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Hochgezüchtet

Ein Züchter seit der ersten Stunde,
da Ziegen er in Pferche zwang,
zeigt beispielhaft der Mensch am Hunde,
was ihm an Wundern schon gelang.

Denn anders kann man’s wohl nicht nennen,
wenn Fiffi, Purzelchen und Co
den Wolf als ihren Urahn kennen
in diesem ihrem Status quo!

Bei andern treuen Domestiken
ergab sich kaum ein Unterschied,
dass nahezu man wie Repliken
den Opas noch sehr ähnlich sieht.

Doch Vorsicht, unter dieser Decke
noch manche Überraschung steckt,
denn zu dem edlen Züchtungszwecke
hat man sich manches ausgeheckt!

Gibt Leute, die sich Vögel krallen
in frischer, freier Waldesluft,
dass ihre Sänge auch erschallen
aus eines Käfigs Gittergruft.

Gibt Leute, die sich Hühner halten
und zwar zu Hunderten im Schnitt,
die selbst im Winter noch, im kalten,
für stetes Eierlegen fit.

Gibt Leute, die mit Melkmaschinen
und automatisiertem Stall
an Kühen dämlich sich verdienen,
dern Euter immer prächtig prall.

Gibt Leute, die auf Pferde setzen,
die, hart trainiert und tough getrimmt,
wie panisch über Hürden hetzen,
bis mit dem Kranz die Kohle stimmt.

Genug, die Sache zu umreißen,
denn langer Rede kurzer Sinn:
Dass Menschen auf die Viecher scheißen,
solange sie Gewinn verheißen,
Gewinn, Gewinn, Gewinn, Gewinn!

Den müssen teuer die bezahlen,
weil höchste Leistung höllisch schlaucht:
Im Gegensatz zu den Normalen
ist drum ihr Leben rasch verbraucht.

Wär schön, wenn es ein Karma gäbe,
‘ne kosmische Gerechtigkeit,
dass einst man in ‘nem Leibe lebe
als Folge der Vergangenheit!

Der Bauer würd als Kuh geboren,
als Henne der mit Eiern dealt,
der Rennstallboss mit Pferdeohren
und Ringelschwanz der Schweine hielt!

Die Aussicht würde manchen schrecken,
wär diese Frage denn gelöst,
um in dem Elend nicht zu stecken,
in das er jetzt die Tiere stößt.

Die Mehrzahl von den armen Tropfen
ist aber auf den Tag fixiert,
dass in dem Drang, den Bauch zu stopfen,
der Blick am Nabel sich verliert.

Was können Dogma da und Lehre,
geht’s um die menschliche Natur?
Den Geist zieht stets die Erdenschwere
hinab auf seine Schneckenspur.

Da haftet er am grünen Grunde
nicht anders als der Halm im Feld,
schaut statt nach oben in die Runde
und glaubt, er sieht die ganze Welt.

Dem kann man nicht mit Hölle kommen,
mit eines Teufels Strafmandat –
dem wabern kaum im Hirn verschwommen
Gefühle einer Missetat.

Der Kälbertanz von Moses‘ Kindern:
der größte Welt- und Dauerhit.
Den konnte auch kein Gott verhindern –
die Kirche tanzte ihn ja mit!

Meisterklasse

meisterklasseIhr werdet euren Teil euch denken,
indem ihr diese Zeilen schaut:
„Ein Zwischenruf aus Hinterbänken
der Musenkunst: Nicht schön, doch laut.“

Nun ja, die prominenten Plätze
vorn im parnassischen Parkett,
nach ungeschriebenem Gesetze
gehörn sie folgendem Quartett.

Homer vorab gewalt’gen Sanges,
der uns der Feste Fall erzählt
im Epos allerersten Ranges,
dem zur Vollkommenheit nichts fehlt.

Danach Horaz, von heitrem Wesen
und friedevoll bescheidner Art,
der uns in Bildern, auserlesen,
das rustikale Rom bewahrt.

Folgt Dante, aus Florenz vertrieben,
der Beatrice nur begehrt
und aus der Hölle sich geschrieben
ins Licht, in dem er sie verklärt.

Den Vierten im illustren Bunde,
den auch als Avons Schwan man kennt,
führt heute jedermann im Munde,
der schwatzend auf Zitate brennt.

