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Zuständigkeiten

Manch klugen Kopf hört ich beteuern,
allein aus seinem Schaffen schon,
aus pausenlosem Versefeuern
bezieh der Dichter seinen Lohn.

Da bräucht es keine andern Ehren,
schon gar nicht was wie Gut und Geld,
um die Glückseligkeit zu mehren,
die strophenweise ihn befällt.

Ich möchte keineswegs bestreiten,
dass da ein Körnchen Wahrheit steckt
und auf dem Musenross zu reiten
meist alle Wünsche abgedeckt.

Doch selbst im schlichtesten Gemüte
ist Eitelkeit ein treuer Gast,
damit man ihm mit Lob vergüte,
was noch in Lorbeer nicht gefasst.

Auch der Erzeuger dieser Zeilen
hat jene schon an sich bemerkt,
begrüßt mit Kusshand, wenn bisweilen
ein Leser ihm den Rücken stärkt.

Versteht sich online heutzutage.
Und sogar ohne Abc.
Ein Klick nur, und mit einem Schlage
hebt sich der Daumen zum Okay.

Tatsächlich mir zu schreiben pflegen
paar Typen sogar lang und breit –
doch leider nicht der Lyrik wegen,
dafür nimmt keiner sich die Zeit.

Man will mich technisch optimieren
(„Du schöpfst nicht wirklich aus dem Volln“),
wovon die selbst nur profitieren,
die mich zu was belatschern wolln.

Die haben wohl noch nie betreten
die Meldeämter des Parnass.
Apoll betreut doch die Poeten,
nicht Bruder Hermes – merkt euch das!

Fünf vor zwölf

Man nimmt gewöhnlich es gelassen,
wenn allseits man auf Leute stößt,
selbst in den kleinsten Seitengassen,
wo Michel seinen Tag verdöst.

Die Brut hat nämlich sich verbreitet
pandemisch über Land und Meer,
dass nicht mal völlig unbegleitet
beim Bummel man am Südpol wär.

Am schlimmsten sind die Metropolen,
da schwimmt man in der Masse mit,
dass selbst man mit den besten Sohlen
beinahe auf der Stelle tritt.

Die sind so sehr ins Kraut geschossen,
dass schon die Erde übersät
mit diesen steinernen Kolossen
und ihrer kalten Majestät.

Für Städtchen bleibt noch Raum indessen
im Hinterland von Berg und Tal,
die gleichfalls ihren Ruhm bemessen
allein nach der Bevölk’rungszahl.

Was soll am Ende daraus werden?
Vermehrung längst karnickelhaft,
gehn jetzt schon diese Hammelherden
dem Globus über seine Kraft.

Sie grasen auf den fetten Weiden,
die zehn Prozent der Oberschicht,
und werden sich wohl erst bescheiden,
wenn auch das letzte Hälmchen bricht.

Die Kämpfe werden sich vermehren
um den begehrten Unterhalt,
wenn zehn Milliarden erst verzehren,
was schon für fünf als mickrig galt.

Ja, dies vernunftbegabte Wesen,
wäre es wirklich bei Verstand,
es müsste von dem Wahn genesen,
das Höchste sei das Vaterland.

Denn solche lächerlichen Grenzen
nimmt unser Globus gar nicht wahr,
er lässt die gleiche Sonne glänzen
auf Bali und auf Sansibar.

Und lässt die gleichen Stürme wüten
um Apenninen und Parnass,
ohne denselben einzutüten
‘nen stempelfreud‘gen Reisepass.

Ja, streut die meisten Widrigkeiten
wie auch den menschgemachten Dreck
so blindlings über alle Breiten
und jeden Drahtverhau hinweg.

Um solche Übel abzuwehren,
an einem Strang man besser zieht –
mag die Naturgewalt uns lehren
den Schulterschluss in Reih und Glied!

Sind wir nicht alle auf der Reise
in diesem kosmischen Mobil
und streiten uns verrückterweise
doch ständig über unser Ziel?

