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Vorsingen

VorsingenNun denn, mag es auch unnütz scheinen,
ein wesenloser Zeitvertreib,
ich halt mich damit auf den Beinen,
heißt: leidlich frisch an Geist und Leib.

Zum Sammeln bin ich nicht geboren,
was immer fürn Objekt es sei,
und auch die Entenjagd in Mooren
geht locker mir am Arsch vorbei.

Auch Schweinsgalopp auf langen Bahnen
in Läufen der diversen Art
hab anders als die Steinzeitahnen
ich satt und träge mir erspart.

Im Keller an Maschinen schrauben
war ebenfalls noch nie mein Ding,
so wenig wie für Gartenlauben
mein Hobbyherz je Feuer fing.

Mit Leib und Seele mich verschreiben
‘nem Sportverein, der angesagt?
Mir reicht’s, ein fauler Fan zu bleiben,
der mal nach der Tabelle fragt.

Das heißt: So viele Steckenpferde –
und keins, das mir gefallen kann.
Doch statt als Anlass zur Beschwerde
nahm eher ich‘s als Chance an.

So ist es schließlich denn gekommen,
dass ich als hoffnungsloser Fall
die Höhen des Parnass erklommen,
zu üben mich als Nachtigall.

Da sing ich nun ‘ne gute Weile
mit Leidenschaft aus vollem Hals
und weiß doch nicht, ob Amors Pfeile
schon folgten meiner Musenbalz.

Die Schönen geben sich verschlossen,
ihr Herz in Dornen eingefasst,
dieweil des seinen Blut vergossen
der Sänger ohne Ruh und Rast.

Womöglich finden sie zu fade
des Vogels kultivierten Sang,
dem schrillen lauschend der Zikade
von wildem, kakofonem Klang?

Das wäre nicht nach meiner Mütze –
so monoton dahingezirpt
wie neunundneunzig Liegestütze,
durch die man ein Diplom erwirbt.

Da kratzfußbuckel ich doch lieber
noch weiter vorm Kulturpalast –
an Lorbeerlaub ein Kohldampfschieber,
der Höhenluft zumindest prasst.

Hoch motiviert

Hoch motiviertSchon wieder so ein Blatt zerrissen,
das mit Ideen ich gespickt,
Entwürfe, die ins Gras gebissen,
bevor sie`s Licht der Welt erblickt.

Ja, fast am wichtigsten beim Dichten
ist die Versorgung mit Papier,
um noch beim Schreiben zu vernichten,
was nicht gehört auf DIN-A4.

Die Verse, die ich mir ersitze
vom Abend bis es wieder tagt,
sind nur des Berges dünne Spitze,
die aus dem Meer der Zeilen ragt.

Doch krieg ich deshalb graue Haare,
ein Herz, das schwächlicher entbrennt?
Als ging es hier um Massenware,
Profit, Produkt und Produzent!

Den Musen dienen heißt sich placken
und bringt dir keinen Obolus,
und dennoch glühen mir die Hacken,
wenn zum Rapport mal rauf ich muss.

Im Gegensatz zu unsern Bossen
verstehn sie sich aufs Motiviern,
indem sie ihre Kampfgenossen
ermuntern statt zu deprimiern.

Die Leine, Lyriker zu führen,
wie lang sie ist und niemals straff!
So lässt sich unbehindert rühren
der Kopf, dass er sich Räume schaff.

Beim Schnuppern deshalb und beim Stöbern,
die kein Kommando ihm vergällt,
schlägt schließlich selber er die gröbern
und faden Funde aus dem Feld.

Ob ihm der große Wurf gelungen,
wird ihm indes nicht mitgeteilt –
doch wer hier einmal vorgesungen,
auf ewig in dem Chor verweilt.

Doch will die Lerche Beifall haschen,
`nen Bravo-Sturm die Nachtigall?
Sie füllen sich nicht ihre Taschen,
erfreun sich nur am schönen Schall!

Hochgefühle

HochgefühleMuss täglich man Triumphe feiern,
Champagner köpfen reihenweis,
um aus den Rippen sich zu reihern
der ungehemmten Freude Preis?

Muss man in malerischen Schluchten
frühmorgens, wenn die Hähne krähn,
die Linse vor die Klüsen wuchten,
die Sonne beim Lever zu sehn?

