Archiv der Kategorie: Mensch

Monarch und Monster

Herodes war ein schlimmer Finger,
dem jede Schandtat zuzutraun,
ein kollektiver Leidensbringer
mit Faible Köpfe abzuhaun.

Vor dem war nichts und niemand sicher
in seiner blinden Herrscherwut,
die umso fieser, liederlicher,
als sie auch traf die eigne Brut.

Nicht die geliebte nur, die schöne
Gespielin seiner Hochzeitsnacht,
nein, auch die Hälfte seiner Söhne
hat väterlich er umgebracht.

Von den Verwandten ganz zu schweigen,
denen Verrat er unterstellt,
dass er sie zwang, hinabzusteigen
ins Schattenreich der Unterwelt.

Mit Folter, Mord und Scheußlichkeiten
nach üblicher Tyrannenart
ließ er die Macht sich nicht entgleiten,
bis er krepiert und aufgebahrt.

Nicht ohne wem noch aufzutragen,
dass möglichst man viel Volk erschlägt,
dass Jammern herrsch und Weheklagen,
als wär es sein Tod, der’s bewegt.

Kein Wunder, dass man dem Halunken,
der so schon jedes Maß gesprengt,
von Grausamkeit und Machtgier trunken,
auch Kindesmord noch angehängt.

Wie anders die Gedankengänge
der heutigen Gelehrtenzunft –
die schiebt die Gräuel auf die Zwänge
der staatspolitischen Vernunft!

Mit einem Wort, am Ruder bleiben,
und sei’s mit Feuer und mit Schwert,
ist denen, die Geschichte schreiben,
mehr als Millionen Menschen wert.

„Charaktermäßig schwer zu fassen“
sind die Objekte ihrer Wahl;
wenn sie nur Spuren hinterlassen,
entschuldigt man sie allemal.

Den unbekannten Missetäter
man keineswegs „umstritten“ nennt,
man macht um ihn nicht viel Gezeter
und sieht ihn schlicht als Delinquent.

Für Massenmörder auf dem Throne
hat man indes Pardon parat,
zählt gern die Zacken ihrer Krone
und ihre Klunker in Karat.

Statt sich gehörig zu entsetzen
über ihr blutiges Regime,
scheint man sie eher noch zu schätzen,
kennt man sie gleichsam doch intim.

Kurzum, in einem Doku-Streifen,
der abends in der Kiste lief,
mit Szenen man, die nah zum Greifen,
dies Scheusal ins Gedächtnis rief.

Wohl eine Stunde Unterweisung
„Wie bricht man jemand das Genick“ –
mit der perfiden Seligpreisung
von Keule, Klinge, Gift und Strick.

Zum Schluss wie immer dann das Beste,
das Fazit nach bewährtem Brauch:
„Er ließ uns prächtige Paläste“.
Na, Donnerwetter aber auch!

Zeit zeugen

Am Morgen aus den Federn springen;
die Wasch- und Frühstücksprozedur;
zur Arbeit, Firmenhymne singen,
sofern dein Standort Singapur.

Dann so gefühlte zwanzig Stunden
den Hintern vorm PC gewetzt,
bis Leib und Geist mit tausend Wunden
sich abends endlich freigehetzt.

Danach mit dicken Hamsterbacken
genüsslich seine Bissen kaun,
und während sie so runtersacken
mit einem Krimi sie verdaun.

Hat der sein Pulver dann verschossen
und zig Personen plattgemacht,
wird diese Leichenschau geschlossen
und wünscht dir fröhlich Gute Nacht.

Nun trottest du, um fortzuträumen
das megaspannende Geschehn,
in einen von diversen Räumen,
um dich von innen anzusehn.

Ein langer Anlauf, zu entwischen
dem quälenden Gedankenflug,
um erst mit Schlaf dich zu erfrischen
am frühen Morgen, kurz genug!

Schon reißt dich aus dem tiefsten Schlummer
des Weckers schriller Hahnenschrei,
und es beginnt die gleiche Nummer
wie oben Verse eins bis drei.

Ein Rhythmus, der nicht eben minder
so unbarmherzig wiederkehrt,
wie dieser Kolben im Zylinder
verbissen auf und nieder fährt.

Und wie der mit der Kraft von Rossen
sein stählernes Verlies nicht sprengt,
bist in den Job du eingeschlossen,
der dich in tausend Jacken zwängt.

