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Heilige Pädagogik

Heilige PädagogikWen hätte lieber man zum Vater
als Jesus, der seit alter Zeit
in diesem wüsten Welttheater
das Muster gibt der Menschlichkeit?

Der lehrte, seinen Feind zu lieben,
und Petrus drum das Schwert entwand;
der Sündern, die schon abgeschrieben,
verständnisvoll zur Seite stand?

Der segensreich den Armen, Schwachen
hat Hand und Hilfe stets geliehn,
geheilt, um ihnen Mut zu machen,
gescherzt, getröstet und verziehn?

Der „Lasst die Kindlein zu mir kommen,
denn ihrer ist das Himmelreich“
zum Staunen aller Pseudofrommen
gefordert völlig „chancengleich“?

Sich den als einen vorzustellen,
der seine Lütten manchmal bläut,
kam nicht den übelsten Gesellen
in ihren schmutz’gen Sinn bis heut.

Das bleibt der Kirche vorbehalten,
die dank des Drahts zum Heil’gen Geist
selbst ihres Meisters Wolln und Walten
nach Gusto übern Haufen schmeißt.

Hat eben erst sein „Stellvertreter“
mal wieder öffentlich getan –
der Stuhlbefugte von St. Peter,
der Seelenhirt‘ vom Vatikan.

Merkt auf, ihr Männer und ihr Frauen,
der Papst gewährt Dispens euch jetzt:
Ihr dürft die Gören auch mal hauen,
wenn’s ihre Würde nicht verletzt!

Den Widerspruch indes zu lösen,
Dogmatik erst studieren geht,
der hat ja Haken auch und Ösen
wie die vertrackte Trinität!

Auf einer Linie etwa läge,
was ja auch logisch nicht bestäch,
wenn man bei solcher „Kinderpflege“
vom „Heil’gen Rabenvater“ spräch.

Hüter des Hauses

Hüter des HausesEine der mächtigsten Gestalten,
die wandeln wohl auf Gottes Erd,
ist jener Meister, dessen Walten
so manches Haus das Fürchten lehrt.

(Auf dass man einfach nur vereine
die Substantive sechs und vier,
zu wissen, wen ich damit meine:
Capito? Also weiter hier.)

Meist ist er unscheinbar gekleidet,
begnügt sich mit ‘nem grauen Ton,
weil, denkt er, man ihn eh beneidet
um seine prächt’ge Position.

Er muss auch keine Waffen tragen,
‘n Hammer und ‘ne Zange langt,
die Übel aus dem Feld zu schlagen,
an denen so ‘ne Klitsche krankt.

Wie Petrus an der Himmelspforte
schwenkt er zudem ein Schlüsselbund,
indes als englische Eskorte
ihm dient ein deutscher Schäferhund.

Samt diesen Amts- und Würdezeichen,
mit denen er verwachsen scheint,
sieht man ihn durch die Gänge schleichen,
den Zerberus kurz angeleint

Dass wie ein Polizist auf Streife,
der wachsam seine Runde geht,
im Treppenhaus er seine Schleife
des öfteren am Tage dreht.

Ist er nicht auch ein Ordnungshüter
und stets bereit, sich zu empörn,
sobald rebellische Gemüter
den Frieden im geringsten störn?

Dazu steckt er die Schnüffelnase
nach Möglichkeit in jeden Bau
und kennt vom Opa bis zur Base
den ganzen Stammbaum haargenau.

Und keine Kiste und Kommode,
entgeht dem Kuckuckskleberblick,
er weiß, was gut ist und marode
und wer es dünn hat oder dick.

Ein typ’scher Fall von Herrschaftswissen.
Er kennt zwar nicht den Terminus,
doch kann er ihn auch gerne missen –
er weiß ja, was er wissen muss.

Frau Meier, tach. Wo ich Sie sehe,
erklärn Se mal dem Sohnemann,
dass er da in der Haustürnähe
sein Rad nicht stehen lassen kann!

Und tagte da bei Ihnen gestern
vielleicht der ganze Sparverein?
Ich sitz gemütlich vor ‘nem Western
und denk, gleich stürzt die Decke ein!

