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Mein Zeitvertreib

Mein ZeitvertreibDer Himmel blau und ich zu Hause.
Mein Fuß verließ die Stube nicht.
Ich machte mal ‘ne Sonnenpause,
so wie man fastet als Verzicht.

Was sollt an ihre Stelle treten?
Braucht man nicht irgendeinen Grund,
die Zeit vom Halse sich zu beten
wie mit ‘nem Rosenkranz im Bund?

Der erste Einfall hieß Lektüre.
Die „Armen Leute“ las ich fort –
als ob man in den Abgrund führe
der Menschenseele Wort für Wort!

Das war nicht lange auszuhalten.
Ein Ausgleich musste dringend her:
Dogmatik bis zum Haarespalten.
Tat auch mich mit der Kirche schwer.

Dann lieber doch ins Lehrbuch schnüffeln
und Spanisches sich einverleibt.
Doch ewig kann man auch nicht büffeln –
es ist die Zeit, die dich vertreibt.

Indes ein Glücksfall ohnegleichen
sich für den frühen Abend fand:
Im Fernsehfilmmenü der Leichen
auch ‘ne lebend’ge Doku stand.

So sind die Stunden hingegangen,
bis zehn die Uhr dann schließlich schlug.
Da durft zum Musenross ich laufen,
das schnaubend zum Parnass mich trug.

Schreibblockade

SchreibblockadeDa hab ich mich so schön gebrüstet,
als ob ein Klacks das Dichten wär –
und jetzt, da’s mich danach gelüstet,
wird plötzlich mir der Griffel schwer!

Die Worte wolln so recht nicht rollen
und stecken wo im Brägen fest –
statt auf dem Blatt herumzutollen,
verharrn im Hirn sie, ihrem Nest.

Heraus da, he, ihr faulen Brüder,
man braucht euch doch auf dem Parnass;
die Musen werden sonst noch prüder
und husten meinen Künsten was!

Indes Minuten ich vergrübel,
bring keinen Satz ich aufs Tapet.
Ob das der Anfang ist vom Übel,
dass alles mal zu Ende geht?

An der Umgebung kann’s nicht liegen,
die ist so, wie sie immer war:
Ein Wein, um tüchtig Dampf zu kriegen,
und eine Kerze. Sonderbar …

Muss ich mir ernstlich Sorgen machen
um meine werte Schaffenskraft?
Nein, da, sie scheint mir aufzuwachen,
sie flackert, glüht, hat wieder Saft!

Jetzt wird es wieder flotter gehen,
Schluss mit der öden Wurschtelei.
Mal schnell noch auf die „Strecke“ sehen –
o je, nun ist die Hatz vorbei!

 

Etwas wetterfühlig

Etwas wetterfühligDa hat mir doch der erste Regen
heut meine Illusion geraubt,
weil ich der vielen Sonne wegen
schon fast nicht mehr an ihn geglaubt!

Doch war es nur ein kurzer Schauer,
der leicht aufs Pflaster sich gelegt,
dass umso linder und so lauer
die Lüfte sich danach geregt.

Zwar zeigte mir als Drohgebärde
der Himmel noch die Wolkenfaust,
doch hätten mich nicht hundert Pferde
gehindert, dass ich rausgesaust

Um dies und jenes zu besorgen,
wie’s grade mir der Bauch befahl
und was mit Sicherheit auch morgen
mich hätt erwartet im Regal.

Nun, um es unverblümt zu sagen:
Es war der Wein, der raus mich trieb,
weil ich mich gestern vollgeschlagen
und mir für heute nichts mehr blieb!

Ich wisst doch selbst, dass für die Ritte
auf Pegasus er Kraft mir schenkt
und just in des Parnassus Mitte
die irr’nde Fantasie mir lenkt.

Das regelmäß’ge Nachschubholen,
von daher ist es Dichterpflicht.
Mach morgen auch mich auf die Sohlen.
Ich hoffe nur, es regnet nicht.

Kuli-Streik

Kuli-StreikDer Kuli macht es nicht mehr lange,
sein stolzes Tintenblau versiegt.
Der Zeilen wohlgenährte Schlange
die ersten magren Stellen kriegt.

Soll da die Dichtkunst drunter leiden,
dass es an Handwerkszeug gebricht?
Muss in mein Tagebuch ich kreiden:
„Aus Technikgründen kein Gedicht.“?

Natürlich nicht. Für solche Fälle
liegt in der Lade wo Ersatz.
Ich springe also auf die Schnelle,
dass rasch ich wieder Kringel kratz.

Hier diese warf mit frischem Pinsel
ich auf das dürstende Papier:
Wie tropfte dick ihm das Gerinnsel
aus satter Spitze – zum Geschmier!

Na ja, geht nicht um Schönheitspreise,
was Form und Sauberkeit betrifft;
die Musen achten wohl die Weise
des Sanges mehr als die der Schrift.

Ich hoffe, dass sie meinen schätzen
und oft sich, als des Tages Lohn,
an ihr parnass’sches Feuer setzen
mit meiner neusten Kollektion.

