Schlagwort-Archive: Pegasus

küchenimpressionen

küchenstückdie küche der ausblick das sanfte dämmern
ich hab es besungen schon tausendmal
und will es aufs blatt hier noch einmal hämmern
ins herz jedes wort ins herz wie ein pfahl

der tisch mir zu händen die gummidecke
mit karo rotweiß in reih und in glied
oliven und wein dass die muße schmecke
der mond der den augen sachte entflieht

der toaster der stuhl am hängenden teller
die maurischen muster golden und blau
ibiza die stadt die disco im keller
die nächte im freien lavendellau

der kühlschrank summend die kaffeemaschine
das flackernde flämmchen saunier duval
gekühlt dennoch streichbar die margarine
die eier aus heimischem hühnerstall

der hahn mit der chronisch laufenden nase
die tropfen klingend zerplatzend auf chrom
der blumenstrauß welk in der humpenvase
zerfleddert zerflossen im zeitenstrom

das radio das rot die reihe von knöpfen
brüchige ziffern im grauen display
der kleine balkon um atem zu schöpfen
im duftenden schrank bergamott earl grey

die stunden die träge tickend entgleiten
wie durch die enge der fallende Sand
der federstrich furchend wechselnd die seiten
ein pflügender ochse in dichterhand

die flasche die fliesen der feuerhaken
der vorhang die verse und pegasus
die kerzen die triefende trauer blaken
am himmel die sterne plötzlich und schluss

Stille Dämmerung

Stille DämmerungEs dämmert, und aus meiner Stube
blick auf die Stadt ich, die versinkt.
Kein bisschen Rot mehr in der Tube,
nur Grau, das mit dem Tode ringt.

Grad gegenüber, scharf gestochen,
mit weiß gekalkter Außenhaut,
‘ne Hauswand wie ein Wüstenknochen,
der bleich an seiner Dürre kaut.

Es scheint kein Lüftchen sich zu regen.
Die Fahne hängt wie eingerollt,
die sonst mit Stößen und mit Schlägen
frenetisch schwenkt ihr Schwarzrotgold.

Und auch der Bäume dichte Mähne,
die gern gelöst im Winde fliegt,
betont das Schweigende der Szene,
indem sie still vor Anker liegt.

Auf diesen regungslosen Lüften
schwingt auch kein Ton sich in die Welt –
es ist so lautlos wie in Grüften,
wo hörbar jedes Stäubchen fällt.

Soll eine Nacht das vorbedeuten,
die friedlich ihre Stunden zählt,
zu einem Morgen sich zu häuten,
den Eos rosenrot beseelt?

Falls die Auguren sich nicht irren,
ist der Idylle nicht zu traun.
Wie Krähen die Gerüchte schwirren,
der Wind würd nicht mehr lange flaun

Und plötzlich sich zum Sturm erheben,
als hätt ‘nen Drachen man geweckt,
der für ein Nickerchen mal eben
sich wo im Winkel ausgestreckt.

Nun, wie auch immer die Prognosen,
tangiern sie mich nur peripher –
die üblichen Metamorphosen.
Als ob das Wetter statisch wär!

In wie viel Kalmen und Orkane
war wechselnd schon mein Haupt getaucht;
da oben auf dem Dach die Fahne,
wie oft zerfranst und aufgebraucht!

Man fügt sich den Gegebenheiten.
Und Schluss jetzt mit der Verseflut!
Werd „Pegi“ morgen weiterreiten –
wenn’s sein muss, auch mit Regenhut.

Kunstgriffe

Die Kunst der StundeDie Kunst, wie soll man sie beschreiben?
Ich mein: Was macht ihr Wesen aus?
Wenn ich jetzt reime „Fensterscheiben“,
bin ich als Dichter schon fein raus?

Das kann nicht sein. Ich wälze Schriften.
Gedrucktes tut ja Wahrheit kund.
Kein Zweifel soll mir je vergiften
dies Manna aus Expertenmund.

Doch halt, hier stock ich schon
(um den „Olympier“ zu zitieren) –
die Schriften sind Legion:
Wo mag die Wahrheit mitmarschieren?

Horaz, der Elegien großer Meister,
bewies auch diesbezüglich seinen Rang.
Die Musen, riet er dem Talent, begeister
mit Tricks und Regeln auch für deinen Sang!

