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Herausspaziert!

In jeder Chronik wird es stehen,
sofern von Spanien sie erzählt:
Erlaubnis zum Spazierengehen,
allein, verbandelt und vermählt!

Erteilt an diesem Maientage
und unterzeichnet nach Gebühr,
dass straflos seine Füße trage
der Bürger wieder vor die Tür.

Da solln sie endlich Auslauf kriegen
nach wochenlanger Abstinenz
und der Natur am Busen liegen,
wie sich’s gehört im schönen Lenz.

Ihr könnt euch denken: Völkerscharen
ha’m in die Puschen sich gezwängt,
auch solche, die nie scharf drauf waren,
dass man sich unter Veilchen mengt.

Und wuselten, Insektenhaufen,
nach Herzenslust so kreuz und quer,
um gleich den Rat zu unterlaufen:
Zwei Meter Abstand ungefähr!

Wolln hoffen, dass den Lockerungen
rundum Erfolg beschieden wird
und auf den Futterplatz der Lungen
sich nun kein Flegel mehr verirrt.

Zunächst sind noch begrenzt die Zeiten,
zu denen man nach draußen darf,
doch ein Signal, um einzuleiten
Beschränkungen, die nicht so scharf.

In wohlbedachten kleinen Schritten
die Schraube lockerer man dreht
bis dahin, wo nur leicht beschnitten,
erreicht der Punkt „Normalität“.

Doch was Experten nicht verschweigen,
die unermüdlich ja am Ball:
Die wird indes ein Bild uns zeigen,
das anders als vorm Krisenfall.

Könnt irgendwie auch ich mir denken –
was schützend man verordnen musst,
ist sicher schwer nur einzurenken
in hiesige Umarmungslust.

Kann man beim Küsschen Abstand halten?
Das wär des Kreises Quadratur!
Doch wird die Liebe drum erkalten
ein Meter fünfzig weiter nur?

Maskerade

Mit fein gewirkten Requisiten,
die man vor Mund und Nase hält,
betreten wir jetzt wie Banditen
die Freilichtbühne dieser Welt.

Doch nicht, um wen zu überfallen
in räuberischem Übermut
und uns mit einem Coup zu krallen
sein lang gehäuftes Hab und Gut!

Und möcht uns die Idee verlocken,
hier im globalen Narrennest
macht grad das Volk sich auf die Socken
zum kollektiven Kappenfest,

Dann lägen gleichfalls wir daneben.
Nichts von ‘nem lust’gen Mummenschanz.
Die Tücher einfach nur da kleben
als Virengitter voll und ganz.

Doch nicht einmal im Wilden Westen,
der mancherlei Rekorde schlug,
gab so ein Schauspiel man zum Besten,
dass jeder fast ‘ne Maske trug.

Nur die vermaledeite Seuche,
die wie ein Blitz vom Himmel fuhr,
erfordert solche neuen Bräuche –
Gesundheit an der Gummischnur.

So seine Züge zu verdecken,
die ganz verschieden doch geprägt,
wird mancher Schönheit gar nicht schmecken,
die lieber sie zu Markte trägt.

Und geh mal und kommuniziere
mit so ‘nem Lappen vorm Profil!
Nur mit ‘nem offenen Visiere
durchschaut man auch das Mienenspiel.

Doch Schlimmres gibt’s unter der Sonne;
‘ne Weile nimmt man das in Kauf,
dann marsch die Maske in die Tonne!
Und schon setzt man die alte auf.

Beschränkter Freigang

J

Hellrot seh Blüte ich an Blüte
Hibiskus an dem kleinen Busch,
wenn nach dem Einkauf mit der Tüte
am Park entlang ich heimwärts husch.

Und nur ein Dutzend Schritte weiter,
schon spürbar an dem duft’gen Hauch,
kaum dunkler auf der Farbenleiter
ein voll erblühter Rosenstrauch.

Ich kann sie leider kurz nur sehen,
muss weiter mit der schweren Fracht,
doch reicht ein Blick, um zu verstehen,
dass längst der Frühling schon erwacht.

Na und? Der Lauf der Jahreszeiten.
Das Erste, was der Mensch bemerkt,
wenn nach des Winters Widrigkeiten
er sich am Kelch des Krokus stärkt.

Doch diesmal ist was schiefgegangen.
Zwar ließ der Lenz sein Banner wehn,
doch durfte niemand unbefangen
zum Gruße ihm entgegengehn.

Ein Virus hat uns aufgezwungen
der Häuslichkeit begrenzte Welt,
damit er von lädierten Lungen
und Schwächelnden sich ferne hält.

Das Motto heißt „Kontakt vermeiden“,
dass man nicht fremde Keime schluckt,
und mit Tapeten sich bescheiden,
die zwar geblümt, doch nur bedruckt.