Muss eine Kiste man besitzen
von allerhöchster Pferdekraft,
um rascher damit rumzuflitzen
als Kalli aus der Nachbarschaft?

Und was ist mit dem Luxusliner,
der Frühlingskreuzfahrt im April?
Geht’s denn nicht auch ‘ne Nummer kleiner,
wenn man nur mal nach Dubai will?

Ein Logenplatz im Opernhause
mit Welttenörn auf Du und Du –
da kommt wohl zu dem Ohrenschmause
auch noch die Eitelkeit hinzu?

Den meisten zeigt das Glück zu leben
sich nur als trügerischer Glanz,
als Gauklerarme, die sie heben
Minuten aus dem Totentanz.

Warum nach blauen Wundern jagen –
die größten geben eh’r sich schlicht.
Hört ihr die Nachtigall nicht schlagen?
Die Schöpfung selber, die da spricht!

Stadtnatur

StadtnaturHier schlagen keine Nachtigallen,
hier ruht kein Reh im grünen Tann –
hier ist das Reich der Radarfallen,
der Polizist ein Jägersmann.

Kein Mond, der aus dem Meer der Wipfel
sein Strahlenhaupt zum Himmel reckt –
kaum sichtbar hinterm Häuserzipfel,
die nächste Wand ihn schon verdeckt.

Auf weichem Moos willst du dich betten,
die Füße wo im Blaubeerlaub,
und ringsherum die Lagerstätten
von Pilzen, die zurzeit noch taub?

Ein frommer Wunsch auf diesen Fluren,
die wenig mit Natur gemein
und tief versiegelt mit den Spuren
von Asphalt, Dreck und Ziegelstein.

‘nen Trupp von jugendlichen Bäumen,
der Schule eben erst entflohn,
sieht spärlich man die Straße säumen
als eines Waldes Illusion.

Daraus auf wundersame Weise
das Lied der Amsel noch erklingt
und dieses Tages triste Reise
zu einem blüh’nden Ende bringt.

‘ne Fliege summt mir hin und wieder
hier mitten in der Küche drin –
zwar nicht mit Fell und mit Gefieder,
doch schön natürlich immerhin!

Vor Einbruch der Nacht

Vor Einbruch der NachtNoch ist die Nacht nicht angebrochen.
Noch sieht man Farbe und Kontur.
Doch Schatten kommen angekrochen,
verdüstern langsam den Azur.

Rings überall auf den Fassaden
glimmt hier und da schon fahles Licht.
Und grelles, wo ein Kaufmannsladen
sich späte Kundschaft noch verspricht.

Wie sich die Schatten weitertasten!
Das letzte Blau schon aufgeleckt!
Dafür der Kopf der Peitschenmasten,
der glüh’nd sich übers Pflaster reckt!

Die wilde Mähne der Platanen,
im Punkerlook noch grade grün,
lässt nichts mehr von Pigmenten ahnen,
wie sehr sich auch die Augen mühn.

Die Straße ist in Sott versunken
(d. h. der kleine Ausschnitt meiner Welt),
betupft nur von den müden Funken,
die kunstvoll künstlich hergestellt.

Mein Kerzchen nur bei dem Geschehen
scheint recht in seinem Element:
Vorhin im Dämmer kaum zu sehen
und jetzt: Als ob die Hütte brennt’!

Wie gern in seinem warmen Scheine
ich über Zeiln und Strophen brüt,
bis mir ein Eifisch an der Leine
(hier hab zwei Bilder ich bemüht!).

Die Nacht ist nun ein Stückchen weiter.
Sporadisch nur noch Stadtverkehr,
nur noch ein später Pflasterschreiter,
das Halali der Feuerwehr.

Bald wird auch dieses ganz verstummen –
wenn Mitternacht erst mal vorbei.
Er dann auf Touren noch, auf krummen,
tut alles, dass er leise sei.

So geht das bis zur Morgenstunde,
wenn sich ein neuer Dämmer regt,
den wenig später, Gold im Munde,
Aurora schon zu Grabe trägt.

Als Freund des Pegasus indessen
verschlaf ich stets das Morgengraun,
hab lang im Sattel ja gesessen,
muss spätfrüh drum aufs Ohr mich haun.

Und noch bei Dunkelheit ich führe
den Klepper wieder in den Stall.
So ist es Sitte (nicht Allüre!)
beim Dichter, bei der Nachtigall.