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Weitgehende Enthüllung

Weitgehende EnthüllungWann sah das nächtliche Gefunkel
ich eigentlich zum letzten Mal?
Es ist, als ob ein kaltes Dunkel
den Himmel uns für immer stahl.

In all den letzten Tagen, Wochen
war abends stets der Vorhang dicht
und ist kein Fünkchen rausgekrochen
als Herold für das Sternenlicht.

Genauso hinter den Kulissen
blieb auch der gute Mond versteckt.
Hat seine Schau er abgerissen?
Ist auf der Bühne er verreckt?

Als ob ein Brand gewütet hätte,
das Firmament zu Fall gebracht
und nun in Asche läg die Stätte
zu ewig sternenloser Nacht!

Doch derart kosmisches Geschehen,
sag selbst, geneigte Leserschaft,
könnt doch der Menschheit nicht entgehen
mit ihrer Teleskopenkraft.

Wir müssen anders es erklären:
als schlichtes Wetterphänomen.
Die Wolken sind’s, die regenschweren,
die da nicht von der Stelle gehen.

Ja, lassen den Verstand wir spielen,
bleibt uns kein Rätsel ungelöst.
Muss dennoch oft zum Himmel schielen –
der irgendwie mir Angst einflößt.

Stadtnatur

StadtnaturHier schlagen keine Nachtigallen,
hier ruht kein Reh im grünen Tann –
hier ist das Reich der Radarfallen,
der Polizist ein Jägersmann.

Kein Mond, der aus dem Meer der Wipfel
sein Strahlenhaupt zum Himmel reckt –
kaum sichtbar hinterm Häuserzipfel,
die nächste Wand ihn schon verdeckt.

Auf weichem Moos willst du dich betten,
die Füße wo im Blaubeerlaub,
und ringsherum die Lagerstätten
von Pilzen, die zurzeit noch taub?

Ein frommer Wunsch auf diesen Fluren,
die wenig mit Natur gemein
und tief versiegelt mit den Spuren
von Asphalt, Dreck und Ziegelstein.

‘nen Trupp von jugendlichen Bäumen,
der Schule eben erst entflohn,
sieht spärlich man die Straße säumen
als eines Waldes Illusion.

Daraus auf wundersame Weise
das Lied der Amsel noch erklingt
und dieses Tages triste Reise
zu einem blüh’nden Ende bringt.

‘ne Fliege summt mir hin und wieder
hier mitten in der Küche drin –
zwar nicht mit Fell und mit Gefieder,
doch schön natürlich immerhin!

Relationen

RelationenDen Kosmos wird es wenig scheren,
dass heute Sonntag ist;
in seinen Weiten, seinen Leeren
gibt’s keine Wochenfrist.

Der Mond, den wir als Uhr benutzen,
weil immer er verlässlich geht,
er würd nicht ‘ne Sekunde stutzen,
die Emotion verrät.

Und auch der Stern, den wir umkreisen
in einem Jahr von Start bis Ziel,
er achtet die stupiden Reisen
nicht mal fürn Pappenstiel.

Für diesen göttlichen Giganten,
in dem die Galaxien pulsiern,
sind Lebewesen einfach Quanten,
die sich im Nichts verliern.

Der Schöpfung selbsternannte Krone –
dieselbe nimmt sie nicht mal wahr,
haust doch der Mensch in einer Zone,
die kosmisch atomar.

Und hat doch tausende Regenten,
die’s nur aufs Schröpfen abgesehn
und sich mit Pomp und Paramenten
zu höh’rer Weihe blähn.

Ein Weisel, ach, der’s unternähme
zu grübeln über Zweck und Sinn,
wohl auch auf Gottes Gnade käme,
warum er Königin!

 

Verssuche

VerssucheDer Mond ist schon zur Ruh gegangen,
nur noch die Sterne blieben wach.
Sie recken ihren Hals, den langen,
und blinzeln auf die Erde schwach.

Nein: Keine Sterne mehr zu sehen,
nur noch des Monds geschwellter Leib,
um den wie Fetzen Tuches wehen
die Wolken so zum Zeitvertreib.

Nein: Wolken übern Himmel jagen,
verwischen schwarz das Firmament,
das kaum noch Sterne scheint zu tragen,
kaum noch ein Licht, das heller brennt.

Nein: Aus dem trüben Teich der Sterne
sticht glänzend groß der Mond hervor –
so wie ‘ne mächt’ge Stalllaterne
vom dämmerdunklen Scheunentor.

