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Heute Nachtdienst

Heute NachtdienstOb schon im Schlaf die Musen liegen?
Ich klopfe an. Halb zwei, o je!
Warum denn kalte Füße kriegen?
Die haben einen Nachtportier!

Man wird in den Parnass gelassen
rund um die Uhr und rund ums Jahr.
Kontrollen gibt es nicht und Kassen,
für Kunst nur den Empfangsaltar.

Da legt man seine Gaben nieder,
gemalt, gemeißelt, schriftlich auch,
und zieht sogleich zurück sich wieder
bescheiden, wie es Künstlerbrauch.

Am Opfer mangelt’s mir indessen,
das hier ist noch nicht makellos,
den Göttern noch nicht angemessen
mit ihrem Riecher, der famos.

Ich muss daran noch weiterfeilen,
bis musentauglich wird mein Lied
und aus den hingeworfnen Zeilen
der Geist des Flüchtigen entflieht.

Doch wenn ich’s noch mal überfliege –
ein Prachtstück wird daraus nicht mehr.
Am besten mach ich jetzt die Biege
und trotte morgen wieder her.

Am Abend sprudeln die Gedanken
und sprühen Verse aufs Papier.
Die Nacht indes setzt ihnen Schranken:
Blockade spätestens ab vier!

Ein kurzer Gruß

Ein kurzer GrußHallo, hier meldet sich der Rentner
aus seinem sonnigen Exil,
wenn auch wie’n Kohle-Doppelzentner
ihn Finsternis schon überfiel.

Was doch bei aller Wärmewonne
im Grunde auch in Ordnung geht –
um Mitternacht noch immer Sonne,
das wär ja ‘n Dauergrillgerät!

O einz’ge Leserin, so wisse,
dass mir die Gegend hier gefällt,
so sterneweit von der Kulisse,
die mich seit Jahrn gefangen hält.

Jetzt hab das Meer ich um die Ecke,
das rauschend mich in Träume wiegt,
die grenzenlose Wasserstrecke,
an die sich fern der Himmel schmiegt.

Darüber stets in weitem Kreise
die Sonne, die nach Westen schaut,
wo sie am Ende ihrer Reise
zur Nacht sich ihre Hütte baut.

Und wo ihr schon entgegenstrecken
die Berge ihre starke Hand,
sie hinterm Rücken zu verstecken
im faltenreichen Felsgewand.

Dort ist sie jetzt schon längst verschwunden,
und Sterne schimmern matt im Saal.
Nun enden meine Musenstunden.
Mach’s gut! Ich meld mich wieder mal.

Nachschubprobleme

NachschubproblemeAuf einmal wurd ich wieder munter,
stieg in die Schuh, beim Bett geparkt;
die Sonne ging am Kap schon unter,
ich in den nächsten Supermarkt.

Der Ausflug hatte gute Gründe:
Mein flüss’ger Vorrat war erschöpft,
was, zugegeben, meine Sünde,
da alle Buddeln ich geköpft.

Tyrannenwerk gewissermaßen ?
‘ne Psyche, die so um sich schlägt,
dass keinen lässt sie mit sich spaßen,
weil selbst sie nicht zu lachen pflegt?

Dass da ein Trieb dahintersteckte,
erscheint mir doch sehr zweifelhaft.
Natürlich, dass der Wein mir schmeckte –
wie jeder bessre Traubensaft!

Nein, hehrer war mein Unterfangen,
nicht schnöde Lust bracht es hervor –
denn permanent parnassisch klangen
die Musen mir mit „Sing!“ im Ohr.

Wer wird sich denen widersetzen?
Was Götter fordern, ist Gebot.
Und ihnen nach dem Mund zu schwätzen,
hilft ja der Nektar, weiß und rot.

Zum Glück war er noch auf, der Laden.
Ich schnapp die Flasche mir – und weg!
Ließ meine Fantasie drin baden
ausschließlich, äh, zu diesem Zweck!

 

Erstaunliche Faszination

Erstaunliche FaszinationDas Unbeschreibliche beschreiben:
Hier noch ein kläglicher Versuch.
Ich soll bei meinem Leisten bleiben?
Ja, Tinten- und Papiergeruch!

Wie Salz und Wind die Nüstern locken
des Typen, der zur See geborn,
so muss ich in der Stube hocken,
den Ruf der Musen in den Ohrn.

