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Friedlich gestimmt

Friedlich gestimmtMir was zuschulden kommen lassen
(von diesem Vers mal abgesehn),
wollt niemals ins Konzept mir passen
des Lebenswegs, den ich zu gehn.

So bin ich ein „solider Stoppen“,
wie mich ein Freund einmal genannt,
und lass mich gerne damit foppen,
weil ich nie Böses darin fand.

Nein, komisch hab ich stets gefunden,
dass beinah jeder sich beklagt,
umringt zu sein von faulen Kunden,
an denen Gier und Selbstsucht nagt…

Sieht selbst sich aber ausgenommen
von diesem Urteil jederzeit,
auch wenn nicht wen’ger mitgeschwommen
im Mahlstrom der Gefräßigkeit.

Heißt: Die sich permanent beschweren
über die Schlechtigkeit der Welt,
wolln nur den eignen Reibach mehren,
den diese ihnen vorenthält.

Der Vorwurf, den sie um sich streuen:
Im Handumdrehn kein Thema mehr,
sobald sie selbst am Golde käuen,
und käm es aus der Hölle her.

Bin ins Dilemma ich geraten,
weil andere ich kritisiert,
doch meine Musen-Missetaten
mit Kunst beständig motiviert?

Mag der und jener drüber richten,
sofern der Sinn ihm danach steht.
„Solider Stoppen“? Na, beim Dichten
er öfter doch aufs Ganze geht!

Bescheidene Zugabe

Bescheidene ZugabeSchluss, aus, ihr Leut, das war’s mal wieder,
mehr geht für heute leider nicht.
Ich fühl schon schmerzlich meine Glieder,
was sehr für langes Sitzen spricht.

Wie? Ist da Einspruch wo zu hören?
Ich hätt noch gar nicht losgelegt?
Nein, bei den Musen könnt ich schwören,
dass ich die Leier schon bewegt!

Na ja, ist gestern wohl gewesen,
man kommt in Tüter mit der Zeit.
Lass gern mir die Leviten lesen
von euch, die ihr nach Versen schreit.

Doch bin ich aus dem Takt gekommen,
da ich schon fertig mich gewähnt,
und sehe momentan verschwommen
ein Loch nur, das im Brägen gähnt.

Ich werd es mit dem Wetter stopfen
nach guter alter Britenart,
die gern Begrüßungssprüche klopfen
mit der klimat’schen Gegenwart.

Gut. Dies Gespann von Regentagen
mit Wind und Kälte im Geleit
liegt nicht mehr lästig auf dem Magen,
zog zur Levante „hinten weit“.

Man kann sich eines Himmels freuen
in einem frisch azurnen Kleid
und mancher Schäfchen, die da käuen
im blauen Grün der Ewigkeit.

Der Strahler, der da oben geistert
und seine Leistung runterfuhr,
schon wieder eine Hitze meistert,
die ausreicht für ‘ne Bräunungskur.

Indessen hier ich’s lieber lösche,
eh ich das Thema überdehn,
wenngleich die Inselwetterfrösche
auch dabei gerne Schlange stehn.

So recht, ihr Lauscher, seid’s zufrieden,
gestillt ist euer Strophendurst?
Jetzt, wie euch anfangs schon beschieden,
ist außer Ruh mir alles wurst.

Mein Geist versinkt allmählich wieder
in dem bewussten schwarzen Loch.
Da kommen Licht nicht raus und Lieder.
Vielleicht schon morgen aber doch.

Übers Verseschmieden

Übers VerseschmiedenDie Neigung, sich zu wiederholen,
verliert sich wohl so richtig nie –
ob Fülln wir sagen oder Fohlen,
es ähnelt sich doch irgendwie.

‘ne Extrawurst für den Poeten
ist von Natur nicht vorgesehn.
Er nimmt wie alle die Moneten,
wie sie durch tausend Pfoten gehn.

Und flutschen sie ihm durch die Finger,
dass ihm der schöne Schatz versiegt,
dann gelten die ihm nicht geringer,
die er von früher wiederkriegt.

Das soll ihm nicht als Freibrief dienen,
sich pausenlos zu variiern
und seine ausgefahrnen Schienen
mit abgestandnem Fett zu schmiern.

Dann muss er eben länger hocken
vor seinem unbeschriebnen Blatt,
um ihm die Zeilen zu entlocken,
die es noch nie vergeben hat.

Ums mal in dem Jargon zu sagen,
der für die Raffgesellschaft steht:
Muss seine Haut zu Markte tragen
in höchster Kundenqualität.

Doch keinesfalls des Vorteils wegen
der Dichter seine Verse feil –
ihm sei nur am Parnass gelegen
und dass er bei den Musen weil!

Keine Geduld

Keine GeduldWenn ich erst lange warten müsste
auf irgendeine Schnapsidee,
bevor ich mich zum Reimen rüste:
Behaglich auf dem Kanapee

Gebreitet die morbiden Knochen,
den Geist nur mäßig angespannt,
und erst nach Tagen oder Wochen
das Schreibgelüst mich übermannt

Würd mir gewiss der Faden reißen,
der die Geduld am Zügel hält,
und ich den ganzen Krempel schmeißen
ins letzte Eckchen dieser Welt.