Jetzt komm mir nicht mit Mußestunden,
wenn du erst mal in Rente bist!
Dann drehst du doch die gleichen Runden,
die nur auf andre Weise trist!

Die morgendliche Körperpflege
bleibt dir erhalten sowieso.
Und, gut, fühlst du dich danach träge,
treibt keine Macht dich ins Büro.

Doch so ein Tag hat seine Länge,
die selbst ein Pensionär verspürt,
der abseits der geschäft’gen Menge
ein halbes Lotterleben führt.

Das schützt ihn nicht vor Langeweile,
die immer schon im Winkel kniet,
auch wenn er mit gespielter Eile
dem Thekenplatz entgegenflieht.

Er glaubt, so frei von allen Fesseln,
in die ihn seine Arbeit schlug,
würd nun das Leben richtig kesseln
in einem steten Höhenflug.

Und knüpft, sich selber zu belügen
mit ungebremstem Tatendrang,
ein Netz gesuchtester Vergnügen
für den vermeintlich dicken Fang.

Doch schlüpft der Spaß ihm durch die Maschen,
die offenbar zu weit gespannt:
Er kann nicht mehr davon erhaschen,
als was er sonst schon darin fand.

Kann er von gar nichts profitieren?
Hat er nicht Zeit im Überfluss?
Natürlich. Um sie zu verlieren
in fadenscheinigem Genuss!

Doch müsste sich der Tag nicht dehnen,
wenn man beschaulich ihn verlebt
und eine Folge stiller Szenen
zum ewigen Arkadien webt?

Ach, wie man’s drehen mag und wenden,
dabei gibt’s keine bessre Wahl:
Verschleudre ihn mit vollen Händen,
verträume ihn – es ist egal.

Du liebst es, auf der Couch zu liegen,
zu lauschen auf des Chronos Schritt?
Nun, was du hörst, sind höchstens Fliegen.
Die Zeit fliegt aber lautlos mit.

Kostverächter

In einem andren Land auf Achse
als Touri oder Dauergast,
such ich nicht unbedingt ‘ne Haxe,
die grad noch auf den Teller passt.

Gewiss würd ich auch diese kriegen
wie überall in West und Ost,
doch warum tausend Meilen fliegen
für heimatliche Hausmannskost?

Ich hab ja extra mitgenommen
den Gaumen auf die weite Tour,
um endlich einmal loszukommen
von der gewohnten Schweinekur.

Und dieser weiß sehr wohl zu schätzen
den Ausbruch aus dem alten Trott
und dass man speist an fremden Plätzen
nicht anders als in Frankreich Gott.

Den Anspruch wird er gar nicht stellen,
dass Edles nur den Hunger stillt –
es reichen schon ein paar Sardellen,
die über Feuerholz gegrillt.

Auch Seehecht, der in unsren Breiten
nur selten auf den Zinken liegt,
kann unschwer ihn dazu verleiten,
dass nicht genug er davon kriegt.

Und Muscheln aller Varianten
von Herz- und Venus- bis zu Mies-
sind gleicherweise ihm Garanten
für so ein Schlemmerparadies.

Ich hörte mal von jemand sagen,
er ließ die Pizza Pizza sein
und schippte in den deutschen Magen
nur Würstchen und Kartoffeln rein.

Selbst bei ‘nem Ausflug in die Ferne
aß er nur so was als Gericht;
in eine lausige Taverne,
nein, kriegten ihn zehn Pferde nicht.

Da musst er öfter Kohldampf schieben,
weil sich für ihn kein Gasthaus fand
und Kumpel in die Pasta hieben,
indes er hungrig draußen stand.

Ein Patriot bis auf die Knochen,
der sogar Magenknurren litt,
weil „Welschen“ er die Kunst zu kochen
und wohl auch sonst noch was bestritt.

Der würde gleich wohl wieder flüchten,
verschlüg’s ihn hier in Küstennäh
und er von Fisch und Meeresfrüchten
die Speisekarten wimmeln säh.

Doch seine unbeugsame Strenge,
die Zunge unters Joch zu schirrn,
beweist nichts andres als die Enge
der hammerharten Spießerstirn.

Na ja, auch wenn die Eskapaden
der meinen sehr viel weiter gehn:
Für zwei so deft’ge Kohlrouladen
ließ ich ein Dutzend Austern stehn!

Herausspaziert!

In jeder Chronik wird es stehen,
sofern von Spanien sie erzählt:
Erlaubnis zum Spazierengehen,
allein, verbandelt und vermählt!