Beschrieb in der „Poetik“ detailliert
die Klippen, die es zu umschiffen gilt,
damit nicht spurlos sich verliert
das Wort, das unserm Kiel entquillt.

Soll ihm der Wahrheit Palmenzweig gebühren?
Wenn einem, sicher, dann Horaz –
wird zum Parnass er auch nicht führen
den Gipfelstürmer zweiten Grads!

Die Normen, die er klug ersonnen,
verwandt er selbst nur virtuos –
ach, Schafe tränk an goldnen Bronnen,
ihr Blöken werden sie nicht los!

Zuerst Talent, das höchste Muss.
Dann: Lieder, reifend im Gehirn.
Dazu ein Schreiber, gut in Schuss,
Gedankenknäuel zu entwirrn.

Fühl zum Poeten dich berufen,
scharr, Pegasus, mit deinen Hufen!
Denn Chuzpe ist die halbe Kunst
beim Aufstieg in der Massengunst.

Ein schlimmes Schicksal überdies
kann dich zum Könner küren:
Der Ruf des leidenden Genies
erschließt sich Herzenstüren.

Exzentrik kommt dir auch zugut.
Nur immer alles hübsch verquer!
Das Einhorn liebt man, die Chimär’,
nicht Mäuse, grau, mit Doktorhut.

Indem ich mich so dreh und winde,
mal hier, mal da den Reim postier –
ob dadurch ich dann glücklich finde
des Dichterruhmes Elixier?

Die Form, sie führ kein Eigenleben,
schmieg innig sich dem Inhalt an:
Was würd ich für Terzinen geben,
wie Dante göttlich sie ersann!

Dass einer in den andern schlinge
sich kettenmäßig Glied für Glied,
so reiht die Reime er zum Ringe,
den er um alle Sphären zieht.

Und weg von ausgelatschten Pfaden:
Mit kühnem Salto querfeldein
und Frischluft in die Lunge laden –
der halbe Dichter-Führerschein!

Doch so dantesk wird’s nicht gelingen
das Neue, wenn es wild gewollt.
Lass wie im Rausch den Stümper singen:
Du hörst nur einen Trunkenbold.

Sind Reim und Rhythmus dir gelungen,
sind Klang gefällig und Gehalt?
Schon Gründe für Belobigungen –
doch Lorbeer nicht im Blätterwald.

Die Speisen, die wir täglich kauen,
sind sie Gemenge nur, Gemisch?
Gekröse auf des Gaumens Auen,
Kaldaunen nur von Kutterfisch?

Gewürz muss rein und Hitze,
und alles wohldosiert,
worauf das Ganze schwitze,
akribisch terminiert.

Und schließlich noch ’ne Prise
von irgendeinem Kraut,
geheim trotz Expertise,
dem Koch nie abgeschaut.

(Ui, hat der Vers mich Zeit gekostet!
Ihr Musen, sagt, wo seid ihr hin?
Glaubt nicht, dass ich am Ende bin:
Denn nur wer reimet, der nicht rostet.)

Bei diesem wieder gab’s kein Zaudern:
Momente nur hat es gebraucht.
Verzeiht dies Aus-der-Schule-Plaudern –
doch seht auch, wie das Dichten schlaucht!

Lernt man Gedichte nach Rezepten?
Poetiken sind Schall und Rauch.
‘ne Handvoll Tricks für die Adepten –
der Rest kommt aus dem hohlen Bauch.

Versuch mal, so was zu erklären,
was unbewusst mit uns passiert!
Willst deinen Bauch du Mores lehren,
damit sein Knurren ihn geniert?

Kein Ende finden

Kein Ende findenMal wieder Zeit zum Schlafengehen.
Die Uhr hat Mitternacht passiert.
Auf wackeligen Füßen stehen
die Verse schon dahingeschmiert.

Das Fläschchen mit dem Korkenschnuller
hab ich schon lange ausgesaugt,
dass satt und selig ich wohl kuller
in Schlummer, der für Tage taugt.

Doch Nacht für Nacht geschieht das Gleiche,
geht meine Sitzung auf den Rest:
Statt dass ich in die Koje schleiche,
kleb wie geleimt am Stuhl ich fest.