Die reimt man aus den ersten Reihen
beim besten Willen nicht mehr raus.
Der Spätren Verse: Stammeleien
aus des Parnasses Hinterhaus.

Doch kann mich das nicht so verdrießen,
dass fad mir würd der Musenkuss –
lass weiterhin die Zügel schießen
dem ungestümen Pegasus.

Und hab ich nicht ein Recht zu krakeln,
da sonst das Los mir nichts verlieh
und nur beim geist’gen Fingerhakeln
ich mal ein Verschen rüberzieh?

Drum fragt nicht, lest ihr diese Zeilen,
wie fern sie der Quadriga wohl –
seht zu den Musen wen nur eilen,
dass er ein Lorbeerblatt sich hol!

Fehlschlüsse

fehlschuesse-wilhelm-buschHat man nicht sogar Poe gescholten
und seine Verse parodiert,
mit Hohngelächter ihm vergolten,
was genial er generiert?

Der Rezensent: Unfehlbar Wesen,
sofern ex cathedra er spricht,
beschrieben nicht, doch wohl belesen,
hält als Gottvater er Gericht.

Es ist kein Künstler so vollkommen,
dass er ’nen Kritiker nicht fänd,
der ihm verschwiemelt und verschwommen
die Kinken seiner Schöpfung nennt.

Vor den gestrengen Kennermienen
hält schwerlich nur ein Oeuvre Stand,
die besten selbst, die Ruhm verdienen,
sie werden schmählich oft verkannt.

Der Schwan von Avon, ohnegleichen
in seinem göttlichen Gesang,
man ließ ihn lang vom Spielplan streichen,
weil er missfiel dem Kritteldrang.

Doch wenn sie sich mal überschlagen
ist höchste Vorsicht auch am Platz.
Sie hudeln mit gefülltem Magen,
bei Kuchen aus dem Kaffeesatz.

„Ein neuer Stern ist aufgegangen,
Komet am Dichterfirmament –
wann je so magisch Verse klangen,
wie man’s nur von George kennt?“

Das riecht nach ‘ner banalen Seele
und schillernd aufgeschlagnem Schaum:
Dass ihre Leere sie verhehle,
gibt Seifenblasen sie viel Raum.

(Das süße Nichts verkauft sich besser
als eine Wahrheit von Gewicht –
der Kritiker als guter Esser
verschmäht auch diese Weisheit nicht.)

Ist man nicht selbst darauf verfallen,
verspottet man Kolumbus’ Ei
und schwört bei allen Musen, allen,
dass solche Kunst gewöhnlich sei.

Allein, was hab ich schon zu maulen?
Zerpflückt mich denn so’n Malefiz?
Ich könnt im Winkel hier verfaulen
und niemand nähm davon Notiz.

Ich Glückspilz: Alle überflügelt!
O wie beredt dies Schweigen spricht!
Ein Benn, ein Byron abgebügelt –
nur meine Wenigkeit noch nicht!

Hohe Messlatte

Hohe MesslatteNa schön. Ihr wollt von mir nichts wissen.
Was ich verzapfe, ist euch piepegal.
Ihr nährt euch nur von Leckerbissen,
nicht von den Lesefrüchten zweiter Wahl.

Gut, lasst mich euch darum empfehlen,
was eurem Gusto eher wohl entspricht –
Gesang aus größter Dichter Kehlen,
des Genres absoluter Oberschicht.

Der Älteste gilt als der Beste.
Von Helden sang er, Ruhm und Ehr’,
vom Tod vor Trojas hoher Feste,
von Leid und Liebe: Sängerfürst Homer.

Und diesem folgte auf dem Fuße
der Künder friedlich-fleiß‘ger Feldarbeit,
des Landmanns täglich Müh und Muße –
Hesiod, die Stimme der Gerechtigkeit.

Nicht wen’ger lobend zu vermerken:
Horaz, für seine Oden hochgeschätzt,
der selbstbewusst sich in den Werken
ein Denkmal „ewiger als Erz“ gesetzt.

Vergil auch bürgt für Lesewonnen,
des Epos sich um den Äneas rankt,
der, knapp nur Ilions Brand entronnen,
nach Rom ins rettende Asyl gelangt.

Dann lasst nach China euch entführen
zur Zeit der Tang genannten Dynastie,
um großen Versen nachzuspüren
des mut’gen Literaten Bo Juyi.

