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Lukrative Lümmel

Regierende sind oft Halunken,
die eher sich als Engel sehn,
obwohl sie macht- und moneytrunken
gefühllos über Leichen gehn.

Und haben alle doch beteuert,
beschworn, besiegelt und signiert,
dass stets den gleichen Kurs man steuert
wie alle Welt, zivilisiert.

Die aber lässt sich gerne foppen
und pisst den Heuchlern nicht ans Bein –
ihr einz‘ges Ziel heißt shoppen, shoppen,
egal bei welchem Schlachtverein.

Und wollen selbst ja auch verschachern,
was jenem in die Augen sticht
und ihnen als Geschäftemachern
den höchsten Zugewinn verspricht.

Um aber diesen „Wert zu schöpfen“,
den schwarz man in die Bücher schreibt,
man sicher nicht mit Hosenknöpfen
und Gummibärchen Handel treibt.

Da braucht’s gewichtigere Waren,
Maschinen und Spezialgerät,
um Menschen selbst dort einzusparen,
wo eh sie schon zu reich gesät.

Ja, immer schon ein Faible hatten
Despoten für das Muskelspiel –
Kanonen, Panzer und Fregatten
empfehlen sich da für den Deal.

Da wird in andren Dimensionen
vom Güteraustausch profitiert,
dass Kriege allemal sich lohnen
für den, der Waffen produziert.

Mir ist indes versagt geblieben
der Sinn für Mammon überhaupt
und hab mir immer nur die Grieben
aus diesem Daseinsschmalz geklaubt.

Ui, dieses Bild ist so daneben
wie mein Instinkt für Gut und Geld!
Doch bin ich, Pluto, darum eben
in deinen Augen nicht ein Held?

Falscher Glanz

Geh bis zum Hals in Sack und Asche,
zerknirscht ich und im Büßerkleid,
wenn, Scheidemünzen in der Tasche,
ich einmal übern Jordan schreit?

Nie hab auf gutem Fuß gestanden
mit Pluto ich, dem Geber-Gott,
des Pfoten immer Nieten fanden,
griff er für mich in seinen Pott.

Woher die Knete also kriegen,
um mir Paläste zu erbaun,
die, so unnahbar wie verschwiegen,
geschützt von ‘nem Elektrozaun?

Nicht einmal für ‘ne Nummer kleiner,
‘ne Villa reichte mein Salär,
damit zumindest etwas feiner
als Hinz und Kunz behaust ich wär.

Ja, selbst ein Häuschen wo im Grünen,
‘ne hübsche Hecke ringsherum,
versagte sich dem Wunsch, dem kühnen,
weil – nun, ich sagte schon, warum.

Zur Miete musst ich also wohnen
in einem Stadt-Etagenhaus,
ein Malepartus für Millionen
knapp oberhalb des Plattenbaus.

Und ähnlich ist es auch gelaufen
bei jedem anderen Bedarf –
wenn es mir einfiel, was zu kaufen,
dann kalkulieren erst mal scharf!

Mein Leben einmal überschlagen –
nichts, was gewöhnlich Eindruck macht,
so dass die Leute von mir sagen:
Der Bursche hat’s zu was gebracht!

Doch wenn man nur mit goldner Elle
des Schicksals weite Spanne misst,
wo bleiben dann die tausend Fälle,
für die sie zu gediegen ist?

Sind denn nicht auch des Geistes Gaben
der Achtung und der Ehren wert,
wenn etwa sie poetisch traben
auf Pegasus, dem Musenpferd?

Das wird wohl niemand mir verneinen –
doch mit dem Vorbehalt zumeist:
Wenn auch in Münzen und in Scheinen
der Gaul als trächtig sich erweist.

Da bin ich in den Arsch gekniffen –
kein Schwein wird heut von Lyrik satt,
da man nach anderen Begriffen
sein Weltbild sich gezimmert hat.

Im Pantheon der Geistheroen
ist somit auch kein Plätzchen frei,
und für den Eintritt hab, den hohen,
ich den Nobelpreis nicht dabei.

Wird man denn wenigstens mir danken,
dass redlich ich, gesetzestreu,
und ohne nur einmal zu wanken
seit je die krummen Wege scheu?

Ach, Hoffnung eines alten Narren,
der gegen Mühlenflügel ficht!
Die heut nur so vor Reichtum starren
fragt man nach weißer Weste nicht!

Scheint mir ein Brauch, der nachgeblieben
noch aus der Kirche Tyrannei –
das Erbe, sterbend ihr verschrieben,
sprach jeden Schuft von Sünde frei.