Und Antwort geb ich immer wieder,
weil sie es wünschen, per Gedicht,
bis endlich mal eins dieser Lieder
dem göttlichen Geschmack entspricht.

Vom Meer ich heute ihnen künde,
da zieht‘s mich oft am Abend hin.
Als ob ich vor ‘nem Teerfass stünde –
ach was, schon eher mittendrin!

‘ne Finsternis vor meinen Augen,
dass Kohle selbst davor verblasst!
Am Rand nur wie bei Seifenlaugen
ein bleicher Schaum, der Fuß nicht fasst.

Nichts kann die Blicke auf sich lenken.
Das Schwarz reicht bis zum Himmel rauf.
Nur draußen an den Muschelbänken
blinkt müde noch ein Lichtchen auf.

‘ne wässrig-wüste Langeweile,
die langsam an der Nacht erstickt.
Warum denn bloß ich zu ihr eile?
Weil meine Uhr genauso tickt?

Feste Obergrenze

Feste ObergrenzeDass mir auch auf die Zunge rutschen
die frommen Sprüche, höchst profan,
hab ich ein Mittel, leicht zu lutschen
und wirksam wie ein Talisman.

Die zwei, drei Leser, die mich kennen,
verstehen diesen Wink sofort:
Ein Gläschen nur, und munter rennen,
Gedanken meinem Dööts an Bord.

Nicht immer glücklich (siehe oben),
dafür jedoch in großer Zahl,
dass für die Schweine ich im Koben
noch Reste habe jedes Mal.

Beim zweiten Gläschen sie schon purzeln
wie Eicheln herbstlich mir ins Hirn,
dass ich vom Wipfel bis zur Wurzel
so voll mich fühl wie eine Stirn.

Ich müsste zwanzig Arme haben,
damit ich diese Früchte pack
und allesamt als Göttergabe
in meine Musentruhe sack.

Und wenn ich nun zum nächsten griffe
und endlos sich die Flut ergießt?
Ach, die Natur kennt da so Kniffe –
an mir sich niemand überliest!

Beim dritten Gläschen, müsst ihr wissen,
ist er auch schon vorbei, der Spuk.
Dann bin ich reif fürs Ruhekissen –
und mit mir der Gedankenflug.

Schöner Standortwechsel

Schöner StabdortWenn ich den Blick mal nicht erhebe
und lass ihn auf den Block gebannt,
dann weiß ich nicht, was ich erlebe:
zu welcher Zeit, in welchem Land.

Die Perspektive war schon immer
am Abend mir aufs Blatt verkürzt,
dass ich von sonst nichts einen Schimmer
mich auf die Musen nur gestürzt.

Und ringsherum die Welt vergessend,
die weich sich um den Körper schlang,
nur Silben und nur Strophen messend
um ausgebuffte Reime rang.

Ein Weiser schon in alten Tagen,
der Feindschaft und Verbannung litt,
sprach: Aus dem Land könnt ihr mich jagen,
doch meinen Geist, den nehm ich mit.

Um wie viel mehr, möcht ich ergänzen,
wenn selbst man sich dazu entschließt
und weit von seinen Heimatgrenzen
der Fremde schönen Reiz genießt!

Ihr glaubt, jetzt habt ihr mich beim Wickel,
weil ich mir selber widersprech:
Die Welt vergess ich wie ‘nen Pickel,
wenn Gold ich aus dem Hirn erbrech.

Nein, dies fantastische Ambiente –
es wirkt ja heimlich, unbewusst,
und stärkt dem Sänger, der in Rente,
die alte Hieroglyphenlust!

 

Beinahe paradiesisch

Beinahe paradiesischEs hat mir immer schon gefallen,
wenn alles in den Federn liegt,
den Musen noch herauszulallen
ein Lied, das sie in Schlummer wiegt.

Doch fühl ich diesen Drang noch stärker,
seitdem ich von zu Hause fort,
entflohn dem nordisch kühlen Kerker
an diesen winterwarmen Ort.

Wir schreiben jetzt Novemberende,
für Nass und Nebel ja bekannt;
‘nen Regenschirm ich drauf verpfände:
Auch morgen sonnt man sich am Strand.

Statt dass Gewölk am Himmel wallte,
betupfen Schäfchen den Azur;
hoch in den Bergen der geballte
gewitterschwarze Nebel nur.