Es sei denn, fürchterlich zu denken!,
dass jene Tinte, die verblasst,
ein Hinweis nur, den sie mir schenken,
dass ihnen mein Geplärr nicht passt!

Feuriger Wein

Feuriger WeinDie schöne Sache mit der Kerze,
die findet momentan nicht statt.
Ich streiche meine Druckerschwärze
seit Wochen feuerfrei aufs Blatt.

Das Flämmchen würde sich nicht halten
im Wind, der durch die Küche weht,
und in der ersten Bö erkalten,
die voll ihm an die Wäsche geht.

Noch immer liefert die Maschine
mir ihren zuverlässgen Hauch,
wenn abends dem Parnass ich diene
und einen kühlen Brägen brauch.

Könnt ihr denn ein’n Gedanken fassen,
wenn ihr auf irgendetwas sinnt
und euch die Soße wie aus Tassen
so ölig in den Kragen rinnt?

Und wenn ins blitzeblanke Linnen,
das eure Heldenbrust umfängt,
sich Flicken grauer Fäden spinnen,
da, wo von jener sie getränkt?

Oh, wenn ich irgendetwas hasse,
dann die Mixtur aus Feucht und Heiß,
die zäh und klebrig wie Melasse
ich auf der Pelle spüre: Schweiß!

Klar half das Licht mir auf die Sprünge
so wirksam wie der Wein sonst nur –
weshalb ich jetzt mit Letztrem dünge
verdoppelt meine Musenflur.

Muße möglich

Muße möglichAuch heute wieder großes Flitzen,
nach rechts, nach links, mit Höllenlärm.
Die Menschheit kann nicht stille sitzen,
vermutlich Treibstoff im Gedärm.

Der wirkt zum Glück nur ein paar Stunden;
und ist die Pulle wieder leer,
läuft träg man, gleichsam angebunden,
in seiner Hütte hin und her.

Na gut, ich will hier gar nicht lästern,
bin ja als Rentner außen vor;
doch früher (leider nicht mehr gestern)
da fuhr auch ich mit dem Motor.

Jetzt seh gelassen ich das Treiben,
in dem als Kork ich nicht mehr tanz;
kann stets bei meinem Rhythmus bleiben
und fühl von Kopf bis Fuß mich – ganz.

Wer soll Befehle mir erteilen,
bekritteln, was ich dicht und denk?
Kann täglich zum Parnassus eilen
mit einem Lied als Gastgeschenk.

Und wo sind sie, mich einzuengen,
die Netze knapp bemessner Zeit?
Von ihrer Maschen luft’gen Fängen
bin wie ein Goldfisch ich befreit.

Wie kommt’s, dass viele Pensionäre
so auf Geschäftigkeit bedacht?
Sie leiden unter ihrer Leere –
da hilft’s, wenn richtig Wind man macht.

Mühsamer Aufstieg

Mühsamer AufstiegAuf ihren schwarzen Socken
schleicht sich die Nacht heran.
Sie findet mich hier hocken
schon in der Musen Bann.

Von Werkzeug schon umgeben
wie Kerze, Blatt und Stift,
mich zum Parnass zu heben
mit dem Poetenlift.

Wird’s heute mir gelingen
zu’n Schwestern, 12. Stock,
doch endlich vorzudringen
mit meinem Skizzenblock?

Der höchste war der vierte,
den jemals ich erreicht;
ein Kerl mich abservierte,
des Hirn gewiss durchweicht.

O weiser Majestäten
ew’ges Mysterium:
Umgeben sich mit Räten,
so eitel und so dumm!

Nur nicht den Mut verlieren –
die Kunst doch siegen muss.
Solln Händler spekulieren,
mir reicht der Musenkuss!

Drum werd ich weiterschmettern,
bis sie es hören kann,
mich bittend, zu erklettern
den Thron gleich nebenan.

Heute musenfrei

Heute musenfreiAls wär heut weiter nichts geschehen,
dreht sich die Erde in die Nacht;
man hört noch ihren Atem gehen,
doch schon zum bloßen Hauch verflacht.

Mit ihrem Tagewerk zufrieden,
entschlummert sie zur sel’gen Ruh
und deckt was kreucht und fleucht hienieden
auch mütterlich mit Sternen zu.

Dies Vorspann nur – und nun zur Sache:
Zumindest einer hockt hier noch,
der, dass die Muse ihm erwache,
sich in die Falle nicht verkroch.

Wir ham’s ja alle wo gelesen
(wohl wissend, dass Gedrucktes wahr):
Nur ausgesprochen scheue Wesen
den Künsten der Parnass gebar.

So muss ich wirklich öfter warten,
bis meine Schwester nicht mehr schweigt
und mir den dorn’gen Weg zum Garten
der blüh’nden Liederbeete zeigt.

O wie ich dann zur Hacke greife,
dass mir dies Wunder auch gelingt
und nach ‘ner tierisch kurzen Reife
mir schon die Frucht entgegenspringt!