Mit Müllers hab ich schon gesprochen,
die warn darüber auch nicht froh,
ham ihr Canasta abgebrochen.
Das sach ich Ihnen nur mal so.

Nicht lange um den Brei rumreden.
Nur immer herzhaft und direkt.
So zieht er munter seine Fäden,
auch wenn’s der Nachbarschaft nicht schmeckt.

Das gilt besonders für die Kinder,
dern harmlos-unbeschwertes Spiel
als Regel- und Verbotserfinder
zu störn ihm immer schon gefiel.

Woraus im Weitergang zu schließen,
dass gern er auf die Schwächsten drischt,
um eine Stärke zu genießen,
die nicht an Stärkeren erlischt.

Doch wird auf ewig es so bleiben,
dass er so herrscht, so unbeschränkt?
Bald wird man einen Nachruf schreiben,
der seiner „herzensgut“ gedenkt.

Dann weilt er schon in Minos’ Höhle,
im Labyrinth der Unterwelt,
gespenstisch wandernd mit ‘ner Töle,
die nur noch wie ein Schatten bellt.

Strenge Kleiderordnung

Strenge KleiderordnungWas Kardinaltugenden sind,
das weiß ja heute jedes Kind –
doch wie’s Mysterium des Grals
die Tugend eines Kardinals.

Die farbenfrohen Klerikalen
von der katholischen Couleur
sich immer noch in Roben aalen
als ihrer Würde Zubehör.

Sie tragen wallende Gewänder,
die allerlei an Beiwerk ziert,
und sind als Heils- und Segenspender
aufs Blendendste herausstaffiert.

Man kennt sich aus in solchen Sachen,
betont bewusst die Tradition.
Den Fakt, dass Kleider Leute machen,
den schätzt man ja seit Olim schon.

Ja, nehmt ‘nen blassen Pickelbuben
und steckt ihn in so’n buntes Tuch,
was braucht er da noch Salbentuben?
Der Rock, er tilgt den Akne-Fluch!

Fortan wird wie ein Pfau er schreiten
mit gravitätisch-eitlem Gang
zur Freude derer, die ihn weihten
zu Sermon und Altargesang

Und von den Lämmern abgehoben
auf ihrer Einfalt Weidegrund
die Weisheit des Allmächt’gen loben,
mit der begnadet nun sein Mund.

Gewohnt, so täglich zu verkehren
mit höchster Himmelstrinität,
kann kaum ihn noch ein Schäfchen scheren,
das blökend seine Perlen dreht.

Er schwebt in höheren Regionen
und sieht als Heil’gen sich schon fast
knapp unterhalb des Herrgotts thronen
in Sammet, Seide und Damast.

Wer sollte sich auch sich’rer wähnen,
das Himmelreich sei ihm gewiss,
als einer, der mit Klau’n und Zähnen
sich in den schönen Schein verbiss?

Hat mit Gebeten und Gesängen,
so manche irdsche Freude flieh’nd,
mit Weihrauch er und Wassersprengen
sich nicht den Eintritt auch verdient?

Ja. Wär der große Weltenschöpfer,
von seiner Kirche Geist beseelt,
ein Beutelschneider und ein Schröpfer,
der gierig nur sein Bakschisch zählt

Das ihm in Form von guten Werken
und Ritualen zugesteckt,
um seinen Willen zu bestärken,
dass er die Geber einst erweckt

Zu Harfenspiel und Engelschören
in einem ew’gen Frühlingshain!
Wär ich der Herrgott, ich möcht schwören,
ich würd zutiefst beleidigt sein

Dass man mit solchen Nichtigkeiten,
mit Kinkerlitzchen, Nippes, Tand,
dem meint ‘ne Freude zu bereiten,
dern Kosmos hält in seiner Hand!

Und gar noch, selber Gott zum Wunder,
zu herrschen glaubt an seiner Statt
mit diesem ganzen Pomp und Plunder,
da ER stets Jeans getragen hat!