Und wer verzaubert mit Terzinen,
beschwört Visionen von gewalt‘ger Kraft?
Ein Dante, ewig der zu dienen,
die in der Blüte ihm dahingerafft.

Dem Schöpfer meisterhafter Dramen,
dem „Schwan von Avon“ Dank auch fürs Gedicht!
Welch Vielfalt in dem schlichten Rahmen,
den das Sonett um seine Zeilen flicht!

Wen heute ihnen beigesellen?
Den Hölderlin gewiss, den Baudelaire:
Die Verse, die zu Hymnen schwellen,
und die von Laster und Erlösung schwer!

Mit Poe will ich die Reihe schließen:
Er hauchte Finsternis dem Worte ein,
dass wohlig-kalte Schauer fließen
dem Gruselsuchenden durch Mark und Bein.

Wenn diesen ihr das Ohr geliehen
und Seligkeit hat euch erfasst –
dann sei als Kennern euch verziehen,
dann habt bei mir ihr nichts verpasst!

Gedächtniskunst

GedächtniskunstViel würd, o Freund, ich gern behalten,
im Kopf und tief im Herzen drin,
so etwa all die zig Gestalten,
von denen selbst ich eine bin.

Die Welt möcht wissend ich umfassen:
Der Sterne Zahl und Galaxien
und ob in diesen Raum sie passen,
aus dem sie offensichtlich fliehn.

Beim Namen möcht ich all sie nennen,
wie Kastor, Kassiopeia schon,
vom Hörensagen sie zu kennen,
wenn ich auch fern von ihnen wohn.

Das Pflanzenreich möcht ich durchmessen,
kein Hälmchen sollte mir entgehn,
auch ihre Namen nicht vergessen
und mit welch Kräften sie versehn.

Und Tiere aller Herren Länder
möcht im Gedächtnis ich bewahrn,
des bunten Lebens Unterpfänder,
die mit uns durch den Kosmos fahrn.

Was von dem Seelenlosen sagen?
Auch Steinen gilt mein Wissensdrang.
Nach Gneis und Gabbro möcht ich fragen,
Pyrit, Porphyr mein Leben lang.

Dass ich nach Fakten mich verzehre,
ist etwas, das im Blut mir liegt,
wie jemand sonst bei Macht und Ehre
wie Pawlows Hund `nen Jieper kriegt.

Die Welt zu sehn mit tausend Brillen,
das schwellt und weitet mir die Brust,
und statt den Eifer mir zu stillen,
weckt schauend es mir neue Lust.

Doch nicht, um damit anzugeben –
für Wagner keine Sympathie!
Und Tipp für faustisches Bestreben:
Mehr Gretchen, wen’ger Galaxie!

Nur wahllos in den Brägen stopfen
sich Wort- und Zahlenzeug en gros,
lässt uns zur Datenbank verkopfen,
die proppevoll mit Bohnenstroh.

Schön an der Weisheit Brüsten saugen
und nicht am trocknen Hungertuch:
Da wird ein Shakespeare besser taugen
als hundert „Schmidt“ im gelben Buch!

Warum hast, Freund, du nichts erfunden,
das unsern Geist für Prosa stählt,
die man in langen Winterstunden
den endlos Lauschenden erzählt?

Und was in Worte eingeschlossen,
und was in Klang und Rhythmus schwingt,
den offnen Herzen eingegossen,
zum Guten sie und Schönen bringt?

O könntest dieses du mich lehren,
ich fiel vor deiner Kunst aufs Knie.
Doch einen Dreck solln sie mich scheren,
die Hinterkommastelln von π!

Wärmelehre

WärmelehreDie Therme tut bemüht das Ihre,
und kommt`s auch einem Röcheln gleich,
dass ich das Feuer nicht verliere
für meinen nächsten Musenstreich.

Ich weiß nicht, wie mit Frost im Finger
und Gänsehaut an Brust und Bein
als Sprachdompteur und Versbezwinger
man halbwegs könnt erfolgreich sein.

Damit das Hirn sich frei entfalten
und alle Schleusen öffnen kann,
muss man die Heizung höher schalten,
bis man Dynamik ihm gewann.

Am Beispielwill ich euch beweisen,
dass dies schon immer Flügel lieh,
und nehme kurz euch mit auf Reisen
ins alte Reich der Poesie.