Von Kribbeln lediglich durchzogen
des Meers gewohnte Gänsehaut,
die statt bewegt in mächt’gen Wogen
von kurzen Wellen aufgeraut.

Seit Tagen keine starken Winde.
Die Palmen: Ohren angelegt.
Ein Lüftchen, friedlich und gelinde,
dass es noch Rosendüfte trägt.

So gleicht der Fleck dem Paradiese
in unsern Träumen wunderbar.
Indes nicht völlig ohne Krise –
‘nem Windstoß oder Schauer gar!

Mobiles Dichten

Mobiles DichtenMag in der Fremde man auch landen,
man richtet sich doch häuslich ein.
Kommt dir die Heimat mal abhanden,
es bleiben Kerze, Stift und Wein.

Das Handwerkszeug der stillen Nächte,
da ich gehämmert und gehaun,
dass Selbstgezimmertes ich brächte
den kunstbeflissnen Musenfraun.

Wie leicht lässt es auch hier sich finden
und sich verwenden zu dem Zweck;
mir scheint, man liebt es, loszubinden
den Pegasus an diesem Fleck!

Ein Grund mehr, Mühe mir zu geben
in diesem stummen Sängerstreit,
um mich von allen abzuheben,
von allen andalusienweit.

Warn es nicht maurische Poeten,
dern Lied hier ewig lang geblüht,
dieweil in Liebe zum Propheten
und mancher Schönen sie geglüht?

Nun, beides ist nicht meine Sache
(das Letztre unfreiwillig nur!),
so dass ich meine Glut entfache
zumeist zum Lobe der Natur.

Da gibt’s genug Gelegenheiten:
Soeben kehr ich heim vom Strand –
des Abendhimmels rosa Zeiten,
das ganze Mittelmeer in Brand!

Ein Traum von Poesie

Ein Traum von PoesieWie Bruder Bellman möcht ich singen –
so einfach von der Leber weg;
nicht lang mit Blatt und Bleistift ringen:
die Stimme nur im Handgepäck!

Getrieben von der Kraft der Reben
Vom Sundgau im geräum’gen Krug,
mänadisch-manisch hingegeben
dem göttlichen Gedankenflug.

Und rings die feste Freundesrunde,
die sich an Wort und Wein berauscht
und bis zur frühen Morgenstunde
dem nimmermüden Sänger lauscht.

Darunter auch ein holdes Wesen,
das fröhlich übern Nektar wacht:
die blonde Ulla hinterm Tresen,
die Muse seiner nord’schen Nacht.

Was für ein Traum! Indes ich brüte
in meinem stillen Kämmerlein,
dass mir zur Reife und zur Güte
die Früchte meines Geists gedeihn

Statt auf den Brettern einer Schenke
in Bierdunst und in Pfeifenrauch,
wo ich die jüngsten Verse schwenke
zu raschem Nutzen und Gebrauch!

Wie würd ich Bellmans Kunst begrüßen,
so aus dem Stegreif fantasiert,
den Musen gleich zu Füßen,
wie sie der Bauch gebiert!

Kuli-Streik

Kuli-StreikDer Kuli macht es nicht mehr lange,
sein stolzes Tintenblau versiegt.
Der Zeilen wohlgenährte Schlange
die ersten magren Stellen kriegt.

Soll da die Dichtkunst drunter leiden,
dass es an Handwerkszeug gebricht?
Muss in mein Tagebuch ich kreiden:
„Aus Technikgründen kein Gedicht.“?

Natürlich nicht. Für solche Fälle
liegt in der Lade wo Ersatz.
Ich springe also auf die Schnelle,
dass rasch ich wieder Kringel kratz.

Hier diese warf mit frischem Pinsel
ich auf das dürstende Papier:
Wie tropfte dick ihm das Gerinnsel
aus satter Spitze – zum Geschmier!

Na ja, geht nicht um Schönheitspreise,
was Form und Sauberkeit betrifft;
die Musen achten wohl die Weise
des Sanges mehr als die der Schrift.

Ich hoffe, dass sie meinen schätzen
und oft sich, als des Tages Lohn,
an ihr parnass’sches Feuer setzen
mit meiner neusten Kollektion.

Es sei denn, fürchterlich zu denken!,
dass jene Tinte, die verblasst,
ein Hinweis nur, den sie mir schenken,
dass ihnen mein Geplärr nicht passt!