Der Wahnsinn wird sich einmal rächen,
die Ewigkeit kennt keinen Spaß.
Von nichts und niemand zu bestechen:
Gerechtigkeit ihr höchstes Maß.

Ich sehe ihn da förmlich stehen,
den Pfaff vor Petrus, fesch und fein.
„Dior nur, Lieber? Lass mal sehen …
So Lumpen kommen hier nicht rein.“

Geistesnahrung erwünscht

SeraphDie Nacht ist weiter vorgedrungen.
Nach zwölf zeigt an der Wand die Uhr.
Seit neun hab Verse ich gesungen –
‘ne Handvoll Zeiln als Lebensspur.

Voraus die übliche Kulisse:
Gebäude, spärlich noch erhellt.
So sieht man nicht die ersten Risse,
die manche Mauer schon entstellt.

Natürlich gibt’s auch einen Himmel,
den braucht man ja als guter Christ.
Zieht irgendwann nicht an der Bimmel
man da, wo Petrus Pförtner ist?

Indessen hätte heut man Mühe,
zu sehn das Paradiesestor,
denn eine weiße Wolkenbrühe
steht einem Seraph gleich davor.

Nichts aber kann den Blick mir trüben,
wenn meine Klause er durchschweift:
die Küche, eine Kunst zu üben,
mit der man zu den Sternen greift.

(Hier ist von Kochen nicht die Rede,
wenn’s vordergründig auch so klingt:
Ich schaff’s als guter Logopäde,
dass selbst der Wasserkessel singt.)

Den Dichteraugen offenbaren
seit ewig sich hier unverhüllt
die Schränke und die Essenswaren,
mit denen er den Bauch sich füllt.

Und die den Unterbau ihm bieten
(hier hat der Trierer nicht geirrt)
für dies Gewusel von Termiten,
das als Ideen im Kopf ihm schwirrt.

Nein, dies bekannte „Plenus venter“,
das hungrig uns studieren heißt,
gilt nicht in meinem Musencenter,
wo grad die Nahrung nährt den Geist.

Ob sie bekömmlich auch dem Zwecke,
dass schwanengleich ertönt mein Sang,
dies, Leser, für dich selbst entdecke –
lies, wie ich schreibe: nächtelang!

Lärmgeplagt

LärmgeplagtHomöopathisch sozusagen,
in kleinen Dosen, die nicht störn,
fahrn jetzt die Mittelklassewagen.
Man könnt ‘ne Nadel fallen hörn.

Die Straße ruht von ihrn Geschäften.
Die Läden zu. Silentium.
Nur ein Friseur schert noch nach Kräften
am Zottelschopf der Kunden rum.

Und die in dieser Ecke wohnen,
am Bahnhof gleich für Bahn und Bus,
sie können ihre Nerven schonen,
die tags so unter Lärmbeschuss.

Zwar fehlt noch viel an ‘ner Idylle –
zu trostlos reiht sich Haus an Haus
zu grünentkernter Ziegelfülle
im strengen Einheitslook des Graus.

Doch wem’s verwehrt, die Hand zu kriegen,
nimmt gern auch mal ‘nen Finger nur.
Wie unschuldsvoll sie nun da liegen,
die Sünden der Architektur!

Die Nacht in ihrer dunklen Gnade
zog Larven ihnen vors Gesicht –
da seht die scheußliche Fassade
geschönt mit Pflästerchen von Licht!

Der Regen rieselt jetzt so leise,
wie’s eigentlich nur Schnee vermag,
und macht damit auf seine Weise
fast feierlich noch diesen Tag.

(Besonders fein hat aus den Wolken,
die euterdick am Himmel ziehn,
ihn Petrus nur herausgemolken,
dass er dem vor’gen Verse dien.)

Das ist schon fast zu viel des Guten
für ein Quartier in Citynäh.
Was sag ich denn: Ein Heuln und Tuten
zerreißt die schöne Stille jäh!

Die Jungens mit der Feuerspritze!
Frei schießt den Weg das Tütata
aus ihrer Martinshorn-Haubitze –
brandeilig haben sie es ja!