Schon Wochen sind ins Land gezogen,
seitdem zu Haus wir arrestiert
und halb schon um den Lenz betrogen,
der fröhlich seinen Weg marschiert.

Wir aber stecken in der Krise
noch weiterhin wer weiß wie lang.
O Wunder einer Blumenwiese –
mir wird schon um den Sommer bang!

Stets auf dem Sprung

Wer hat ihm einen Pass gegeben,
wer ihm ein Visum ausgestellt,
dass auf der Jagd nach neuem Leben
kein Schlagbaum ihn in Grenzen hält?

Doch braucht der Bursche Dokumente,
Papier, das staatlich ihn empfiehlt?
Als ob er nicht die Löcher kennte,
durch die man sich nach draußen stiehlt!

Er ist so frei wie die Gedanken
in jenem schönen alten Lied,
setzt ohne Müh über die Schranken,
die eine Obrigkeit ihm zieht.

Doch Böses führt er nur im Schilde,
das macht ihn überall suspekt,
wenn in entfernteste Gefilde
er seine gier‘gen Fühler streckt.

Damit man ihm das Handwerk lege,
hat sich ein Mittel nur bewährt:
Man geht ihm tunlichst aus dem Wege,
dass ihn die Einsamkeit verzehrt.

Denn wo’s an Nähe ihm nicht mangelt,
nicht lange unbehaust er irrt,
indem er durch die Luft sich hangelt
von einem bis zum andern Wirt.

Dem pflegt die Zeche er zu zahlen
auf die total perfide Tour –
lässt nichts als Kummer ihm und Qualen
und manchmal mehr als diese nur.

Noch hat den winzigen Gesellen
man keineswegs in der Gewalt.
Doch solln die Hunde weiterbellen –
mal macht die Karawane Halt.

Massenflucht

Meist fühlt der Mensch sich in der Masse
geborgen und voll akzeptiert –
da seht, wie an der Stadionkasse
er in der Schlange sich verliert!

Und dann erst auf den harten Bänken,
wo Körper sich an Körper schmiegt,
um seine Augen ganz zu schenken
dem Heimteam, das natürlich siegt.

Nicht anders, wenn die Pop-Ikonen
das Volk versammeln zum Konzert,
dass von gefühlten Millionen
die Wiese vor der Bühne gärt.

Und auf den großen Rummelfesten,
wie hoch, oha, geht es da her,
da wimmelt es nur so von Gästen
und statt der Biene tanzt der Bär!

Doch auch die in Parkett und Rängen
goutieren meist des andern Näh
und in Theaterpausen drängen
sich gern zum Freak im Foyer.

Am Ende noch die Kirchengänger,
„Gemeinde“ traulich tituliert,
die selbst noch bei ‘nem Rattenfänger
getrost im Zuge mitmarschiert.

Doch hat die Nähe ihre Tücken,
wie grade heute sich erweist –
sie baut ‘nem Schädling goldne Brücken,
der gern zu andern Ufern reist.

Da musss auf einmal Abstand halten
das ausgemachte Herdentier,
dass, diesen Burschen auszuschalten,
es sich vom Nächsten isolier.

Wie lange, weiß kein Schwein zu sagen.
Noch eine Weile jedenfalls …
Mir scheint, ‘s ist eine von den Lagen,
da fiel man Satan um den Hals.

Doch fähig ist der Mensch zu lernen,
wenn es um Leib und Leben geht;
er kann vom andern sich entfernen –
und enger ihm zur Seite steht!

Distanzmesser

Der höchste Rat hat heut entschieden,
dass weiterhin Gefahr besteht
und möglichst der Kontakt vermieden,
der Viren auf den Hals uns lädt.

Bedeutet erst mal weitre Wochen
in seinem häuslichen Arrest,
als hätt wer weiß was man verbrochen
und säße in der Zelle fest.

Das ist in diesen Friedenszeiten
ein Zustand völlig neuer Art –
damit sich Keime nicht verbreiten,
wird an Geselligkeit gespart.

Verrammelt sind die Klassenzimmer,
die Pausenhöfe öd und leer.
Der Schule, sonst ein Horror immer,
weint manches Kind schon hinterher.

Man kann nicht mehr ins Kino gehen;
die Bühnen haben alle dicht.
Von wegen, samstags Fußball sehen,
und wenn dein Herz darüber bricht!

Die meisten Läden sind geschlossen,
die Kunden stehen auf dem Schlauch.
Der Weise nur bleibt unverdrossen:
„Wie viel es gibt, was ich nicht brauch!“

Im ausgekühlten Kirchenchore
ruft niemand zum Hosianna auf;
die ganze Osterfestfolklore
ging für die Virenabwehr drauf.

