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Gratiskonzert

Die tiefen Töne überwiegen
bei dieser kruden Melodie,
die morgens schon herüberfliegen
vom Baugelände vis-à-vis.

Nur eine Handvoll Instrumente,
doch nichts von Flöte und Spinett.
Das Fehlen feinerer Akzente
macht ein konstantes Forte wett.

Der Bohrer spielt die erste Geige,
ein riesenhafter Kontrabass,
dass tief er in den Boden steige
zu Proben ohne Unterlass.

Ein Scheppern ist sein Markenzeichen,
wenn innen an sein Rohr er schlägt,
dass dem Gewinde so entweichen
die Klumpen, die es mit sich trägt.

In einer etwas höhren Lage
gibt sich dafür die Raupe kund –
Gestöhn hält dem Gequietsch die Waage,
düst sie con brio übern Grund.

Dazu das Brummen der Motoren
von Lastern, die geduldig harrn,
wie große, schwerbereifte Loren
das Baggergut davonzukarrn.

Die Kammer-Crew der Interpreten.
Doch gibt auch einer an den Ton –
statt mit dem Stock, dem obsoleten,
mit einer Mess-Totalstation.

Ein Weißhelm hebt ihn aus der Menge
der Spieler mit den bunten raus.
Er kennt nach Breite und nach Länge
den Masterplan des ganzen Baus.

Obwohl die Töne üppig fließen,
bis abends man die Bühne sperrt,
lässt sich doch eintrittsfrei genießen
dies lange Open-Air- Konzert.

Doch leider hab auf die Moderne
ich immer noch nicht richtig Bock
und träum mich lieber in die Ferne
zurück zu Klassik und Barock.

So zähln zu meinen Favoriten
Vivaldi, Telemann und Bach.
Was die da drüben aber bieten,
das nenn ich schlicht und einfach Krach.

Alt-Flöte

Unter den zig Adventsgeschenken
hat auch ein Blasrohr mich erfreut,
um gift’ge Pfeile zu versenken
im Ohr der lieben Nachbarsleut.

Genau besehen eine Flöte
mit Schnabel und mit Labium,
auf der ich nun schon fleißig tröte
ein regelloses Dideldum.

Denn Übung macht ja erst den Meister
auch in dem Töne-Abc,
der ich mich widme umso dreister,
als ich noch ganz am Anfang steh.

Kaum können noch die Finger greifen
ein G gerade und ein A,
um nicht viel mehr damit zu pfeifen
als das besagte Trallala.

Ein H ist heut dazugekommen
zum Trio gleichsam, do, re, mi,
und prompt hab ich mir vorgenommen
die erste Katzenmelodie.

Werd ich’s zum Virtuosen bringen?
Da reich im Leben ich nicht ran.
Wie schwerelos dagegen klingen
die Töne eines Telemann!

Zum Beispiel diese Flötensuite –
würd ich die jemals praktiziern,
man müsste hier im Haus die Miete
des Lärmes wegen reduziern!

Nein, Jahre braucht’s ununterbrochen
für so ein freies, flüss’ges Spiel,
das setzt sich dieser alte Knochen
am besten gar nicht erst zum Ziel.

Doch Töne aus dem Rohr zu locken,
das schaff ich jedenfalls mit links,
auf die Gefahr selbst hin, zu schocken
die werten Mitbewohner rings.

Da kommt die Bude mir entgegen,
die etwas aus dem Rahmen fällt
und, halb im Keller schon gelegen,
von anderen schön Abstand hält.

Bleibt nur noch über mir die Dame,
die über neunzig, wie ich glaub.
Wie war doch gleich noch mal ihr Name?
Egal, Sie ist auch so schon taub.