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Fassadengestaltung

Er wird uns wohl noch lang begleiten,
der lästige Fassadenschutz,
damit in diesen laus’gen Zeiten
dem Virus er die Flügel stutz.

Warum nicht draus das Beste machen
so wie aus jedem Kleidungsstück,
dass statt nur Kurven abzuflachen,
er seinen Träger auch noch schmück?

Ich meine nicht nur ein paar Diven,
die sich schon jetzt darauf verstehn,
nein, die diversen Perspektiven,
die für das Gros des Volks zu sehn.

Das fängt schon an bei den Formaten:
Nur immer DIN A 1,2,3?
Designer könnten dich beraten,
dass deine Larve cooler sei.

Dir liegt an deiner Handwerksehre,
wie sie auch für Friseure gilt?
Dann pinsle dir doch Kamm und Schere
auf dein textiles Firmenschild!

Und machst du hin und wieder Grütze
als Profi, nicht als Dilettant,
empfehlen Löffel sich und Mütze
als Sinnbild für den Köchelstand.

Auch seine Herkunft nach Regionen,
etwa als Bayer statt als „Preiß“,
kann mit dem Tüchlein man betonen,
hier mit den Farben Blau und Weiß.

Indes der Landsmann von der Küste,
der seine Heimat nicht verhehlt,
als Zeichen maritimer Lüste
den Hummer sich zum Wappen wählt.

Wer will, dass ihn die Welt beneide
um seine noble Eleganz,
der greift zurück auf Samt und Seide
für den gepflegten Mummenschanz.

Und, sei’n wir ehrlich, diesem Fetzen,
der los sich überm Zinken spannt,
womöglich ‘nen Akzent zu setzen
mit Perle gar und Diamant.

Wen aber Winde leicht erschüttern
grad in der kalten Jahreszeit,
der kann mit Fell das Häubchen füttern,
wenn’s sein muss, auch zwei Finger breit.

Auch die den Luxus streng verneinen,
die Ökos kommen nicht zu kurz –
sie nutzen Jute nur und Leinen
für ihren Nasenlendenschurz.

Die aber lautstark protestieren,
dass durch den Blätterwald es braust,
die führn auf offenen Visieren
martialisch die geballte Faust.

Genug nun aber der Exempel.
Nur einem geb ich noch das Wort,
dem, der wie weiland Lehrer Lämpel
die Weisheit treibt als Leistungssport.

Dem Staatsmann, wie wir wohl schon ahnen,
sich rühmend ohne Unterlass.
Der schreibe sich auf seine Fahnen:
Wer, wenn nicht wir? Wir schaffen das!

Der starke Mann

Zu den berufsbedingten Zügen,
an denen es nur selten fehlt,
gehört beim Staatsmann das Belügen,
wozu auch das Verschweigen zählt.

Er kann nicht alles offen sagen,
was insgeheim schon ausgedacht,
weil ihm des Volkes Unbehagen
den Plan sonst früh zunichtemacht.

Auch gegen jene aufzuhetzen,
denen sein Regiment missfällt,
zählt zu den ehernen Gesetzen,
nach denen auch der Köter bellt.

Und schließlich sind so abgehoben
vom Boden sie der Wirklichkeit,
dass sie sich ständig selber loben –
für das selbst, was zum Himmel schreit.

Und wie beim Mimen im Theater
die Maske man zumeist nicht spürt,
so wird vom „guten Landesvater“
die Masse hinters Licht geführt.

Mag’s als Entschuldigung ihr dienen,
dass stets man übers Ohr sie haut
und sie die glatten Pokermienen
der Sonntagsredner nicht durchschaut!

Doch was soll man von Leuten halten,
die sich nicht störn an Heuchelei
und diese finsteren Gestalten
hofieren mit Hurrageschrei?

Ach, wären untern braven Christen
die schwarzen Schafe nicht Legion,
dann gäb’s auch keine Populisten –
mit einem Wort: der Sünde Lohn!

Hoher Herrscher

Hoher HerrscherEr hält in seiner Hand die Fäden,
mit denen er ein Reich regiert,
mit leichtem Zug bewegend jeden,
dass willenlos er ihm pariert.

Wenn morgens ins Büro er schreitet,
erstarren sie vor Ehrfurcht schon.
Der Pförtner seine Augen weitet
und klingeln lässt das Telefon.

Die ganze Brut der Bürokraten
traf dienstbeflissen vor ihm ein,
um ihrem Oberpotentaten
ein Bild von stetem Fleiß zu sein.

Dann macht er sich an die Geschäfte,
eins nach dem andern, nach Gewicht,
und bündelt seine Geisteskräfte
auf jedes, das ihm Ruhm verspricht.

Und selbstverständlich in dem Rahmen,
der seinem hohen Rang gemäß,
er muss nicht in Lappalien kramen,
als ob er im Bezirksamt säß.

Nein, in den Aktenkonvoluten,
durch die er sich tagtäglich frisst,
geht’s etwa um die Alëuten
oder um Naurus Vogelmist.

Da muss gerissen er entscheiden,
was förderlicher seinem Zweck,
und notfalls sich als Lamm verkleiden,
dass er den Fang des Wolfs verdeck.

Und schließlich kommt, was kommen musste,
weil es seit Olim stets so geht:
Er stiehlt ein Stückchen von der Kruste
des Lands der Nachbarmajestät.

Ein Staatsmann also erster Klasse,
ein Großer auf dem Erdenrund,
weil seiner schönen Heimat Masse
er kühn vermehrt um fünfzig Pfund.

So wird er es nicht ewig treiben,
denn auch der Mächt’gen Zeit verrinnt –
ein letztes Mal Geschichte schreiben
am Friedhof, wo er Land gewinnt.