Geld, Ehre, Macht, am besten alle,
vereint in einer einz’gen Hand,
schon ziehst du in die Ruhmeshalle
der Größten ein im Vaterland.

Das ist (verschließt euch, Gaußsche Ohren!)
‘ne Größe, die nicht variiert –
sie hängt an diesen drei Faktoren
so wie mit Tischlerleim fixiert.

Vor dieser Trias mich verbeugen?
Da seh ich nichts als Eitelkeit,
gewalt’ge Blasen zu erzeugen,
die platzen mit der Lebenszeit.

Kein Mensch kann übern Schatten springen,
den die Natur ihm angehängt.
Ich freue mich, mein Lied zu singen –
dem Vogel gleich, der Grillen fängt.

An der Wirklichkeit vorbei

Hans HolbeinWir tun, als ob wir tausend Jahre lebten
und tot noch eine Ewigkeit dazu –
als ob die Parzen nicht schon ständig webten
am här’nen Hemdchen unsrer letzten Ruh!

Da kommt wer, dass er seine Schätze horte,
zur Truhe alle Nase lang gerannt –
und schon klopft ihm der Meister an die Pforte,
den Celan den aus Deutschland hat genannt.

Da haut wer, dass er ihm die Sterne zeige,
‘nem andern voll ins Mondgesicht –
und schon geht diesem Schlagetot zur Neige
das eigne schattenreiche Lebenslicht.

Da faselt jemand groß von den Meriten,
die er auf wicht‘gem Felde sich erwarb –
mehr hatte er indes auch nicht zu bieten.
Er lobte sich unsterblich, bis er starb.

Da knapst und knausert wer mit seiner Pinke,
hat sich gar selbst die Taschen zugenäht –
grad als man wünscht, dass er im Geld ertrinke,
trifft ihn der Schlag. Der Doktor kommt zu spät.

Schau sich auch einer an den Schwerenöter,
der hochbetagt noch geckenhaft poussiert –
in dieser Frühlingspose fast noch töter
als kurz darauf, gebahrt und balsamiert.

Des Landes höchster Lenker oder Leiter:
„Ein Unglück, gäbe ich’s Kommando fort!“
Das Staatsschiff aber schlingert fröhlich weiter,
holt der Klabautermann ihn auch von Bord.

Da seht ihn nur auf hohem Rosse sitzen,
den, der auf seinen Stand und Status pocht!
Den Dünkel wird er sich vom Leibe schwitzen,
wenn er demnächst im Höllenfeuer kocht.

Und dann der Boss, der Abgott unsrer Zeiten:
Success, Importance, Power in Person!
Auch er wird bald den bittren Weg beschreiten:
Sein Pluto – Hab und Hölle – wartet schon.

Zu guter Letzt des Feldherrn noch gedenken:
Je mehr geschlachtet, desto größre Ehr.
Theognis will als Grabspruch ich ihm schenken:
Wär besser, dass er nie geboren wär!

Am liebsten kürzt, die Zeit sich zu verkürzen,
der eine Mensch des andern Lebensfrist,
den faden Alltag kräftig sich zu würzen,
der ohne Blut ihm ungenießbar ist.

Und glaubt in seinem mörderischen Triebe,
er selbst sei gegen jeden Tod gefeit.
Woraus wir lernen, dass die Eigenliebe
dem größten Unsinn noch die Lauscher leiht.

Wir leben ohne Grenzen, ohne Schranken,
den Würmern gleich im bloßen Augenblick –
Halunken, die sich noch um Beute zanken,
schließt um den Hals sich schon der Galgenstrick.

Relativ bewegt

Relativ bewegtEin Krümel, der sein Bein bewegt,
das tappend auf die Erde schlägt,
wenn er zu gehn geruht;
womöglich gar in Menschgestalt,
die ihren ganzen Grips geballt,
dass er den Fuß beschuht.

Es könnte auch ein Käfer sein,
zufrieden nicht mit einem Bein,
der sechse von sich streckt
und emsig auf dem Boden läuft,
wo Humus sich und Hölzchen häuft,
dass Nahrung er entdeckt.

‘ne Nummer größer wär genehm
aus dem Bestiarium von Brehm,
und was auf Pfoten geht?
Da könnt ich den euch präsentiern,
der würdig zeigt auf allen viern
des Löwen Majestät.

Doch auch der Dicke mit dem Schlauch,
der stets ihm baumelt vor dem Bauch,
der Graue sei genannt,
der mächtig durch die Steppe stampft
und friedlich Gras und Kräuter mampft,
der nette Elefant.