Na ja, die Kurve gleich zu kriegen,
hat man den Grundvers erst gelegt,
das hieße doch im Kampfe siegen,
bevor man noch Bataillen schlägt.

Ein bisschen Mühe muss es kosten,
damit es für die Musen reicht:
„Die Sterne stehen ruhig Posten;
wie’n Dieb der Mond vorüberschleicht.“

Für ein Gedicht kein gutes Ende –
doch hatt ich andres ja im Sinn.
Am besten ich noch mal verwende
die beiden Zeilen – als Beginn.

Kontraste

KontrasteJa, wenn ihm so die Backen schwellen,
von Licht gefüllt bis an den Rand,
dann heißt es, dass die Hunde bellen –
aus Gründen, die noch unbekannt.

Und dass sensiblere Naturen,
so habe selber ich’s gehört,
schon öfter aus den Träumen fuhren,
weil dieser Schimmer sie gestört.

Dann soll es sogar Fälle geben,
auch dies ist kein Geheimnis mehr,
die aus den Federn sich erheben
und gehn dem Leuchten hinterher.

So wird noch dies und das gemunkelt,
was abergläub’sche Furcht verrät
und seinen guten Ruf verdunkelt,
grad wenn er sich am schönsten bläht.

Doch weckt er uns nicht auch Gefühle
von wunderbarer Seligkeit?
Da unten bei der Wassermühle,
da oben, wo der Adler schreit…

Und hier, wo ich ein Wesen halte
umschlungen mit der Liebe Arm –
o dass er nimmermehr erkalte,
des Silberlichts betör’nder Charme!

Romantik – doch für Wald und Heide!
Hier in der Stadt ist das nicht drin:
Der Vollmond, sonst ‘ne Augenweide,
tappt trostlos über Dächer hin.

Versmaß

VersmaßIst denn der Mond schon aufgegangen?
Oh, fragt was Leichteres mich heut.
Mit Wolken alles dicht verhangen,
kein Fünkchen, das da Licht verstreut.

Doch vom Gefühl her würd ich sagen,
dass es schon ziemlich spät sein muss.
Kaum hier und da noch mal ein Wagen
in des Verkehrs verdünntem Fluss.

Kaum noch mal eines Menschen Kehle
im dumpfen Straßenplauderton,
kaum die ‘ner großen Säuferseele,
die heimwärts rollt mit tausend Phon.

Und ringsherum auch dieser Kasten,
in dessen Schublade ich haus,
scheint mir schon feierlich zu fasten
mit Stille wie ‘ne Kirchenmaus.

Aus meiner Ruhe hat seit Stunden
kein schriller Anruf mich geweckt,
nicht mal ‘n „Verzeihung, falsch verbunden“ –
als wär das Telefon defekt.

Na ja, mögt ihr vielleicht jetzt denken,
die Zeichen deuten schon auf Nacht,
doch können erst Gewissheit schenken,
wenn ein Beweis auch beigebracht.

Auch daran soll es euch nicht fehlen:
Hab ich denn kein perfektes Maß?
Ich muss nur meine Verse zählen
und weiß, wie lange ich hier saß!

Kleiner Unterschied II

Kleiner UnterschiedJa, ja, ihr müsst euch nicht bemühen,
ich weiß schon, was ihr sagen wollt:
Dieselben Sterne sind’s, die glühen,
derselbe Mond ist’s, der da rollt.

Der Bruder und die tausend Schwestern,
natürlich bleiben die sich gleich,
sind selbst auch sie nicht die uns gestern
gestrahlt vom hohen Himmelreich.

Doch werden sie nicht drunter leiden,
dass wieder sie ‘nen Tag verlorn,
sie können ewig weiter weiden
und ewig weiter ungeschorn.

Die Schafe aber, die hienieden
das Bittergras der Erde kaun,
gehn ein bald in den letzten Frieden,
um weiß der Teufel was zu schaun.

Da drüben diese Hausfassaden:
wie Zeit, in Glas und Stein geprägt,
und hängt doch schon am seidnen Faden
ein jedes Herz, das da wo schlägt.

Das ew’ge Gleichmaß unsrer Tage,
die Stunde, die nur heimlich flieht,
verschweigen, dass die Lebenswaage
beständig uns zu Boden zieht.