Doch immerhin, man weiß ja heute,
woran dies ganze Übel liegt,
und wird nicht ahnungslos zur Beute
des Stromers, der auf Wirte fliegt.

Die Maske notfalls vorgebunden,
die Hand in Zellophan gespannt,
dreht man gelassen seine Runden,
wo’s noch erlaubt nach neustem Stand.

Im Supermarkte beispielsweise,
denn jeder braucht sein täglich Brot,
und eine kurze Einkaufsreise
ist ausgenommen vom Verbot.

Ansonsten strikte Ausgangssperre.
Die Ordnungshüter kontrolliern
und trotz Gezeter und Geplärre
die Übeltäter abkassiern.

So hat uns mit dem Keimexporte
die Kunst auch China anvertraut,
wie außerhalb des Hauses Pforte
dem Volk man auf die Finger schaut.

Und unsre höchsten Demokraten,
nur Gutes, sagen sie, im Sinn,
sie riechen heimlich schon den Braten
fürn unverhofften Machtgewinn.

Mag Orwell stets in Frieden ruhen,
der 84er-Prophet,
dass man in furchtbar engen Schuhen
nicht plötzlich mal durchs Leben geht!

Landflucht

Vor etwa siebenhundert Jahren,
ihr wisst es selber ja gewiss,
die Zeiten auch nicht besser waren –
ein Floh gefährlich um sich biss.

Im Fell allgegenwärt’ger Ratten
fand er zunächst sein täglich Brot,
um schließlich schaurig zu begatten
die Völker mit dem Schwarzen Tod.

Die Menschen starben wie die Fliegen,
Europa war ein Leichenhaus,
und um die Seuche zu besiegen,
sang Gottes Lob man, römisch: laus.

Den Leib voll Schwären und voll Wunden,
verbrannte ihre Lebenskraft,
Bestatter machten Überstunden,
bis selber sie dahingerafft.

Beginnt mit solchen Schicksalsschlägen
der Herr sein letztes Weltgericht?
Was andres war nicht zu erwägen:
Pasteur und Koch noch nicht in Sicht.

Doch eine Ahnung, dass die Enge
befördere den Steppenbrand,
trieb manchen aus der Städte Menge
ins bäuerliche Hinterland.

Na, klingen jetzt bei euch die Glocken?
Boccaccio und Dekameron!
Zehn machten flugs sich auf die Socken,
raus aus Florenz in die Region!

Und was für köstliche Geschichten
erzählte man sich dann zuhauf –
reihum musst jeder sich verpflichten,
und Langeweile kam nicht auf.

So hat man aus der schlimmen Lage
‘ne Tugend schließlich noch gemacht,
sich abgelenkt von Pest und Plage
und trotzig diese gar verlacht.

Man sieht wohl leicht die Parallele
zu unsrer heut’gen Pandemie –
es reißt uns auch aus bleicher Seele
das Wunderkraut der Fantasie.

Die schafft sich in der Virus-Krise
in ungeahnter Weise Raum –
nicht anders als von damals diese:
Humor noch unterm Galgenbaum.

Eingeschränkter Seeverkehr

Mag sein, dass sich die Möwen wundern,
die vis-à-vis am Meer zu Haus,
dass auf Sardinen und auf Flundern
zurzeit kein Menschenjäger aus.

Klar können sie hier selbst ergattern,
was sie an Nahrung so begehrn,
doch gern sie schwärmend auch umflattern
die Dampfer, die vom Fang heimkehrn.

Da rutscht wohl manches durch die Maschen
und plumpst mit Platsch ins Meer zurück,
dass fast im Flug sie’s noch erhaschen
als leicht errungnes Beutestück.

Die Tafel ist für ihresgleichen
rund um die Trawler stets gedeckt –
doch heut heißt‘s übers Wasser streichen
und gucken, wo’s ein Schatten fleckt.

Sie werden sich zu helfen wissen;
ich hab noch nie davon gehört,
‘ne Möwe hätt ins Gras gebissen,
nur weil auf „leichte“ Kost sie schwört!

Sie braucht nur irgendwas zum Fressen
und fragt nicht viel nach dem Woher.
Ihr Möwenhirn hat bald vergessen,
wie unbefahren jetzt das Meer.

Der Mensch indessen sieht die Leere
und weiß den Grund dafür sofort –
führn Luxusliner jetzt und Fähre,
wärn Viren sicher bald an Bord.

Dabei hieß früher es doch immer:
Auf See steckt man sich niemals an.
Doch da gab’s ein, zwei Kohlentrimmer
und höchstens noch ein Dutzend Mann!