Will sie mir aus dem Quell nicht regnen,
dem Pierien Dichterkraft verlieh,
kann sie im Mondschein mir begegnen,
die bloß sporad’sche Fantasie.

Doch seht, ich mache fröhlich weiter,
mein Kuli kurvt noch übers Blatt.
Beweis: Der Musenklepper-Reiter
stets frisches Heu im Schober hat.

Sobald ich nur zur Lyra greife,
erklingen auch die Töne schon,
und völlig ohne Warteschleife
wie manchmal die beim Telefon.

Nur Störgeräusche können stoppen
den steten Melodienfluss –
am liebsten würd ich ihn verkloppen,
den Nachbarn, der jetzt bohren muss!

Stillvergnügte Poesie

Stillvergnügte PoesieDer Eindruck hat sich mir verdichtet:
Poeten liegt der gute Ton.
Zwar von Gemüt und Geist belichtet,
verschmähn sie dumpfe Aggression.

Ausnahmen kaum von dieser Regel.
Fast nur Tyrtaios‘ Schlachtgeschrei;
erinnert euch: Spartanerflegel,
frustriert von seinem Haferbrei.

Auch Pindar. Doch die Kampfesweise,
die er besang mit dunkler Glut,
war die des Sports, und Lorbeerpreise
bekränzten Siege ohne Blut.

Villon vielleicht noch von der Sorte,
doch kämpferisch für sich privat:
Ein Bein stets an der Kerkerpforte,
eh’r Fluchtstratege denn Soldat.

Mehr Leute hab ich nicht auf Lager
und kenn doch manchen Lebenslauf.
Gewaltausbeute also mager.
Da sind die Maler besser drauf.

Es findet in der Kunstgeschichte
sich ja so mancher Finsterling,
der dem verdienten Hochgerichte
mit mächtig Dusel nur entging.

Kurzum, die einfühlsamen Musen
bestimmten mich zur Poesie,
kaum dass aus vollem Babybusen
ich fröhlich nach der Zitze schrie.

Die, die zur Staffelei geboren,
sie krähen wohl auf andre Art,
was nur sensible Götterohren,
nicht mal die Mütter je gewahrt.

Doch lassen wir das Spekulieren.
Fakt ist: Ich habe das Talent,
mit pp. Pinsel zu jonglieren,
wohl in der Wiege schon verpennt.

Und hab den Strohhalm gern ergriffen,
den mir Apollo hingestreckt,
mich nach Pierien einzuschiffen,
wo man auch Dichtern zollt Respekt.

Da fand ich keine Stürme wüten,
die trägen Wellen aufzuwühln,
und hübsche Nereiden hüten
Delphine, die sich glücklich fühln.

Das war so recht nach meiner Mütze –
und kaum war ich von Bord an Land,
baut‘ ich als Bleibe mir und Stütze
‘nen wetterfesten Unterstand.

Und mocht so gern da schließlich leben,
dass ich nicht mal zu sagen wüsst,
was ich als Wohnsitz, Haupt- und Neben-,
dem Steuerviz erklären müsst.

Nun hab ein Hüttchen ich hienieden
und bei den Musen ebenso.
In beiden von der Welt geschieden,
werd ich des Friedens doppelt froh.

Nächtlich fantasiert

Nächtlich fantasiertEntscheidend sind die Illusionen,
dass man sein biedres Herz erfrischt
und aus gedachten Regionen
ihm echte Stärkung untermischt.

Ist denn der Mond, der auf der Nase
mir wie ‘ne Fliege grade hockt,
nicht just in dieser vollen Phase
Frau Luna, wie sie lacht und lockt?

Ist denn die Stadt mit ihrem Schweigen
nach Stunden der Geschäftigkeit,
kein Sinnbild für den ew’gen Reigen,
aus dem uns nur die Nacht befreit?

Und dieser Becher, den ich leere,
ist er ein bloßes Trinkgefäß
und nicht Dionysos zur Ehre
auch Opferschale, zeitgemäß?

Was würd mir dieser Raum bedeuten,
wär er mir schlicht Kombüse nur
und nicht, um Verse zu erbeuten,
des Hirns unendlich weite Flur?

Und was die aufgereihten Zeilen,
die ich in Reim und Rhythmus bring,
dass ich mit Klötzen und mit Keilen
sie in genormte Strophen zwing –

Fühlt‘ ich, der kleine Unbekannte,
der Hintersass im Musenreich,
mich insgeheim nicht einem Dante,
ja, einer Kempner sogar gleich?

 

Mehr als Unlust

Mehr als UnlustIch weiß nicht, will nicht, will nicht wollen –
so ist den ganzen Tag mir schon.
Liegt sicher an dem Magengrollen,
Vulgärlatein: Indigeschtjon.