Und bleiben stur in der Kabine,
als ob kein Weg nach draußen führ
und sie allein dem Zwecke diene,
den Gast zu meiden Tür an Tür.

So eingesperrt in seine Zelle,
die jeder seine Heimat nennt,
sieht man beim andern auf die Schnelle
nur das, was einen von ihm trennt.

Woraus indes dann Hoffnung schöpfen,
wie ruhig in die Zukunft schaun,
wenn wir in schwarzgebrannten Töpfen
nur immer Gift und Galle braun?

Was nützen wind’ge Potentaten,
die allseits wieder Konjunktur,
führn immer weiter ihre Staaten
sie schleichend in die rechte Spur?

Brülln patriotische Parolen,
spieln äußerlich den starken Mann,
um jenen Beifall sich zu holen,
den sie entbehren als Tyrann.

Doch wär jetzt mehr denn je vonnöten
Gemeinsamkeit auf breiter Front,
ging selbst damit der Nimbus flöten,
alleine hätt man‘s auch gekonnt.

Wir müssten uns zusammenraufen,
zu retten, was zu retten ist,
denn diesem rollnden Kugelhaufen
bleibt nur noch eine Galgenfrist.

Doch langsam mit den jungen Pferden!
Die Gockel hörn nicht auf zu krähn.
Ich fürchte, solche Vögel werden
erst mit der Erde untergehn.

Der geneigten Leserschaft

Was glotzt ihr denn auf meine Seiten,
habt ihr nichts Besseres zu tun?
In einem Bittgang mitzuschreiten?
‘nen Barfußbruder zu beschuhn?

‘ner netten Oma abzunehmen
des Einkaufsbeutels Schwergepäck,
dass beide heil nach Hause kämen,
die Kundin und ihr Schweinespeck?

Des Nachbarn Bude einzuhüten,
der sich erfüllt ‘nen Urlaubstraum,
und wässern seine biedren Blüten,
den Ficus und den Gummibaum?

Wär löblich auch, sich vorzuknöpfen
Lektüre (Milton, Marx und Mann),
um aus den Weisheitsquelln zu schöpfen,
in die mein Vers nicht reichen kann.

Doch seid ihr nun einmal gelandet
(ich frage allerdings mich, wie
ihr dieses weiße Fleckchen fandet)
im Dschungel meiner Fantasie!

Was hat euch dabei angetrieben?
Die angeborne Lyriklust,
dass alles, was als Vers geschrieben,
das Herz euch hebe in der Brust?

Die Reise in verborgne Welten,
von Touri-Massen unbeleckt,
um als Kolumbus einst zu gelten,
der den Parnass für sich entdeckt?

Ach, warum weiter räsonieren?
Es heißt doch: ‘nem geschenkten Gaul…
Sei es zu zweit, zu dritt, zu vieren –
schaut mir recht fleißig nur aufs Maul!

Verwöhnter Pegasus

Das Öfchen liefert seine Wärme
auf bloßen Knopfdruck höchst bequem,
im Übrigen dazu als Therme,
die Kühle pustet, je nachdem.

In Sommer- wie in Wintertagen
weiß dieser Klimaflüstrer Rat –
spendiert der Stube Wohlbehagen
mit eingebautem Thermostat.

Kaum noch zu glauben, dass vorzeiten
wir hilflos allem ausgesetzt –
dem Frost mit seinen Widrigkeiten,
der Hitze, die mit Schweiß benetzt.

Kamine? Holz- und Aschestätten
mit eingeschränkter Feuerkraft.
Die Glut, die da gebraucht wir hätten,
hat’s höchstens bis zum Bauch gebracht.

Der Reiche hat ein Kohlebecken
zur Seite sich noch angesteckt
und ließ so auch den Hintern schmecken
der Wärme wohligen Effekt.

Indessen der, den Gottes Gnade
sich auserwählt zum armen Tropf,
zog wollne Socken um die Wade
und nachts ‘ne Mütze übern Kopf.