Jetzt karren riesenhafte Klötze
Touristen auf Vergnügungsfahrt,
dass man zu Tausenden ergötze,
die lang auf diesen Törn gespart.

Damit hat’s erst mal nun ein Ende,
bis dieser Albtraum wieder weicht
und sich der Mensch wie je die Hände
berührend zur Begrüßung reicht.

Doch muss ich um Verzeihung bitten
die Möwen für mein Seemannsgarn –
bin heut am Meer entlanggeschritten,
sah Boote dort auf Beute harrn!

Wir alle brauchen schließlich Speise
von Land so dringend wie von See –
schwirrt also weiterhin im Kreise
um euer schlingerndes Buffet!

Da hilft kein Beten

Um zwölf Uhr mittags Glockenläuten,
wie stets dem Herrn zu Lob und Dank,
doch nicht zu sammeln die verstreuten,
die Schäfchen auf der Kirchenbank.

Denn diese Zeit der großen Plage,
die auf dem Globus rings grassiert,
will, dass man den Kontakt versage,
mit wem man auch kommuniziert.

Warum sie in die Luft sich schwingen
mit ihrem regelmäß’gen Ruf?
Wohl in Erinnerung zu bringen,
dass Gott auch diese Seuche schuf.

Doch sicher auch, dass die Gemeinde
nicht ohne Hirt im Regen steht,
der jetzt zur Rettung vor dem Feinde
zum Himmel klöppelt sein Gebet.

Erfreulich, dass die Quarantäne
er nicht mit seinem Credo tauft
und als Johanni Horrorszene
als biblisch avisiert verkauft.

Und auch nicht wie in frühren Krisen
der Ärzte Kunst beiseiteschiebt,
als strikt man auf den Herrn verwiesen,
der heilt und hilft, wie’s ihm beliebt.

Man wär gewiss in Prozessionen,
die Himmelsjungfrau vorneweg,
in allen Stadt- und Landregionen
umhergezogen zu dem Zweck.

Um sich mit brausenden Chorälen
voll Inbrunst und voll Gottvertraun
als reu’ge Sünder zu empfehlen,
die auf des Höchsten Gnade baun.

Die Tradition ist ungebrochen,
doch längst nicht mehr der Pest geweiht.
Man pflegt sie in den Osterwochen
beim Schweigemarsch im Büßerkleid.

Doch diesmal plötzlich lange Nasen –
der Umzug samt dem Straßenfest
ist vorsichtshalber abgeblasen
des Virus wegen, dieser Pest.

Maria muss den Schuppen hüten:
Erhöhte Infektionsgefahr.
Wie lange auch die Viren wüten –
Nolimetangere. Ein Jahr!

Notstand

Was tun, wenn unser täglich Leben
auf einmal aus dem Tritt gerät
und wie nach einem großen Beben
nichts fest mehr auf dem Sockel steht?

Man kann sofort den Kopf verlieren
und malt den Teufel an die Wand:
Johannes mit den Monstertieren,
Apokalypse, Weltenbrand!

Man kann auch schlicht herunterspielen,
was andren als bedrohlich gilt:
„Wie oft wir schon in Ängste fielen –
und immer alles halb so wild!“

Dann gibt es noch die Hoffnungslosen,
die jeder Obrigkeit misstraun
und sich mit zig Konservendosen
‘ne blechgestützte Zukunft baun.

Des Weiteren Geschäftemacher,
die Chancen wittern überall,
denn Risiko gehört zum Schacher,
so auch im Katastrophenfall.

Doch schließlich auch die edlen Seelen,
die helfen, wo es irgend geht,
und nur auf die Belohnung zählen,
dass andren Gutes draus entsteht.

Was umso höher noch zu schätzen,
als etliche aus dieser Schar
so mutig sind, sich auszusetzen
auch selbst der tödlichen Gefahr.

Die Kranke pflegen und betreuen,
und viele gleich auf einen Schlag,
stehn mit dem Risiko, dem neuen,
ja Aug in Auge jeden Tag.

Ganz vorne an der Front der Viren,
für die sich noch kein Mittel fand,
mit vollem Einsatz sie agieren,
bis sie erschöpft und ausgebrannt.

Indes kann heute keiner sagen,
wie lange diese Krise währt
und wann wir eine Brut verjagen,
die sich jetzt ständig noch vermehrt.

Und da empfiehlt sich ‘ne Variante
im Spektrum von Manie und Mut,
die ich bisher noch gar nicht nannte:
Geduld und immer ruhig Blut.

Nicht mal am Meer darf man noch schweifen,
dass seinem Wellenschlag man lauscht.
Erst nachts hör ich es, nah zum Greifen –
kein Staat verbietet, dass es rauscht.