Vor Einbruch der Nacht

Vor Einbruch der NachtNoch ist die Nacht nicht angebrochen.
Noch sieht man Farbe und Kontur.
Doch Schatten kommen angekrochen,
verdüstern langsam den Azur.

Rings überall auf den Fassaden
glimmt hier und da schon fahles Licht.
Und grelles, wo ein Kaufmannsladen
sich späte Kundschaft noch verspricht.

Wie sich die Schatten weitertasten!
Das letzte Blau schon aufgeleckt!
Dafür der Kopf der Peitschenmasten,
der glüh’nd sich übers Pflaster reckt!

Die wilde Mähne der Platanen,
im Punkerlook noch grade grün,
lässt nichts mehr von Pigmenten ahnen,
wie sehr sich auch die Augen mühn.

Die Straße ist in Sott versunken
(d. h. der kleine Ausschnitt meiner Welt),
betupft nur von den müden Funken,
die kunstvoll künstlich hergestellt.

Mein Kerzchen nur bei dem Geschehen
scheint recht in seinem Element:
Vorhin im Dämmer kaum zu sehen
und jetzt: Als ob die Hütte brennt’!

Wie gern in seinem warmen Scheine
ich über Zeiln und Strophen brüt,
bis mir ein Eifisch an der Leine
(hier hab zwei Bilder ich bemüht!).

Die Nacht ist nun ein Stückchen weiter.
Sporadisch nur noch Stadtverkehr,
nur noch ein später Pflasterschreiter,
das Halali der Feuerwehr.

Bald wird auch dieses ganz verstummen –
wenn Mitternacht erst mal vorbei.
Er dann auf Touren noch, auf krummen,
tut alles, dass er leise sei.

So geht das bis zur Morgenstunde,
wenn sich ein neuer Dämmer regt,
den wenig später, Gold im Munde,
Aurora schon zu Grabe trägt.

Als Freund des Pegasus indessen
verschlaf ich stets das Morgengraun,
hab lang im Sattel ja gesessen,
muss spätfrüh drum aufs Ohr mich haun.

Und noch bei Dunkelheit ich führe
den Klepper wieder in den Stall.
So ist es Sitte (nicht Allüre!)
beim Dichter, bei der Nachtigall.

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