Und was da so im Wasser schwimmt
und nie den hohen Saum erklimmt
mit Flossen, die zu schwach,
eilt auch dahin im Element,
das längst als Larve es schon kennt
in Tümpel, Meer und Bach.

Vom Seepferd, das stets hinken muss,
bis zum agilen Oktopus
ist alles auf der Walz.
Doch ging man auch ans End‘ der Welt,
von dieser man nicht runterfällt
und bricht sich nicht den Hals.

Der Mensch nur, der zu träumen liebt,
glaubt, dass er sich noch weiterschiebt
mit Krücken unterm Arm.
Und schnuppert übern Erdenrand,
wo er schon manchen Happen fand
im großen Sternenschwarm.

In den er gierig sich verbeißt,
ob Mars er oder Pluto heißt,
weil’s seinen Dünkel nährt.
Und keiner holt ihn noch so schnell
vom hohen Ross mit dickem Fell,
das äpfelt aus dem Stert.

 

Sich finden

Sich findenIm Kosmos nur ein Häufchen Erde,
das um ‘nen dicken Brocken schwirrt,
auf Füßen nicht und nicht zu Pferde,
doch wie der Blitz und unbeirrt.

Und in dem Chaos nicht zu orten,
das der Verstand noch nicht kartiert,
weil weit er vor den letzten Pforten
wie Sisyphus den Mut verliert.

Dass nun zu Pluto schon geflogen
‘ne Linse mit besondrem Schwung,
heißt: um die Ecke bloß gebogen,
heißt: kosmisch nur ein Katzensprung.

In diesen ungeheuren Weiten,
die selbst das Licht mit Müh durchmisst,
in diesen ungeheuren Zeiten,
wo keine Gegenwart mehr ist…

Woher den Optimismus nehmen,
man hätt wer weiß was schon erreicht –
vielleicht wird man sich einmal schämen,
dass man dem Floh im Tümpel gleicht.

Triumphe in die Welt trompeten
aufgrund der langen Himmelfahrt?
War doch nur ‘n Auf-der-Stelle-Treten,
geräuschvoll nach Flamenco-Art.

Doch wie bei solchen Dimensionen
ich selbst mich richtig adressier?
Ganz leicht: Wo immer wir auch wohnen,
wir finden uns ja immer hier.

 

Kleine Sinnsuche

Kleine SinnsucheWie einem Dasein Sinn verleihen
von derart flüchtiger Natur,
dass ruck, zuck sich die Tage reihen
wie Perlen auf der Büßerschnur?

Da hat wohl jeder ‘ne Methode,
mit der er seinen Frust verdrängt,
auf dass er aus dem Herzen rode
die Ängste, die da eingesenkt.

So kann man sich in Arbeit stürzen
in Blaumann, Kittel oder Frack,
mit „Leistung“ und „Erfolg“ zu würzen
des Lebens faden Beigeschmack.

Man kann auch in Vergnügen tauchen,
in denen man total versinkt,
wie Fußball, Pop und Kettenrauchen –
lässt man sich leiten vom Instinkt.

Gibt man dem Geist indes die Ehre,
erfüllt die Klassik diesen Zweck –
der Kunstfreund stopft desselben Leere
mit Shakespeare, Schiele oder Egk.

Auch der Verfasser dieser Zeilen
sucht Zuflucht im Delirium –
beim angestrengten Versefeilen
vergisst er alles ringsherum.

Und doch, in lichten Augenblicken
wird diese Scheinwelt ihm bewusst
mit ihren Mikromenschgeschicken
und ihrer aufgesetzten Lust.

Dann schaut er auf zum Sternenhimmel
und wachen Auges ihn durchmisst,
und weiß, dass in dem Lichtgewimmel
die Sonne seine Heimat ist

Um die wir mit dem Globus kreisen
wie Pluto, Venus und Merkur –
ein Haus, ein schwankendes, auf Reisen
nonstop im Nichts, rund um die Uhr.

Besiedelt von ‘ner Biomasse,
die in den Erdendreck sich duckt
und, dass nicht Schwindel sie erfasse,
erst gar nicht in die Tiefe guckt.

Kein Wunder! Muss doch deprimieren,
was schon ein flücht’ger Blick verrät:
Milliarden Körper, die rotieren,
doch nichts, was um den Sinn sich dreht.

An alln unzähl’gen Weltenecken
pflegt man den Schwung als Zeitvertreib
und scheint nichts andres zu bezwecken,
als dass man in Bewegung bleib.

Darum die Klüsen fest verrammeln
vor dieses Kosmos Affentanz
und Briefmarken zum Beispiel sammeln
als seines Lebens Glück und Glanz!