Mit Zähnen wehr ich mich und Klauen
dagegen, dass der Tag vorbei
und schon das nächste Morgengrauen
dem Horizont im Nacken sei.

Profan: Ich kann kein Ende finden,
bin einmal ich so recht in Fahrt,
um, schnipp, den Faden zu entbinden
vom schönen Schnurrn der Gegenwart!

Mal ist sie kürzer, ist sie länger,
die Galgenfrist, die ich noch hab,
dieweil sie häufen sich, die Hänger,
und Pegasus kommt aus dem Trab.

Das Schicksal ist nicht abzuwenden,
zu dem uns die Natur bestimmt.
Der Pinsel gleitet aus den Händen;
das letzte Geisteslicht verglimmt.

Nicht entflammt

Nicht entflammtWieso hab ich denn heut vergessen
das Flämmchen, das zum Träumen reizt?
Hab sonst doch, kaum am Pult gesessen,
die Kerze erst mal angeheizt!

Muss als Symptom ich das nicht werten,
dass mein Gedächtnis kollabiert
und sich auf der Erinnrung Fährten
schon die und jene Spur verliert?

Werd jedenfalls im Blick behalten,
wie’s weitergeht mit dem Malheur –
ob ich zum Eisen schon, zum alten,
ob ich zum Schrott bereits gehör.

Wobei, das gilt’s zu überlegen,
man selbst womöglich gar nicht spürt,
wenn auf des Hirns gewundnen Wegen
es immer wen’ger Lasten führt.

Verlässlicher will mir da scheinen,
der Schreibkunst auf den Zahn zu fühln
und zwischen Versfuß-Strophenbeinen
den goldnen Auswurf aufzuwühln.

Solln mir die Musen doch orakeln,
ob wohlgeritten Pegasus
oder, den Zaum ihm abzutakeln,
ich runter von der Mähre muss.

Mag der Parnass höchstselber richten,
was meinem Urteil sich entzieht –
belauschen, wägen und gewichten:
So liegt mein Schicksal denn im Lied.

 

Vorläufiger Abschied

Vorläufiger AbschiedKlar, dies Ambiente wird mir fehlen:
Ein Himmel, der beständig blau,
und Möwen, die aus tausend Kehlen
das Meer erfüllen mit Radau.

Die Palmen, die wie Trauerweiden
den Wuschelkopf zur Erde kehrn,
und doch kein andres Übel leiden
als Stürme, die ihn fliegen lehrn.

Das ärgert nur die Papageien,
wenn sie zurück wolln in ihr Nest
und, mögen schimpfen sie und schreien,
die Windsbraut sie nicht landen lässt.

Und dann das Völkchen flacher Katen,
die überall im Ort verstreut
und noch das alte Dorf verraten
im schlichten Stil der Fischersleut.

Ein Kirchlein, das mit Feuereifer
von Zeit zu Zeit den Klöppel schwingt
und ähnlich wie’n Rekrutenschleifer
die Schäfchen in die Knie zwingt.

Nun ja, da wärn noch ein’ge Posten
im bunten Ferienkatalog.
Doch werd ‘ne Weile ich nicht kosten
aus diesem prallen Futtertrog.

Indes wird mich der Trost begleiten,
wenn mich der Flieger heimwärts trägt:
Nicht Pegasus nur muss ich reiten,
dass es mich wieder her verschlägt!

Farbenspiel

FarbenspielMehr als ein Witz – ‘ne Katastrophe:
Ein Dichter, der in Wolken fliegt,
geladen hoch zum Musenhofe –
wobei die Tinte ihm versiegt!

Im Anflug auf parnass’sche Ehren,
da Pegasus so schön in Trab,
muss er das Wichtigste entbehren
und bricht die Reise erst mal ab.

Beginnt ‘ne fieberhafte Suche
(„Da muss doch wo ein Stift noch sein!“),
und nach dem üblichen Gefluche
fällt endlich ihm sein Standort ein.

Ich wusst es doch, hier dieser grüne
(„Wieso hab je ich Grün gewählt?“)
verhindert glücklich, dass der kühne
Gedankenflug sein Ziel verfehlt.

Heut muss ich mit dem Griffel leben,
doch morgen, wenn der Mittag graut,
sobald sich meine Lider heben,
wird nach ‘nem blauen ausgeschaut.