Dann lächelt sie wohl auch bisweilen,
wenn ich mich wieder mal verhau
und statt der hübschen Blumenzeilen
nur Quecke krieg und Bärenklau.

Doch ohne mich groß anzupflaumen,
dass ich ein echter Schussel sei,
leiht sie mir ihren grünen Daumen
zum Wohle meiner Gärtnerei.

Dann solltet ihr’s mal sprießen sehen,
o Fülle und o Fantasie!,
und alles doch geordnet stehen
zum Bild vollkommner Harmonie.

Ach, wenn nicht ihre Hilfe wäre,
was brächt mein eigenes Bemühn?
Der höchste Stolz der Dichterehre –
statt Rosen graues Immergrün!

Ja, grade heute lässt die Gute
mich launisch wieder mal im Stich,
dass ziemlich elend mir zumute,
weil hier nur einer werkelt: ich.

So also sieht es auch, ihr Lieben,
betütert mich die Muse nicht.
Sagt, ist es in den Wind geschrieben,
sagt, riecht’s entfernt noch nach Gedicht?

Gastfreunde

GastfreundeDie gleiche Szenerie wie gestern,
vor-, vorvorgestern und, und, und…
Ich sitz bei meinen Musenschwestern
und pflege unsern Künstlerbund.

Denn wie sie’s immer schon gehalten:
Sie bringen Pegasus auf Trab
und steigen, göttliche Gestalten!,
in meiner dürft’gen Hütte ab.

Und so betretend meine Schwelle
und mein bescheidenes Gelass,
erheben sie zur Außenstelle
dasselbe gleichsam des Parnass.

Auch er muss mit der Zeit ja gehen,
dass er nicht Jüngerschaft verlier,
und nicht so kleinlich mehr drauf sehen:
„Was ist denn das für ein Quartier!“

Ich will dem Berge nicht bestreiten,
dass reicher er an Pomp und Pracht,
doch etliche Bequemlichkeiten
stehn nicht einmal in seiner Macht.

Die Damen scheinen es zu schätzen,
wenn’s auch zu sagen sie sich ziern,
dass selbst in ihren dünnen Fetzen
im Winter sie bei mir nicht friern.

Kamin und Scheite? Nicht vonnöten.
Nur Heizungsrippen, steif und stumm,
die sich zwar nicht romantisch röten,
doch Wärme streuen ringsherum.

Anstatt der Flammen, züngelnd, zischend,
anstatt des Spans, der knirscht und knackt,
glüht hier ein Lichtchen, das erfrischend
gedämpft an seinem Dochte zwackt.

Auch Nektar heißt’s hier nicht entbehren,
wenn auch nicht echt nach Götterart,
doch nach den Flaschen, die sie leeren,
trifft sie der Unterschied nicht hart.

So plaudern wir ‘ne ganze Weile
an meines Heims Elekroherd,
bis unvermittelt, Zeus!, zur Eile
das Trüppchen treibt sein Flügelpferd.

Und schon sind sie davongeflogen,
kaum dass sie noch Adieu gehaucht,
und neunfach fühl ich mich betrogen
um diese Muse, die man braucht

Um sich was Feines auszudenken,
das kunstvoll man in Zeilen gießt,
es einem Publikum zu schenken,
das es begeistert lobt und liest.

Nur Leergut hat man hinterlassen
an Buddeln, Gläsern und so fort;
jetzt erst einmal ‘nen Feudel fassen
und rundherum klar Schiff an Bord!

Weg mit den Resten und den Flecken –
anstatt des Stifts herrsch nun das Tuch!
Den Barden morgen wieder wecken,
am Abend, wenn sie zu Besuch!

Nachtlied

NachtliedIm Haus hier alles stumm geschaltet.
Mensch und Gerät, sie ruhn zur Nacht.
Mein Stift nur, der noch nicht erkaltet,
unhörbar die Geräusche macht.

Die Nachbarn, jünger noch an Jahren,
sind schon zum Schlafen abgetaucht,
denn früh heißt’s in die Puschen fahren,
weil irgendwo ein Chef sie braucht.

Doch der Maloche schon entbunden,
kann ich noch etwas müßig gehn
und ganz entspannt in diesen Stunden
den Nachtdienst am Parnass versehn.

So hock ich, um das Bild zu wechseln
vom ew’gen Griechisch und Latein,
heut Abendmahl beim Versedrechseln
in der Poeten Bambushain

Und schlürf mit lieben Gleichgesinnten
ein Schälchen Reiswein ab und zu,
den Pinsel tunkend in die Tinten,
dass Zeichen er und Wunder tu.

Seht selbst, was dabei rausgekommen –
die Strophen liegen euch nun vor;
und bitte lasst, ihr Musenfrommen,
sie freundlich ins geneigte Ohr.

Ich hoffe, dass mit diesen Zeilen
ich irgendwie ins Schwarze traf.
Obwohl…ich musste mich beeilen –
auch Dichter brauchen ihren Schlaf.