Petrarca sei als erster Sänger
dabei vor Augen euch gebracht –
hätt nördlich, wo die Schatten länger,
so warm er Lauras wohl gedacht?

Und Beatrice: Hätt ein Dante
so glänzend sie in Licht verklärt,
wenn nur die Dunkelheit er kannte,
in der die Kälte sich verzehrt?

Ein Shakespeare selbst in unsren Breiten,
die`s Licht nur flüchtig streifen mag,
zu welchem Hymnus konnt verleiten
ihn so ein schöner Sommertag!

Der Therme also, der bemühten,
von hier aus (Strophe acht) sei Dank,
die Verslein glücklich auszubrüten
aus meiner Seele Samenbank!

Ob ich genannten Dichterfürsten
wohl irgendwann das Wasser reich?
Ich weiß nicht; will nur weiterdürsten
nach Tröpfchen aus dem Musenteich.

Am Schaalsee

Am SchaalseeHat nicht die Woche eben erst begonnen,
der Montag, der zur Arbeit zwingt,
dass trunken noch von Mußewonnen
man frisch ins kalte Wasser springt?

Drei weitre Tage sind vergangen
und ich entsinn mich ihrer kaum;
der Himmel mit entfärbten Wangen
gibt schon dem Freitagabend Raum.

O halte feiernd fest die Stunde,
die sonst nur umso rascher flieht –
mit Versen sprudelnd aus dem Munde,
bis ihm der Schlaf das Wort entzieht!

Zwei Tage sich in Träumen wiegen,
in Dornenhecken eingehüllt,
zwei Tage fix beim Wickel kriegen,
was wirbelnd unsre Welt erfüllt.

Zwei Tage durch die Büsche streifen
und Blüten zählen, jedes Blatt,
mit Vögeln um die Wette pfeifen,
nach Leben hungernd nimmersatt.

(Bei Regen anders sich vergnügen:
Auch Bücher bieten Blätter dar.
Sie lesen. Tee in kleinen Zügen.
Der Duft der Seiten – wunderbar!)

„Geh aus mein Herz…“ in alle Weiten,
in alle Tiefen geh auf Fahrt,
der Kimm entgegen aller Zeiten,
dem kleinsten Fleck der Gegenwart!

So schwelgend in den Musenkünsten,
erstickt der Dämmer mir das Licht
mit Schatten, die aus Äckern dünsten,
mit Kühle, die aus Sträuchern bricht.

Wie alle Wunder da ergründen:
den Mückentanz, der Sonne Flug,
die Würmchen, die sich selbst entzünden,
wenn in die Nacht es sie verschlug?

Der Alltag reißt uns rasch aus Träumen,
die näher an den Kern uns führn,
mit „Realismus“ uns zu zäumen,
wie ihn die Karrengäule spürn.

„Tomorrow…” – wer kann’s besser sagen?
Mein Kerzenstummel schmilzt dahin.
Bin Schatten, irrnd in tollen Tagen,
Statist im Drama ohne Sinn.

Einst kannte ich noch viele Morgen,
jetzt wächst nur die Vergangenheit –
die will mir, knauserig, nicht borgen,
hockt auf dem Säckel ihrer Zeit.

Hab heut ein Schnippchen ihr geschlagen –
zum Schaalsee raus, nach Zarrentin:
Sechs Stunden Sonne und Behagen –
ein Tag, der mir wie’n Sommer schien!

Kritische Distanz

Kritische DistanzMit meiner kleinen Welt zufrieden,
leb ich von Tag zu Tag dahin,
dass ich des Marktgeschreis hienieden
oft gar nicht gegenwärtig bin.

Ich lass an mich heran nicht treten,
was andre so in Atem hält:
Die Fruchtbarkeit von Majestäten,
das Urteil, das ein Promi fällt.

Die offenkund’ge Ehekrise
der Pop-Ikone Soundso,
beglaubigt durch die Expertise
der Medien unter Null-Niveau.

Den Leichenfund im Tiefseegraben,
die Sonnenuhr im Gletscherspalt,
den Brunstschrei unsrer Küchenschaben,
der wo im Ausguss tief verhallt.

Vor allem nicht die Schlächtereien,
an denen sich der Mensch begeilt –
in Echtzeit mit den Todesschreien
und sonst als Krimi hochgestylt.