Und eines Tags, die Sterne rollen,
der Mond glüht wieder rosig frisch,
ist der Poet im All verschollen.
Ein Weinfleck trocknet auf dem Tisch.

Phasenweise

PhasenweiseDenn frisch gewagt, ist halb gewonnen –
ein neues Lied stimm ich hier an,
kaum dass das alte ich begonnen,
das rasch zu Versen mir gerann.

Der Mond hat mich dazu getrieben,
der lang nicht meine Nacht geteilt,
doch heut im Kreise seiner Lieben,
der Sterne wieder mal verweilt.

Wie hohl indessen seine Wangen,
wie bleich am dürren Leib die Haut,
die ich in ros’gem Gelb noch prangen
beim letzten Rendezvous geschaut!

Er kann es nun einmal nicht lassen:
Andauernd diese Licht-Diät –
nur halbe Ladung Sonne fassen,
auch wenn der Bauch nach mehr ihm steht.

Sich immer irgendwas verkneifen,
das macht doch keinen richtig froh.
Wann wird er je ihn bloß begreifen,
den Auf-und-ab-Effekt „Jojo“?

Nur ein paar schlappe Wochen weiter,
dann hat er wieder drauf den Speck –
und unser Mond, kein’ Deut gescheiter,
er hungert ihn sich wieder weg!

Doch wolln wir uns mal ehrlich fragen:
Gleicht er den Menschen nicht so weit,
dern voller oder leerer Magen
auch ewig so im Widerstreit?

 

Weitermachen

WeitermachenVersteht den Zauber dieser Stunde:
In schwarzen Flor gehüllt die Nacht
und auf dem feingewirkten Grunde
Millionen Perlen angebracht

Die endlos goldne Funken sprühen –
wie Sonnenstrahlen auf dem Meer,
bevor im Dämmer sie verglühen
oder in See, vom Winde schwer.

Der Mond natürlich, die Laterne
in seiner bleichen Knochenhand,
wie er da sucht im Wust der Sterne
nach seiner Piste unverwandt.

Und unterm himmlischen Geschehen,
das in erhabnen Sphären spielt,
lässt sich ein Stückchen Erde sehen,
das träge schon nach Träumen schielt.

Die meisten Lider sind geschlossen
in der Fassade Steingesicht,
nur hier und da noch ausgegossen
Gevierte mit getrübtem Licht.

Mit diesem Dunkel, aufgezogen
wie ein Gewitter aus dem Nichts,
ist auch die Wirklichkeit verflogen
zu einem Bild des Weltgerichts.

Muss man nicht umso schneller dichten,
von banger Ahnung so bedrängt?
Papier will auf Papier ich schichten,
bis man die Bäume höher hängt!

Vollmond

VollmondWie ich verträumt und in Gedanken
zum Himmel einfach mal so schau,
seh ich in Wolkenbänken schwanken
den vollen Mond, als wär er blau.

Mal taucht er halb nur aus den Wogen,
mal thront er auf ‘nem Wellenkamm,
doch da er Ölzeug angezogen,
durchweicht es ihn nicht wie ein Schwamm.

Wie feist er glänzt in seinem Kleide!
Und wie heroisch er sich hält,
dass so allein auf finstrer Heide
ihn nicht die nackte Angst befällt!

(Sein Schicksal möchte ich nicht teilen
und lebte ich in Ewigkeit:
als Zeiger nur im Kreise eilen
als Zeiger der verlornen Zeit.)

Er kämpft sich durch. Naturgewalten
diktiern Geschwindigkeit und Bahn.
Mal zu verschnaufen, anzuhalten:
nicht vorgesehn im Schöpfungsplan.

So mag er wohl dem Menschen gleichen,
der zwanghaft rennt in seiner Spur,
indes die Stunden ihm entweichen,
die eh schon knapp bemessen nur.

Ich glaube, wenn die Wahl ich hätte,
zu kurven ewig, aber blind,
oder zu weiln an einer Stätte,
wo sterblich meine Freuden sind

Wär sicher mir das Letztre lieber:
ein Glück, das kurz, doch intensiv –
und eingeschmuggelt als Kassiber
in einen Schlaf, unendlich tief.

Indem ich derlei noch so denke,
kommt mir der Wandrer aus dem Blick –
verschluckt von einer Wellensenke,
verschwunden hinterm Straßenknick.

Statt seiner geht die nächste Frage
mir auf am Seelenhorizont:
Ob meine wen’gen Erdentage
auch wirklich wunderbar besonnt?