Am besten werd ich zwei erwerben,
dass ich auf Nummer sicher geh;
wird sich der eine dann entfärben,
na, wie ich dem ‘ne Nase dreh!

Ob da wohl falsche Töne schwangen
an dieser malerischen Naht?
Nein, offensichtlich gut gegangen –
das erste Lied im Farbspagat!

Herzlich willkommen II

Herzlich willkommenWie schön, euch heute zu begrüßen
in meinem Urlaubsdomizil!
Ihr seht, ich bin auf Pferdefüßen
als Barde immer noch mobil.

Denn Pegasus, den ich geritten
begeistert in der Heimatstadt,
den musste ich nicht lange bitten,
dass er mich hergeflogen hat.

Gefährt ist er mir und Gefährte –
der Gleichklang drückt wohl treffend aus,
wie hoch ich ihn auch hier bewerte,
zweitausend Meilen von zu Haus.

Am Abend, wenn die rosa Flammen
der Sonne schon gelöscht vom Meer,
schwing ich mich auf und, hopp!, zusammen
geht’s hinter flücht’gen Versen her!

Seht hier den Hauptteil schon der Strecke:
Fünf Strophen, schön in Reih und Glied,
bracht ich per Blattschuss um die Ecke,
für sie das Ende schon vom Lied.

Doch ist mein Jieper auf die Beute
mit dieser Quincunx nicht gestillt,
denn zu erlegen grade heute
bin ihrer sieben ich gewillt.

Ich hoff, ihr werdet’s nicht bereuen,
dass ihr so fern mich heimgesucht:
Sollt heitrer Dichtung euch erfreuen –
drum hab den Süden ich gebucht!

Mobiles Dichten

Mobiles DichtenMag in der Fremde man auch landen,
man richtet sich doch häuslich ein.
Kommt dir die Heimat mal abhanden,
es bleiben Kerze, Stift und Wein.

Das Handwerkszeug der stillen Nächte,
da ich gehämmert und gehaun,
dass Selbstgezimmertes ich brächte
den kunstbeflissnen Musenfraun.

Wie leicht lässt es auch hier sich finden
und sich verwenden zu dem Zweck;
mir scheint, man liebt es, loszubinden
den Pegasus an diesem Fleck!

Ein Grund mehr, Mühe mir zu geben
in diesem stummen Sängerstreit,
um mich von allen abzuheben,
von allen andalusienweit.

Warn es nicht maurische Poeten,
dern Lied hier ewig lang geblüht,
dieweil in Liebe zum Propheten
und mancher Schönen sie geglüht?

Nun, beides ist nicht meine Sache
(das Letztre unfreiwillig nur!),
so dass ich meine Glut entfache
zumeist zum Lobe der Natur.

Da gibt’s genug Gelegenheiten:
Soeben kehr ich heim vom Strand –
des Abendhimmels rosa Zeiten,
das ganze Mittelmeer in Brand!

Kein Herkules

Kein HerkulesDer Vollmond wär es wert gewesen,
dass ich ihn lyrisch angebellt,
doch war ich noch beim Blütenlesen
auf einem andern Musenfeld.

Er hat sich nicht die Müh genommen
zu kurzem ruhenden Verkehr –
erhobnen Hauptes fortgeschwommen
ist zügig er im Wolkenmeer.

Nun liegt der Himmel unbeleuchtet,
nicht mal gespickt vom Sternenschein,
indes allmählich Tau befeuchtet
der Bäume lichte Blätterreihn.

Grad hat es Mitternacht geschlagen,
unhörbar mangels Kirchenuhr,
und auch die Geister, die jetzt tagen,
verraten sich gedanklich nur.

Romantik einer Bahnhofsgegend:
Tristesse von Schmuddel und Verfall.
Der Dichter, sich darin bewegend:
Apollo im Augiasstall.

Doch ohne Chance auszumisten,
was Herkules allein vermag.
So muss ich denn hier weiternisten
in meinem sauberen Verschlag.

Die Kunst indes wird drum nicht leiden,
sie ist genügsam wie das Vieh.
Wo immer Pegasus wir weiden,
ihm reicht ein Häufchen Fantasie.