Den Blick beständig auf dem Nabel,
den man in Delphi schon verehrt,
erspar ich mir das Sündenbabel,
das um mich rum beständig gärt.

Das heißt das ewige Spektakel,
von eitler Selbstsucht inszeniert,
die sich ihr blutiges Debakel
schon in die Basis programmiert.

Der „Schwan von Avon“ hat’s besungen
so trefflich und so traurig schön,
dass unter tausend Dichterlungen
die seine man als stärkste krön…

Ein Schattenspiel nur unser Leben
mit Mimen, die man schnell vergisst,
und Irre, die den Ton angeben,
der schrill, doch völlig sinnlos ist.

Kleine Kunstlektion

Kleine KunstlektionGebiet Rheinhessen, Riesling, trocken.
Was braucht es für ‘ne Sitzung mehr?
Der beste Köder, rauszulocken
Gedichte à la Schüttelspeer.

Ich heb den Humpen an die Lippen,
spreiz zierlich meinen Finger ab,
um züchtig erst einmal zu nippen,
bevor ‘nen ganzen Schwall ich schnapp.

Den wieg ich prüfend erst im Munde,
bis dass ich ihn der Kehle lass –
zufrieden dann mit dem Befunde,
ich Hoffnung für die Verse fass.

Und wirklich: Nach ein paar Minuten
der Stapellauf: Die Strophe steht.
Und auch die folgenden sich sputen,
zack, zack, wie mit ‘nem Stanzgerät.

Was eben noch in Kinderschuhen,
rennt jetzt schon dem Zenit davon,
um bald danach sich auszuruhen –
und hoffentlich im Pantheon.

Doch ziemt sich’s nicht, vorauszueilen
mit siegestrunkenem Panier;
es fehlen ja noch ein paar Zeilen,
das heißt genau gesagt noch vier.

Im Übrigen: Mit Strophe sieben
es eben die Bewandtnis hat:
Hab glücklich ich sie hingeschrieben,
passt keine achte mehr aufs Blatt.

Kleine Sinnsuche

Kleine SinnsucheWie einem Dasein Sinn verleihen
von derart flüchtiger Natur,
dass ruck, zuck sich die Tage reihen
wie Perlen auf der Büßerschnur?

Da hat wohl jeder ‘ne Methode,
mit der er seinen Frust verdrängt,
auf dass er aus dem Herzen rode
die Ängste, die da eingesenkt.

So kann man sich in Arbeit stürzen
in Blaumann, Kittel oder Frack,
mit „Leistung“ und „Erfolg“ zu würzen
des Lebens faden Beigeschmack.

Man kann auch in Vergnügen tauchen,
in denen man total versinkt,
wie Fußball, Pop und Kettenrauchen –
lässt man sich leiten vom Instinkt.

Gibt man dem Geist indes die Ehre,
erfüllt die Klassik diesen Zweck –
der Kunstfreund stopft desselben Leere
mit Shakespeare, Schiele oder Egk.

Auch der Verfasser dieser Zeilen
sucht Zuflucht im Delirium –
beim angestrengten Versefeilen
vergisst er alles ringsherum.

Und doch, in lichten Augenblicken
wird diese Scheinwelt ihm bewusst
mit ihren Mikromenschgeschicken
und ihrer aufgesetzten Lust.

Dann schaut er auf zum Sternenhimmel
und wachen Auges ihn durchmisst,
und weiß, dass in dem Lichtgewimmel
die Sonne seine Heimat ist

Um die wir mit dem Globus kreisen
wie Pluto, Venus und Merkur –
ein Haus, ein schwankendes, auf Reisen
nonstop im Nichts, rund um die Uhr.

Besiedelt von ‘ner Biomasse,
die in den Erdendreck sich duckt
und, dass nicht Schwindel sie erfasse,
erst gar nicht in die Tiefe guckt.

Kein Wunder! Muss doch deprimieren,
was schon ein flücht’ger Blick verrät:
Milliarden Körper, die rotieren,
doch nichts, was um den Sinn sich dreht.

An alln unzähl’gen Weltenecken
pflegt man den Schwung als Zeitvertreib
und scheint nichts andres zu bezwecken,
als dass man in Bewegung bleib.

Darum die Klüsen fest verrammeln
vor dieses Kosmos Affentanz
und Briefmarken zum Beispiel sammeln
als seines Lebens Glück und Glanz!