Erteilt an diesem Maientage
und unterzeichnet nach Gebühr,
dass straflos seine Füße trage
der Bürger wieder vor die Tür.

Da solln sie endlich Auslauf kriegen
nach wochenlanger Abstinenz
und der Natur am Busen liegen,
wie sich’s gehört im schönen Lenz.

Ihr könnt euch denken: Völkerscharen
ha’m in die Puschen sich gezwängt,
auch solche, die nie scharf drauf waren,
dass man sich unter Veilchen mengt.

Und wuselten, Insektenhaufen,
nach Herzenslust so kreuz und quer,
um gleich den Rat zu unterlaufen:
Zwei Meter Abstand ungefähr!

Wolln hoffen, dass den Lockerungen
rundum Erfolg beschieden wird
und auf den Futterplatz der Lungen
sich nun kein Flegel mehr verirrt.

Zunächst sind noch begrenzt die Zeiten,
zu denen man nach draußen darf,
doch ein Signal, um einzuleiten
Beschränkungen, die nicht so scharf.

In wohlbedachten kleinen Schritten
die Schraube lockerer man dreht
bis dahin, wo nur leicht beschnitten,
erreicht der Punkt „Normalität“.

Doch was Experten nicht verschweigen,
die unermüdlich ja am Ball:
Die wird indes ein Bild uns zeigen,
das anders als vorm Krisenfall.

Könnt irgendwie auch ich mir denken –
was schützend man verordnen musst,
ist sicher schwer nur einzurenken
in hiesige Umarmungslust.

Kann man beim Küsschen Abstand halten?
Das wär des Kreises Quadratur!
Doch wird die Liebe drum erkalten
ein Meter fünfzig weiter nur?

Maskerade

Mit fein gewirkten Requisiten,
die man vor Mund und Nase hält,
betreten wir jetzt wie Banditen
die Freilichtbühne dieser Welt.

Doch nicht, um wen zu überfallen
in räuberischem Übermut
und uns mit einem Coup zu krallen
sein lang gehäuftes Hab und Gut!

Und möcht uns die Idee verlocken,
hier im globalen Narrennest
macht grad das Volk sich auf die Socken
zum kollektiven Kappenfest,

Dann lägen gleichfalls wir daneben.
Nichts von ‘nem lust’gen Mummenschanz.
Die Tücher einfach nur da kleben
als Virengitter voll und ganz.

Doch nicht einmal im Wilden Westen,
der mancherlei Rekorde schlug,
gab so ein Schauspiel man zum Besten,
dass jeder fast ‘ne Maske trug.

Nur die vermaledeite Seuche,
die wie ein Blitz vom Himmel fuhr,
erfordert solche neuen Bräuche –
Gesundheit an der Gummischnur.

So seine Züge zu verdecken,
die ganz verschieden doch geprägt,
wird mancher Schönheit gar nicht schmecken,
die lieber sie zu Markte trägt.

Und geh mal und kommuniziere
mit so ‘nem Lappen vorm Profil!
Nur mit ‘nem offenen Visiere
durchschaut man auch das Mienenspiel.

Doch Schlimmres gibt’s unter der Sonne;
‘ne Weile nimmt man das in Kauf,
dann marsch die Maske in die Tonne!
Und schon setzt man die alte auf.

Beschränkter Freigang

J

Hellrot seh Blüte ich an Blüte
Hibiskus an dem kleinen Busch,
wenn nach dem Einkauf mit der Tüte
am Park entlang ich heimwärts husch.

Und nur ein Dutzend Schritte weiter,
schon spürbar an dem duft’gen Hauch,
kaum dunkler auf der Farbenleiter
ein voll erblühter Rosenstrauch.

Ich kann sie leider kurz nur sehen,
muss weiter mit der schweren Fracht,
doch reicht ein Blick, um zu verstehen,
dass längst der Frühling schon erwacht.

Na und? Der Lauf der Jahreszeiten.
Das Erste, was der Mensch bemerkt,
wenn nach des Winters Widrigkeiten
er sich am Kelch des Krokus stärkt.

Doch diesmal ist was schiefgegangen.
Zwar ließ der Lenz sein Banner wehn,
doch durfte niemand unbefangen
zum Gruße ihm entgegengehn.

Ein Virus hat uns aufgezwungen
der Häuslichkeit begrenzte Welt,
damit er von lädierten Lungen
und Schwächelnden sich ferne hält.

