenkur!

Die aber dulden diesen Rummel,
als Fristenlösung jedenfalls,
sie tragen ihre bunten Fummel
auch außerhalb des Karnevals!

Eine Vogelschau

Eine VogelschauGuckt man aus etwas größrer Höhe
mal auf den Boden hier hinab,
gewahrt man da ‘ne Menge Flöhe,
die alle irgendwie auf Trab.

Konturen sind nicht zu erkennen,
Gebilde nur von gleicher Art,
die ständig durcheinanderrennen
um irgendeines Kaisers Bart.

Was mag sie so in Gange halten
als tierisches Perpetuum?
Ob sie am Ende Haare spalten
als Brennholz für ihr Vakuum?

Sie scheinen wichtig sich zu nehmen
und das, wobei ihr Tun verweilt,
sich ihres Eifers nicht zu schämen
und nicht der Menge, die ihn teilt.

Mehr ist darüber nicht zu sagen,
mehr sieht man aus der Höhe nicht.
Distanz mag sich wohl nicht vertragen
mit so ‘nem Winzlingsangesicht.

Ein Gott selbst, der mit scharfen Sinnen
von seinem Wolkensitze späht,
könnt einer Brut nichts abgewinnen,
die ihm nicht ins Visier gerät.

Nur weil wir kleinen Erdenklöße
uns stets auf Augenhöhe sehn,
beschein’gen wir uns selbst ‘ne Größe,
die nur ein Wahn ist, endogen.

Karneval der Tiere

Karneval der TiereDas macht gewiss die Sommerhitze:
Im Traum sah ich ‘nen irren Zug,
‘ne Königin an seiner Spitze,
die eine goldne Krone trug.

Ihr nach das fröhliche Gepränge
von Hofstaat und Nobilität.
Das Ganze zog sich in die Länge,
dass ich das Ende kaum erspäht.

Wie eine schillernd schöne Schlange
sich windend ihres Weges zieht,
war diese Prozession in Gange,
doch schweigend, ohne Laut und Lied.

Ich meinte Fürsten zu erblicken,
die schritten in den ersten Reihn
mit Zobel, Hermelin und Flicken
von Purpur auf dem Wämselein.

Dann kamen sichtlich die Prälaten,
Gemisch aus Rot und Violett,
mit ihren seidnen Unikaten
nach dem sakralen Etikett.

Und all die andern von Geblüte,
die nicht von Sterblichen gesäugt,
das ganze Aufgebot der Hüte,
vor denen man den Nacken beugt.

Dahinter, eskortiert von Knappen,
die ganze edle Ritterschaft
mit ihren Schwertern, Lanzen, Wappen,
gerüstet mit des Panzers Kraft.

Und dann die Burschen, Zofen, Pagen,
genauso prächtig ausstaffiert
mit buntgewürfelten Kledagen,
von kindlichem Geschmack diktiert.

Es folgten schließlich, schwer mit Ketten
behängt das pelzige Ornat,
die großen Tiere aus den Städten,
die Handelsherrn mit Sitz im Rat.

Und diese ganze stumme Rotte,
das fiel im Traume selbst mir auf,
bewegte sich in leichtem Trotte,
doch ohne Pferd, in eignem Lauf.

Indem sie ihre dünnen Füße
(ich weiß nicht, waren’s mehr als zwei?),
als ob man eine Sünde büße,
geknickt hielt und verrenkt dabei.

Doch wie ich mich dem Bilde nahte,
zerriss es und ich wurde wach.
Ameisen warn’s in vollem Staate –
ja, das erinnre ich noch schwach.

Mag das ein anderer verstehen;
die Biester waren nie mein Fall –
indes possierlich anzusehen,
so menschlich da beim Karneval.