Und dennoch gab es Unentwegte,
die ihrer Feder nicht entsagt
und was im Innern sie erregte
poetisch dem Papier geklagt.

Dabei galt’s nicht nur zu entbehren
ein gut geheiztes Domizil,
nein, auch der Finsternis zu wehren,
die große Leuchte, sie entfiel.

Die Kerze, die in meiner Zelle
romantisch mir ins Auge sticht,
war damals oft die einz’ge Quelle
für eine Handvoll trübes Licht.

Doch hat die Fantasie gelitten,
verkümmerte die Schaffenskraft?
Das Bäumchen, tausendfach beschnitten,
stand umso mehr in vollem Saft.

Jetzt hör ich einige schon lästern:
Wohlan denn, süffiger Poet,
schraub deinen Lichtbedarf auf gestern
und stell auf null dein Heizgerät!

Wird deiner Kunst zugutekommen,
die träge auf der Stelle tritt
und längst den Holzweg schon genommen
zum klassisch-lyrischen Verschnitt!

Den Ratschlag nehm ich gern entgegen;
mir selbst ja auf den Zeiger geht,
ein Ei dem andern gleich zu legen,
sodass kein Hahn mehr danach kräht.

Will also beim Gedichte-Kreißen
stets darauf achten, dass sie rund
und statt der braunen nur und weißen
auch eine Menge kunterbunt.

Doch ohne Wechsel der Methode!
Die Wärme nebst dem Schummerlicht,
ganz losgelöst von jeder Mode,
mir noch das dickste Ei verspricht.

Wie? Ja, ihr könnt mich Weichei schelten,
das gilt mir wie ein Luther-Furz!
Doch haust ihr selbst in offnen Zelten
asketisch nur mit Lendenschurz?

Habt ihr nicht auch dem Lauf der Zeiten
euch unwillkürlich angepasst
und würdet schwerlich rückwärts schreiten
zu Tagen größrer Müh und Last?

Das letzte Urteil überlasse
man doch der Musen feinem Ohr!
Ich fürchte nur, auf dem Parnasse
hat durchaus Sinn man für Komfort.

 

Meisterklasse

meisterklasseIhr werdet euren Teil euch denken,
indem ihr diese Zeilen schaut:
„Ein Zwischenruf aus Hinterbänken
der Musenkunst: Nicht schön, doch laut.“

Nun ja, die prominenten Plätze
vorn im parnassischen Parkett,
nach ungeschriebenem Gesetze
gehörn sie folgendem Quartett.

Homer vorab gewalt’gen Sanges,
der uns der Feste Fall erzählt
im Epos allerersten Ranges,
dem zur Vollkommenheit nichts fehlt.

Danach Horaz, von heitrem Wesen
und friedevoll bescheidner Art,
der uns in Bildern, auserlesen,
das rustikale Rom bewahrt.

Folgt Dante, aus Florenz vertrieben,
der Beatrice nur begehrt
und aus der Hölle sich geschrieben
ins Licht, in dem er sie verklärt.

Den Vierten im illustren Bunde,
den auch als Avons Schwan man kennt,
führt heute jedermann im Munde,
der schwatzend auf Zitate brennt.

Die reimt man aus den ersten Reihen
beim besten Willen nicht mehr raus.
Der Spätren Verse: Stammeleien
aus des Parnasses Hinterhaus.

Doch kann mich das nicht so verdrießen,
dass fad mir würd der Musenkuss –
lass weiterhin die Zügel schießen
dem ungestümen Pegasus.

Und hab ich nicht ein Recht zu krakeln,
da sonst das Los mir nichts verlieh
und nur beim geist’gen Fingerhakeln
ich mal ein Verschen rüberzieh?

Drum fragt nicht, lest ihr diese Zeilen,
wie fern sie der Quadriga wohl –
seht zu den Musen wen nur eilen,
dass er ein Lorbeerblatt sich hol!

Flagge zeigen

flagge-zeigenJetzt will ich’s endlich wissen,
es reizt mich sehr,
auf dem Parnass zu hissen
’ne Flagge mehr!