Wie hab ich mir das zugezogen?
Das brummt und grummelt pausenlos,
als käm’s da bald herausgeflogen
wie Magma aus dem Erdenschoß.

Und immer wieder Krämpfe zucken,
der Eruption vorausgesandt,
als würd man an ‘ner Kette rucken,
die mitten durch den Bauch gespannt.

Gefühl der Übelkeit im Rachen,
das bis zum leichten Würgen geht –
doch kurz vorm Eimer stets verflachen
die Wogen der Vomizität.

Allmählich auch den Kopf befielen
die Schmerzen, die nach ihm benannt,
dem Elend in die Hand zu spielen,
das so mich völlig überrannt.

Doch um nicht ganz zu unterliegen
dem rüden Angriff der Natur,
erklomm mit letzter Kraft die Stiegen
ich zum Parnass, zum Musenflur.

Zwei Strophen noch herausgestammelt,
dann warf der Jammer mich aufs Bett.
Hab heut sie wieder aufgesammelt
und, seht, erweitert zum Septett!

Neues Musenspiel

Neues MusenspielDer Abend ist nicht aufzuhalten.
Ich mach es mir am Tisch bequem.
Hell scheint durch die Gardinenfalten
der alte Stern von Bethlehem.

Den haben mir vom Bau die Leute
da drüben an den Kran gehängt,
die wundersam am Sonntag heute
den Schritt zur Arbeit hingelenkt.

Ansonsten liegt der Himmel droben
in Dunst und Wolken eingetaucht
mitsamt dem Volk der Leuchtmikroben,
das Funken in die Nächte haucht.

Vom Mond würd ich so ähnlich sagen,
käm’s mir nicht überflüssig vor,
in eine Kerbe hier zu schlagen,
die offen wie ein Scheunentor.

Drum rasch von der Natur zur Stube,
die nicht dem Wetter unterliegt –
da mischt er wieder, der Herzbube,
die Verse, dass er Trümpfe kriegt.

Als ob das kein Ambiente wäre,
das prickelnden Gewinn verspricht –
‘ne Hinterzimmeratmosphäre
mit schön gedämpftem Kerzenlicht!

Und bin ich etwa ‘ne Mimose,
bei Misserfolg gleich eingeschnappt?
Geht mir das Spiel auch in die Hose –
schon morgen ‘s wieder besser klappt.

 

Nicht entflammt

Nicht entflammtWieso hab ich denn heut vergessen
das Flämmchen, das zum Träumen reizt?
Hab sonst doch, kaum am Pult gesessen,
die Kerze erst mal angeheizt!

Muss als Symptom ich das nicht werten,
dass mein Gedächtnis kollabiert
und sich auf der Erinnrung Fährten
schon die und jene Spur verliert?

Werd jedenfalls im Blick behalten,
wie’s weitergeht mit dem Malheur –
ob ich zum Eisen schon, zum alten,
ob ich zum Schrott bereits gehör.

Wobei, das gilt’s zu überlegen,
man selbst womöglich gar nicht spürt,
wenn auf des Hirns gewundnen Wegen
es immer wen’ger Lasten führt.

Verlässlicher will mir da scheinen,
der Schreibkunst auf den Zahn zu fühln
und zwischen Versfuß-Strophenbeinen
den goldnen Auswurf aufzuwühln.

Solln mir die Musen doch orakeln,
ob wohlgeritten Pegasus
oder, den Zaum ihm abzutakeln,
ich runter von der Mähre muss.

Mag der Parnass höchstselber richten,
was meinem Urteil sich entzieht –
belauschen, wägen und gewichten:
So liegt mein Schicksal denn im Lied.

 

Wieder Nachtgedanken

Wieder NachtgedankenNa, wie ich so zur Wanduhr blicke,
zeigt grade Mitternacht sie an –
kein Wunder, dass ich manchmal nicke
und meinen Kopf nicht halten kann!

Wie aber auch die Stunden rennen!
Wenn ich so brüte überm Blatt,
mag fast die Kerze runterbrennen,
bevor die Welt mich wiederhat.

So tief in Fantasien versunken,
dass ich der Worte Perlen find,
bleib ich, von ihrer Fülle trunken,
für alles Ungeträumte blind.

Die Perlen aber, zugegeben,
sind manchmal groß und manchmal klein
und auch sich voneinander heben
durch hellen oder matten Schein.

Nicht alles, heißt’s in Volkes Munde,
was glänzt, auch Gold deswegen ist,
drum sag ich mir bei schlichtrem Funde:
Auch Kleinvieh macht den Musen Mist.

Man kann’s wohl auf die Spitze treiben,
indem man Höchstes nur begehrt –
und viel wird ungeschrieben bleiben,
was wirklich des Bewahrens wert.

Die Weisheit euch noch auf die Schnelle,
bevor der Schlaf mich übermannt.
Und bitte: Nicht mit strenger Elle
dies Opus messt von müder Hand!