Und kaum ist dieser Krach verklungen,
den wo der rote Hahn entfacht,
jault mit der Kraft von Pferdelungen
ein Peterwagen durch die Nacht.

Vorbei, uff! Und wie weggeblasen,
was eben noch die Ruh zerriss.
Wie Weidekühe friedlich grasen
Fassaden in der Finsternis.

Der Griffel, den ich maulend kaute,
weil mir der Lärm das Hirn blockiert,
beendet seine Schaffensflaute
und fröhlich wieder Zeilen schmiert.

Doch grad dass ich im Rausch der Lieder
an diesen Frieden mich verlor,
da platzen von der Straße wieder
Geräusche ins erschreckte Ohr.

In kurzen, wütenden Sentenzen
schimpft ein Betrunkner vor sich hin.
Rhetorisch will er gar nicht glänzen –
ihm steht nur nach Radau der Sinn.

Und unten, im beparkten Hofe,
fällt dröhnend eine Klappe zu,
wahrscheinlich weil ‘ne Ladenzofe
noch Müll entsorgt in aller Ruh.

Die ganze Nacht könnt ich hier sitzen,
bis auch der letzte Stern verblich,
und Runen in Papyrus ritzen –
nie wär die Stille klösterlich.

Denn mein Skriptorium, eh bescheiden,
entbehrt den großformat’gen Stein,
den, ihre Weltflucht zu umkleiden,
verbauten Münster und Abtein.

Liegt auch in Wäldern nicht und Weiten,
die nur des Pilgers Fuß durchmisst,
nein, wo zu allen Tageszeiten
das Zentrum des Urbanen ist.

Hier ist sie wirklich nicht zu haben,
die Stille, rein und unvergällt,
der lediglich der Feder Schaben
beruhigend sich beigesellt.

Doch wenn da gilt: An Widerständen
wächst, wer mit ihnen ernstlich ringt –
kann’s sein, dass frei von Lärmschutzwänden
ein Barde umso besser singt?

Das werden nur die Musen wissen
und Rezensenten allenfalls.
Die Erst’ren schweigen noch verbissen,
die Letzt’ren hab ich nicht am Hals.

Zur Unzeit

Zur UnzeitIst da vielleicht was schiefgelaufen?
Wir haben ja schon Anfang Mai –
und Wasser muss die Erde saufen,
als wär’s der süße Märchenbrei.

Die Sintflut will partout nicht stoppen,
vom Himmel rauscht es wie verrückt –
ein Wetterchen, um Skat zu kloppen
im Winkel, den ein Ofen schmückt.

Die armen Bäume da am Wege,
wie’s denen auf die Ohren knallt –
wie Watschen links und rechts und schräge
brutal in ihren Blätterwald!

Und auch den leidgeprüften Ziegeln,
der Dächer schützend schupp’ge Haut,
sieht man den kahlen Scheitel schniegeln
was in den Wolken ausgebraut.

Wenn’s noch April wär, meine Güte!,
man nähm es ja gelassen hin –
doch jetzt im Mai fehlt dem Gemüte
für diesen Schweinkram jeder Sinn!

Wer trägt die Schuld an der Misere?
Sankt Peter, Zufall, die Natur?
Oder gibt Homo sich die Ehre:
„Allgegenwärtig meine Spur!“

Egal. Hiermit ich appelliere
an Noah, Zeus, den Drachengott:
Bewegt doch endlich die Scharniere
und schließt das leid’ge Schleusenschott!

Wahrscheinlich hat es eh verschlafen
so’n Schnarchhahn aus dem Götterkreis,
der da im ew’gen Heimathafen
von Zeit und Stunde nichts mehr weiß.

Doch andrerseits: Ich fress ‘n Besen,
macht’s wer da auf die schnelle Tour.
Man hat ja Einstein auch gelesen
und misst nicht mit der Erdenuhr.

So will ich in Geduld mich üben.
Zumal ich nicht des Trostes bar:
Schlürf ich nicht Wein in kleinen Schüben,
nicht Sonne vom vergangnen Jahr?