Dem Musensitz entreißen
ein Eckchen wo
und Gipfelstürmer heißen
wie Kleist und Co.!

Mit Pegasus alleine
kommt man da hin,
drum mache ich ihm Beine
und fleißig bin.

’ne Strophe will ich schaffen,
so nagelneu,
dass die sie selbst begaffen,
die lyrikscheu.

Nach Art von Sapphos Oden,
fernab der Norm,
fernab von allen Moden
als eigne Form.

Seht selber: Wie am Schnürchen
gelingt es hier.
Erst sieben fürs Figürchen
und dann noch vier.

So simpel ist Kreieren
per Silbenzahl.
Fast möchte ich’s probieren
ein zweites Mal.

Doch ja nichts übereilen –
erst dies vollbracht,
wenn man mit frischen Zeilen
Furore macht!

Die Form, sie steht. Verplomben!
Und: Heureka!
O hätt ich Hekatomben
von Ochsen da!

Ein Name muss noch schmücken
die Novität,
um griffig auszudrücken,
worum es geht.

Der „Elferjambus“ wäre
dafür Garant –
drum sei er mir zur Ehre
auch so benannt!

Gebongt. Und übergeben
der Dichterwelt.
Erfülle ihn mit Leben,
wem er gefällt!

Doch will ich‘s Feld nun räumen –
– getan mein Werk -,
im Bette noch zu träumen
vom Musenberg.

Der unbekannten Leserin

der-unbekannten-leserin-picassoIhr kennt mich schon, ihr zwei, drei Leser,
und meine Klaue, Stil genannt,
wisst, dass Murano mir durch Gläser,
Burgund durch Flaschen wohlbekannt.

Euch ist die Küche nicht verborgen,
die zum Parnass ich mir erwählt,
Apolls Geschäfte zu besorgen,
bei denen nur der Wohlklang zählt.

Und was ich an Gedanken hege,
gesteh ich euch ja frank und frei:
der Seele wundersame Wege
durch Wiesen und durch Wüstenei.

Mein Äußres hab ich euch beschrieben,
damit ihr mich leibhaftig seht,
nicht als Phantom, das, umgetrieben,
sich nur in Tintenspurn verrät.

Hab hautnah euch herangelassen
bis an den tiefsten Lebenskern,
wie einer, gleichsam anzufassen,
und nicht wie von ’nem andren Stern.

(Ganz sicher gibt es da auch Stellen,
an die ich euch kein Licht gesteckt.
Auch die würd ich euch gern erhellen –
hätt ich sie selbst nur erst entdeckt!)

Da lieg ich vor euch auf dem Blatte,
durchleuchtet wie von Röntgenlicht,
wie im Versuchslabor ’ne Ratte,
die man aufs Rad der Weisheit flicht.

Ein offnes Buch. Da ihr hingegen
mit sieben Siegeln mir versperrt,
ihr zwei, drei Leser, derentwegen
so viele Verse ich geplärrt.

Was hat zum Kuckuck euch bewogen,
grad diesen euer Ohr zu leihn,
die mit Sonetten und Eklogen
der höhren Dichtung nichts gemein?

Wie gern läs ich in eurer Seele,
wie ihr in meinen Zeilen lest,
dass sie mir klipp und klar erzähle,
was für ein Wind euch zu mir bläst!

Indes, bei näh’rem Überlegen
wär es wohl besser, wenn’s so blieb –
wer weiß, ob Freundschaft nur zu pflegen,
nicht nach dem Munde ich euch schrieb?

Drum weiter in gewohnter Weise
frisch einfach von der Leber weg –
nicht für blasierte Kennerkreise,
doch für das Herz am rechten Fleck!

Kunstgriffe

Die Kunst der StundeDie Kunst, wie soll man sie beschreiben?
Ich mein: Was macht ihr Wesen aus?
Wenn ich jetzt reime „Fensterscheiben“,
bin ich als Dichter schon fein raus?