Das Motto heißt „Kontakt vermeiden“,
dass man nicht fremde Keime schluckt,
und mit Tapeten sich bescheiden,
die zwar geblümt, doch nur bedruckt.

Schon Wochen sind ins Land gezogen,
seitdem zu Haus wir arrestiert
und halb schon um den Lenz betrogen,
der fröhlich seinen Weg marschiert.

Wir aber stecken in der Krise
noch weiterhin wer weiß wie lang.
O Wunder einer Blumenwiese –
mir wird schon um den Sommer bang!

Streitende Nachbarn

So an die zweimal hundert Staaten
bepflastern diesen Erdenbauch,
die in die Wolle sich geraten
um jeden Fitzel Schall und Rauch.

Hat jeder wo ‘ne winz’ge Ecke,
an der dem Nachbarn groß was liegt,
dass gierig er die Finger strecke,
bis er sie in dieselben kriegt.

Hat jeder seine Traditionen,
die dieser Nachbar diffamiert,
damit er seine Legionen
zu Hass und Hader motiviert.

Will jeder nur zu eignen Zwecken
die Schätze heben dieser Welt,
und jeder hat den Dreck am Stecken,
den ihm der andre unterstellt.

Und jeder hat auf seiner Seite
ganz selbstverständlich auch das Recht,
mit dem schon immer man „befreite“
ein Volk zu eines andern Knecht.

Dabei vereint im festen Glauben
an des Erlösers Lieb und Leid,
das Leben sie sich ständig rauben
im Namen der Barmherzigkeit.

Konsens kommt selten nur zustande,
der Egoismus überwiegt,
und selbst in seinem eignen Lande
man sich zur Not auch mal bekriegt.

Doch selbst in schönsten Friedenszeiten
lacht allen nicht das gleiche Glück;
es sichern kleine Minderheiten
sich überall das Sahnestück.

Und wo sie nicht den Knüppel nehmen
nach ewiger Tyrannenart,
geht man, das Unrecht zu verbrämen,
dem Volk mit „Freiheit“ um den Bart.

Auf einen Nenner hier zu bringen
dies Völkersammelsurium:
Die Menschheit fliegt auf Geistesschwingen,
die gierig, grausam, blind und dumm.

Und diese fast zweihundert Länder,
in die der Globus parzelliert,
sie sind die besten Unterpfänder,
dass er so bleibt, so kleinkariert.

Nachschrift für Epimenides

Als Mensch mich davon auszunehmen,
ich keine guten Gründe find;
müsste auch ich mich für was schämen,
dann wär’s am liebsten mir für „blind“.

Stets auf dem Sprung

Wer hat ihm einen Pass gegeben,
wer ihm ein Visum ausgestellt,
dass auf der Jagd nach neuem Leben
kein Schlagbaum ihn in Grenzen hält?

Doch braucht der Bursche Dokumente,
Papier, das staatlich ihn empfiehlt?
Als ob er nicht die Löcher kennte,
durch die man sich nach draußen stiehlt!

Er ist so frei wie die Gedanken
in jenem schönen alten Lied,
setzt ohne Müh über die Schranken,
die eine Obrigkeit ihm zieht.

Doch Böses führt er nur im Schilde,
das macht ihn überall suspekt,
wenn in entfernteste Gefilde
er seine gier‘gen Fühler streckt.

Damit man ihm das Handwerk lege,
hat sich ein Mittel nur bewährt:
Man geht ihm tunlichst aus dem Wege,
dass ihn die Einsamkeit verzehrt.

Denn wo’s an Nähe ihm nicht mangelt,
nicht lange unbehaust er irrt,
indem er durch die Luft sich hangelt
von einem bis zum andern Wirt.

Dem pflegt die Zeche er zu zahlen
auf die total perfide Tour –
lässt nichts als Kummer ihm und Qualen
und manchmal mehr als diese nur.

Noch hat den winzigen Gesellen
man keineswegs in der Gewalt.
Doch solln die Hunde weiterbellen –
mal macht die Karawane Halt.

Ruhe im Bau

Als wär kein Wandel eingetreten:
Des Abends im vertrauten Heim.
Vor Augen Isabell-Tapeten
und unsichtbar den gelben Leim.

Genügend Kraft ist noch vorhanden.
Ich führ den Pinsel wie ein Schwert,
dass Strich für Strich die Hiebe landen
als Verse von Gewicht und Wert.