Das kann nicht sein. Ich wälze Schriften.
Gedrucktes tut ja Wahrheit kund.
Kein Zweifel soll mir je vergiften
dies Manna aus Expertenmund.

Doch halt, hier stock ich schon
(um den „Olympier“ zu zitieren) –
die Schriften sind Legion:
Wo mag die Wahrheit mitmarschieren?

Horaz, der Elegien großer Meister,
bewies auch diesbezüglich seinen Rang.
Die Musen, riet er dem Talent, begeister
mit Tricks und Regeln auch für deinen Sang!

Beschrieb in der „Poetik“ detailliert
die Klippen, die es zu umschiffen gilt,
damit nicht spurlos sich verliert
das Wort, das unserm Kiel entquillt.

Soll ihm der Wahrheit Palmenzweig gebühren?
Wenn einem, sicher, dann Horaz –
wird zum Parnass er auch nicht führen
den Gipfelstürmer zweiten Grads!

Die Normen, die er klug ersonnen,
verwandt er selbst nur virtuos –
ach, Schafe tränk an goldnen Bronnen,
ihr Blöken werden sie nicht los!

Zuerst Talent, das höchste Muss.
Dann: Lieder, reifend im Gehirn.
Dazu ein Schreiber, gut in Schuss,
Gedankenknäuel zu entwirrn.

Fühl zum Poeten dich berufen,
scharr, Pegasus, mit deinen Hufen!
Denn Chuzpe ist die halbe Kunst
beim Aufstieg in der Massengunst.

Ein schlimmes Schicksal überdies
kann dich zum Könner küren:
Der Ruf des leidenden Genies
erschließt sich Herzenstüren.

Exzentrik kommt dir auch zugut.
Nur immer alles hübsch verquer!
Das Einhorn liebt man, die Chimär’,
nicht Mäuse, grau, mit Doktorhut.

Indem ich mich so dreh und winde,
mal hier, mal da den Reim postier –
ob dadurch ich dann glücklich finde
des Dichterruhmes Elixier?

Die Form, sie führ kein Eigenleben,
schmieg innig sich dem Inhalt an:
Was würd ich für Terzinen geben,
wie Dante göttlich sie ersann!

Dass einer in den andern schlinge
sich kettenmäßig Glied für Glied,
so reiht die Reime er zum Ringe,
den er um alle Sphären zieht.

Und weg von ausgelatschten Pfaden:
Mit kühnem Salto querfeldein
und Frischluft in die Lunge laden –
der halbe Dichter-Führerschein!

Doch so dantesk wird’s nicht gelingen
das Neue, wenn es wild gewollt.
Lass wie im Rausch den Stümper singen:
Du hörst nur einen Trunkenbold.

Sind Reim und Rhythmus dir gelungen,
sind Klang gefällig und Gehalt?
Schon Gründe für Belobigungen –
doch Lorbeer nicht im Blätterwald.

Die Speisen, die wir täglich kauen,
sind sie Gemenge nur, Gemisch?
Gekröse auf des Gaumens Auen,
Kaldaunen nur von Kutterfisch?

Gewürz muss rein und Hitze,
und alles wohldosiert,
worauf das Ganze schwitze,
akribisch terminiert.

Und schließlich noch ’ne Prise
von irgendeinem Kraut,
geheim trotz Expertise,
dem Koch nie abgeschaut.

(Ui, hat der Vers mich Zeit gekostet!
Ihr Musen, sagt, wo seid ihr hin?
Glaubt nicht, dass ich am Ende bin:
Denn nur wer reimet, der nicht rostet.)

Bei diesem wieder gab’s kein Zaudern:
Momente nur hat es gebraucht.
Verzeiht dies Aus-der-Schule-Plaudern –
doch seht auch, wie das Dichten schlaucht!

Lernt man Gedichte nach Rezepten?
Poetiken sind Schall und Rauch.
‘ne Handvoll Tricks für die Adepten –
der Rest kommt aus dem hohlen Bauch.

Versuch mal, so was zu erklären,
was unbewusst mit uns passiert!
Willst deinen Bauch du Mores lehren,
damit sein Knurren ihn geniert?

Vorsingen

VorsingenNun denn, mag es auch unnütz scheinen,
ein wesenloser Zeitvertreib,
ich halt mich damit auf den Beinen,
heißt: leidlich frisch an Geist und Leib.

Zum Sammeln bin ich nicht geboren,
was immer fürn Objekt es sei,
und auch die Entenjagd in Mooren
geht locker mir am Arsch vorbei.

Auch Schweinsgalopp auf langen Bahnen
in Läufen der diversen Art
hab anders als die Steinzeitahnen
ich satt und träge mir erspart.

Im Keller an Maschinen schrauben
war ebenfalls noch nie mein Ding,
so wenig wie für Gartenlauben
mein Hobbyherz je Feuer fing.

Mit Leib und Seele mich verschreiben
‘nem Sportverein, der angesagt?
Mir reicht’s, ein fauler Fan zu bleiben,
der mal nach der Tabelle fragt.

Das heißt: So viele Steckenpferde –
und keins, das mir gefallen kann.
Doch statt als Anlass zur Beschwerde
nahm eher ich‘s als Chance an.

So ist es schließlich denn gekommen,
dass ich als hoffnungsloser Fall
die Höhen des Parnass erklommen,
zu üben mich als Nachtigall.

Da sing ich nun ‘ne gute Weile
mit Leidenschaft aus vollem Hals
und weiß doch nicht, ob Amors Pfeile
schon folgten meiner Musenbalz.

Die Schönen geben sich verschlossen,
ihr Herz in Dornen eingefasst,
dieweil des seinen Blut vergossen
der Sänger ohne Ruh und Rast.

Womöglich finden sie zu fade
des Vogels kultivierten Sang,
dem schrillen lauschend der Zikade
von wildem, kakofonem Klang?

Das wäre nicht nach meiner Mütze –
so monoton dahingezirpt
wie neunundneunzig Liegestütze,
durch die man ein Diplom erwirbt.

Da kratzfußbuckel ich doch lieber
noch weiter vorm Kulturpalast –
an Lorbeerlaub ein Kohldampfschieber,
der Höhenluft zumindest prasst.

Wunschdenken

WunschdenkenDes Abends stille Stunde wieder.
Die Fantasie schwebt zum Parnass –
mit Versen kommt sie bald schon nieder,
Gedanken über dies und das.

Die Straße döst, kaum noch befahren,
im bläulich blassen Neonschein.
Wo überm Dach die Sterne waren,
spannt sich der Wolken grauer Lein.

Zu Ende jetzt die Wagenrennen,
geschäft’ger Füße Lärm erstickt.
Ich spür mein Lämpchen wärmer brennen,
den Zeiger hör ich, wie er tickt.

Frau Nachbarin, wohl schon zu Bette?
Kein einz‘ger Mucks, der zu mir dringt.
Ringsum, da schweigt man um die Wette,
nur meiner Therme Flämmchen singt.

Die Buddel, würde Bashô sagen,
wie quillt es da miteins
(ich will ein neues Gläschen wagen) –
Gluckgluck, Gluckgluck des Weins!

Erst will ich auf die Musen trinken,
an die mit Dankbarkeit ich denk:
Auch wenn mit Lorbeern sie nicht winken –
der Abend, welch Geschenk!

So‘n Frieden wünsch ich mir auf Erden –
will ihn ja nicht für mich allein:
Wenn alle Menschen Dichter werden,
dann müsst‘s zu schaffen sein.

Ich bitt euch, Musen, gebt euch Mühe,
haucht Poesie in jedes Herz,
dass selbst dem steinernen erblühe
ein Frühling wie im März!

Mit diesem Wunsch ich Reim und Rebe,
das Buch der Welt, die Augen schließ.
Wenn morgen ich die Lider hebe,
vielleicht im Paradies?