Die Kerze weilt an Ort und Stelle,
den Schwanenhals ganz hochgereckt,
wo oben in bescheidner Helle
das Flämmchen seine Zunge streckt.

Wär er nicht untern Tisch gefallen,
der Wächter mit der späten Tour,
er ließ jetzt seinen Ruf erschallen:
„Elfmal, ihr Leute, schlug die Uhr!“

Zu seiner Zeit lag da die Erde
im Schlafe des Gerechten schon,
weil herrgottsfrüh von seinem Herde
es scheiden hieß für Brot und Lohn.

Als Rentner kann ich mich erdreisten,
weil meine Ernte eingebracht,
Gesellschaft sogar noch zu leisten
den Geistern weit nach Mitternacht.

Was für ‘ne kreative Stille
dann plötzlich dieses Haus durchweht,
als hätte ihm ‘ne Schlummerpille
den Saft zum Lärmen abgedreht.

Der Herr, der ohne Ruhn und Rasten
am Tag zu bohrn und hämmern pflegt,
er hat nun seinen Werkzeugkasten
zunächst einmal auf Eis gelegt.

Die Dame, die mit schriller Kehle
mich früh schon aus dem Schlummer reißt,
befiehlt jetzt ihre raue Seele
dem Traume, der sie schweigen heißt.

Die Stühle selbst, die ewig scharren
und quietschen von der Decke her,
in süßer Ruhe sie verharren,
von diesen Ärschen endlich leer.

Die Stille hat mit feinen Fäden
sich festgesponnen um das Haus
und lässt durch Tür und Fensterläden
nicht einen Seufzer mehr hinaus.

Man könnte fast Beklemmung kriegen,
denkt tiefer man darüber nach
und sieht im Geist die Nachbarn liegen
verpuppt in ihrem Schlafgemach.

Da klemmen sie in ihren Laken
und dösen einem Morgen zu,
der immer neu, doch mit dem Haken,
auch immer näh’r der letzten Ruh.

Unmöglich kann ich mich erwehren
Visionen auch von dieser Art,
wie sie die Geister ja bescheren,
die unsichtbar um mich geschart.

Womöglich werden sie sich steigern,
die Angst davor ich nicht verhehl,
zumal ich eher zu den Feiger‘n
als zu den Abgebrühten zähl.

Schon fühl ich Schauder mich beschleichen,
wie er zum Hasenherzen passt,
das, horch, ein jähes Lebenszeichen,
postwendend großer Schreck erfasst!

Wie kann man sich nur so verjagen!
Da fand wer spät noch unters Dach,
der laut die Haustür zugeschlagen –
hey, Nachbar, Dank für diesen Krach!

Massenflucht

Meist fühlt der Mensch sich in der Masse
geborgen und voll akzeptiert –
da seht, wie an der Stadionkasse
er in der Schlange sich verliert!

Und dann erst auf den harten Bänken,
wo Körper sich an Körper schmiegt,
um seine Augen ganz zu schenken
dem Heimteam, das natürlich siegt.

Nicht anders, wenn die Pop-Ikonen
das Volk versammeln zum Konzert,
dass von gefühlten Millionen
die Wiese vor der Bühne gärt.

Und auf den großen Rummelfesten,
wie hoch, oha, geht es da her,
da wimmelt es nur so von Gästen
und statt der Biene tanzt der Bär!

Doch auch die in Parkett und Rängen
goutieren meist des andern Näh
und in Theaterpausen drängen
sich gern zum Freak im Foyer.

Am Ende noch die Kirchengänger,
„Gemeinde“ traulich tituliert,
die selbst noch bei ‘nem Rattenfänger
getrost im Zuge mitmarschiert.

Doch hat die Nähe ihre Tücken,
wie grade heute sich erweist –
sie baut ‘nem Schädling goldne Brücken,
der gern zu andern Ufern reist.

Da musss auf einmal Abstand halten
das ausgemachte Herdentier,
dass, diesen Burschen auszuschalten,
es sich vom Nächsten isolier.

Wie lange, weiß kein Schwein zu sagen.
Noch eine Weile jedenfalls …
Mir scheint, ‘s ist eine von den Lagen,
da fiel man Satan um den Hals.

Doch fähig ist der Mensch zu lernen,
wenn es um Leib und Leben geht;
er kann vom andern sich entfernen –
und enger ihm zur Seite steht!